Mundraub: traditionelles vs. neues Ehrenamt
Andie Arndt und Kai Gildhorn von Mundraub auf dem openTransfer CAMP Demografie am 29.5.2015 in Berlin
Wie können unterschiedliche Formen des Engagements zusammengebracht und Konflikte vermieden werden? Die Online-Plattform Mundraub verzeichnet auf einer Karte Obstbäume, die jeder abernten darf, und organisiert Gemeinschaftsaktionen. Etablierte Umweltverbände sind davon nicht nur begeistert.
Eines müsse klar sein, meinten die Sessiongeber: Es gebe nicht auf der einen Seite das angestaubte, alte Ehrenamt in etablierten Strukturen und auf der anderen Seite das neue, komplett innovative Engagement. Es gelte, sich gegenseitig mit Respekt zu begegnen und die Kompetenzen des jeweils anderen wertzuschätzen. Wichtig sei es, gemeinsame Ziele zu identifizieren. Im konkreten Fall der Umweltverbände müsse sich Mundraub fragen, ob diese überhaupt die gleichen Ziele verfolgten. Bei Mundraub wolle man die Kulturlandschaft erhalten und in Wert setzen, aber auch deren Nutzung. Der klassische Naturschutz hat gerade bei letzterem Bedenken – und so musste es irgendwann zu Konflikten kommen.
Teilnehmende an der Session argumentierten, dass erst wenn es tatsächlich gemeinsame Ziele gebe, man sich Gedanken über Kooperationen oder eine Arbeitsteilung – z. B. die Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen – machen könne. Dabei dürfe auch nicht zu viel über die Interessen des Anderen gemutmaßt werden, sondern dieser Prozess müsse gemeinsam von beiden Seiten betrieben werden.
Die Idee klassischer Verbände, über neue Engagement-Formen (wie sie etwa Mundraub organisiert) Ehrenamtliche zu gewinnen, wurde als naheliegend, keineswegs aber zwingend bewertet. Denn das setze voraus, dass sich die Mitglieder der Mundraub-Community überhaupt als potenzielle Ehrenamtliche eigneten. Es böten sich auch andere Möglichkeiten einer „Arbeitsteilung“ an, wie z. B. die Pflege von Streuobstwiesen, die die klassischen Verbände nicht leisten könnten. Das wiederum setze eine entsprechende Qualifizierung der Community-Mitglieder voraus, da ernten und Bäume beschneiden durchaus anspruchsvolle Aufgaben darstellten. Aber auch eine Form von Öffentlichkeitsarbeit, indem z. B. Mundraub Zielgruppen erreicht, zu denen die klassischen Verbände keinen Zugang haben, wäre eine sinnvolle Art der Zusammenarbeit.
Nimmt man das Ziel von Mundraub, die Kulturlandschaft zu erhalten und in Wert zu setzen, sind auch Kooperationen mit kommerziellen Organisationen, wie z. B. dem Regionalmarketing, denkbar, so die Teilnehmenden. Grundsätzlich sei es sinnvoll, sich zunächst auf eine Kooperation zu fokussieren. Wenn diese erfolgreich gemeistert worden sei, habe dies meist eine Sogwirkung für weitere Kooperationen.
Offensiv mit Kritik umgehen
Allerdings müsse sich Mundraub auch fragen, inwieweit manche Kritik der Umweltverbände berechtigt sei. Zwar mag auch ein gewisser Unmut aus Konkurrenzdenken heraus entstanden sein, aber in manchen Punkten gebe es möglicherweise auch berechtigte Kritik. Damit müsse offensiv umgegangen werden. Werde z. B. das Zerstören einer Streuobstwiese moniert, müsse man ernsthaft prüfen, inwieweit dies tatsächlich auf die Mundraub-Community zurückgehe. Und in Fällen, in denen sich die Vorwürfe bestätigten, müssten diese auch offensiv als Negativbeispiele mit der klaren Botschaft „So nicht!“ kommuniziert werden.
Außerdem müsse deutlich gemacht werden, dass man an Kooperationen interessiert sei und dafür auch offensiv geworben werden. Man sollte dem Eindruck entgegenwirken, dass man eine Art Marktführerschaft in einem Engagement-Segment anstrebe.
Foto: Thilo Schmülgen