Mit einer digitalen Plattform das Ankommen erleichtern

Mit der Plattform patenmatch.de hat die gemeinnützige Organisation ProjectTogether ein neues Tool entwickelt, das Geflüchtete und Pat:innen schneller und einfacher zusammenbringen soll. 6 Organisationen nehmen aktuell an der Pilotphase teil. Wie es zu der Plattform kam und wie sie funktioniert, erzählt der Initiator der Plattform Freddi Lange.

Fotocredit: Samuel Groesch | ProjectTogether

ProjectTogether hat vier Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs die Alliance4Ukraine initiiert, ein koordinierendes Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, Stiftungen, staatlichen Institutionen und Unternehmen. Wie kam es dazu?

Als im Februar dieser verheerende und grausame Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, haben wir bei ProjectTogether direkt die Alliance4Ukraine gestartet. Unser Grundgedanke war: Wir bündeln alle relevanten Kräfte und guten Ansätze entlang von den verschiedenen Herausforderungen, um den geflüchteten Menschen aus der Ukraine in Deutschland bestmöglich zu helfen. Uns war gleich klar, dass wir keine neuen Ideen brauchen, keinen Hackathon, denn insbesondere 2015, 2016 sind großartige Projekte entstanden, auf die es aufzubauen gilt und deren Infrastruktur jetzt gestärkt werden muss. Letztlich haben wir geschaut, welche Herausforderungen gibt es, welche Akteur:innen können diese Herausforderung angehen und was brauchen sie, damit sie ihre Angebote breitflächig umsetzen können. Wir haben nie gesagt, es gibt nur eine:n Akteur:in oder nur einen Lösungsansatz dafür. Sinnvoller ist es, wenn die Vielzahl der Ansätze und Akteur:innen, konstruktiv zusammenarbeiten, insbesondere diejenigen, die bisher noch nicht zusammengearbeitet haben.

In welchen Handlungsfeldern sind die Akteur:innen der Alliance4Ukraine aktiv? 

Wir haben die relevanten Akteur:innen in 19 verschiedene Handlungsfelder aufgeteilt, von Unterkunft über Rechtsberatung, Kinderbetreuung, Bildung bis hin zum Thema Patenschaften, das mir besonders am Herzen liegt, weil es langfristig wirkt – sowohl auf der individuellen als auch auf einer gesellschaftlichen Ebene. Wir haben im Anschluss der Fluchtbewegung 2015/2016 gesehen, wie groß die Wirkung ist, wenn Menschen in Deutschland Pat:innen haben, die sie beim Ankommen und im Integrationsprozess begleiten. Deswegen habe ich das Thema stark vorangetrieben und mich mit vielen Akteur:innen aus dem Bereich ausgetauscht. Gleichzeitig habe ich mir auch die Seite der geflüchteten Menschen angeschaut, sowohl der Menschen aus der Ukraine als auch der Menschen, die vielleicht schon vor längerer Zeit aus anderen Gebieten nach Deutschland gekommen sind. Was mir aufgefallen ist: Es gibt viele großartige Patenschaftsprojekte, aber noch keine bundesweite Koordinierung der Projekte.

Also habt ihr eine zentrale Anlaufstelle für Patenschaftsprojekte eingerichtet?

Genau. Unser Ziel ist es, Menschen so einfach wie möglich an bestehenden Programmen zu beteiligen. Wir wollen ein öffentliches Gut schaffen, von dem alle profitieren. Dabei haben wir überlegt, wie Menschen, die flüchten, an Informationen gelangen. Und sowohl ganz am Anfang als auch im weiteren Prozess nutzen sie dafür den digitalen Bereich. Mir war es wichtig, auf die bestehenden Strukturen aufzubauen statt Parallelstrukturen zu erzeugen. Wir brauchen jetzt nicht die nächste große, komplexe Internetseite, sondern eine digitale Anlaufstelle, die alle Programme vereint und die geflüchtete Menschen nutzen können, um bundesweit unter allen Patenschaftsprogrammen das für sie richtige Angebot zu finden. Unsere Plattform patenmatch.de ist sehr niedrigschwellig konzipiert und funktioniert ganz simpel. Die Nutzer:innen geben einfach die Postleitzahl von dem Ort ein, an dem sie leben, und dann wird im Hintergrund automatisch die richtige Partnerorganisation identifiziert, die dann auf sie zugeht.

Wie habt ihr die Plattform so schnell entwickelt?

Ich habe zunächst viel mit den Akteur:innen aus dem Bundesprogramm Menschen stärken Menschen, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird, gesprochen. Sie waren sehr offen für unsere Idee und wollten das Projekt gemeinsam mit uns entwickeln und angehen. Das haben wir dann im Frühjahr 2022 auch gemacht. Sie haben vor allem den inhaltlichen Input und ihre Erfahrungen aus den letzten Jahren mit eingebracht, wir waren für die technische Umsetzung zuständig. Inzwischen haben wir auch einen sehr guten und wertvollen Austausch mit dem Bundesministerium und dem zuständigen Referat. Das freut uns natürlich sehr.

Was war für euch die größte Herausforderung bei der Entwicklung der Plattform?

Wir arbeiten mit Daten von Menschen, die auf der Flucht sind oder waren. Das sind sehr sensible Daten. Datenschutz ist daher ein super relevantes Thema für uns, das von Anfang an höchste Priorität hatte. Das war ein Punkt, der herausfordernd, aber für uns unverhandelbar war. Auch die kurze Zeitspanne, die wir für die Implementierung hatten, war eine große Herausforderung. Die Idee ist ja erst vor knapp zwei Monaten geboren. Es war also ein sehr ambitioniertes Projekt, für das wir in den vergangenen Monaten sehr hart gearbeitet haben. Jetzt ist es unsere Aufgabe, die Patenschaftsorganisationen anzusprechen und dafür zu gewinnen. Für sie ist das eine neue Art der Akquise. Dementsprechend führen wir gerade viele Telefonate und erklären, wie die Plattform funktioniert und was die Vorteile daran sind. Das ist ein Prozess, bei dem wir die Menschen ganz bewusst mitnehmen wollen. Denn wir brauchen die kollektive Kraft aller Patenschaftsorganisationen. Die Plattform wird erst dann lebendig, wenn eine ausreichende Anzahl von Organisationen dabei ist. 

Wie funktioniert patenmatch.de?

Patenschaftsorganisationen melden sich einmalig an. Das heißt, sie geben an, wie groß der Radius ist, in dem sie Menschen matchen können und welche Art von Patenschaften, sie ermöglichen: Lernpatenschaften, Lesepatenschaften, Patenschaften für Familien. Schließlich soll am Ende das Angebot mit dem Bedarf übereinstimmen. Personen, die Pat:innen suchen, geben auf der Seite ihren Vor- und Nachnamen ein, ihre E-Mail-Adresse, die Postleitzahl und die Art des Programms, an dem sie teilnehmen möchten. Die ganze Seite ist wahnsinnig einfach gehalten. Die Hürden teilzunehmen, sollen so gering wie möglich sein. Die Person bekommt dann eine E-Mail, um die Anfrage zu bestätigen. Nach der Bestätigung sucht die Softwarekomponente in der Datenbank die passende Organisation raus. Diese Organisation bekommt dann eine automatisierte E-Mail mit der Anfrage, den Daten der geflüchteten Person und der Bitte, sich innerhalb der nächsten zwei Wochen bei der Person zu melden. Unsere Plattform ist letztlich nur ein weiterer, aber eben ein sehr anderer Weg, eine Patin oder einen Paten zu finden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Patenschaftsorganisationen müssen sich nicht mehr um die Akquise kümmern, sondern können ihre Ressourcen in ihre wichtige Arbeit investieren. Für die geflüchteten Menschen entfällt die Suche nach dem richtigen Angebot. Stattdessen kommen passende Organisationen auf sie zu.

Wie finanziert ihr die Plattform?

Die Plattform wird momentan vollständig aus den Mitteln von ProjectTogether finanziert. Die gesamte Entwicklung und die Serverkosten laufen über uns. Als gemeinnützige Institution erhalten wir eine institutionelle Förderung von verschiedenen Finanzierungspartner:innen. Wir sind also in der privilegierten Situation,  dass es nicht an der Finanzierung scheitert und wir in Vorkasse gehen können. Natürlich wäre es großartig, wenn andere Organisationen den Mehrwert des Tools erkennen und sich daran beteiligen. Aber für mich ist gerade entscheidend, dass das Tool funktioniert und Menschen geholfen wird.

Eure Plattform ist Ende Juli live gegangen. Wie waren die ersten Reaktionen?

Allein innerhalb der ersten 24 Stunden gingen über 100 Anmeldungen von geflüchteten Menschen ein. Das zeigt, wie groß der Bedarf an einer solchen Plattform ist. Auch die Patenschaftsorganisationen reagierten bislang überraschend offen auf unser Tool. Jetzt wollen wir die technische Infrastruktur, die wir aufgebaut haben, in die bestehenden großen Seiten integrieren. Es gibt beispielsweise Handbook Germany als große Anlauf- und Informationsplattform für Menschen mit Fluchterfahrung in Deutschland. Sie leisten eine unglaublich gute und wertvolle Arbeit. Genauso wie – ukrainespezifisch – die Seite des Bundesinnenministeriums Germany4Ukraine. Auf diesen Seiten wollen wir unser Tool komplett implementieren, damit die geflüchteten Menschen nicht von einer auf die nächste Seite weitergeleitet werden, sondern so einfach und schnell wie möglich, ihr Patenmatch finden. Und die Offenheit dafür ist auf allen Seiten groß. Deshalb blicke ich sehr zuversichtlich in die Zukunft. 

Artikel: Kristin Kasten

Christine Langer

Christine Langer ist bei der Stiftung Bürgermut als Projektkoordinatorin bei openTransfer #Patenschaften tätig. Sie studierte Internationale Entwicklung und Koreanologie in Wien und Seoul (Südkorea) sowie Gender Studies in Berlin (MA Gender Studies). Während ihrem Studium begann sie beim Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) zu arbeiten wo sie nach ihrem Abschluss das Mentor:innen Programm für queere Geflüchtete leitete. Privat engagiert sie sich im Bereich (Queer-)Feminismus und Fußball.

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