Interview mit Stefan Deines: „Ihr habt die Wirkungsorientierung schon in eurer DNA!“

Wie kann erfolgreiches Wirkungsmanagement eure Skalierung voranbringen? Warum sollten Förder:innen Organisationen beim Voranscheitern unterstützen? Wir haben mit Stefan Deines, Leiter des Wirkungsmanagements bei Education Y und Mitinitiator der Initiative Wirkungsmanagements gesprochen.
Stiftung Bürgermut: Vorab: Wie würdest du wirkungsorientiertes Arbeiten definieren?
Stefan Deines: Wirkungsorientierung haben Organisationen, die gemeinwohlorientiert arbeiten, bereits in ihrer DNA! Sie wollen etwas erreichen, was man Wirkung nennen kann: eine Veränderung oder Verbesserung in sozialen, ökologischen oder gesellschaftlichen Bereichen. Durch die Methoden des Wirkungsmanagements stellen sie dann sicher, dass Maßnahmen gezielt und strukturiert auf die gewünschten Veränderungen hin ausgerichtet sind.
Was ist aus deiner Sicht besser: das Wirkungsmanagement aus sich heraus oder als Antwort auf Fördervorgaben zu entwickeln?
Stefan Deines: In der Skalierung sind Organisationen herausgefordert, ihre Wirkung und deren Nachweis systematisch weiterzuentwickeln. Natürlich finde ich es am Besten, die Motivation kommt von den Organisationen selbst. Gleichzeitig kann die Forderung nach besserem Wirkungsmanagement auch extern – also von Förder:innen – dazu anregen, sich ein starkes Wirkungsmanagement aufzubauen.
Was umfasst erfolgreiches Wirkungsmanagement aus deiner Sicht?
Erfolgreiches Wirkungsmanagment umfasst viele Schritte, von der Problemanalyse, der Planung von Projekten, Monitoring und Evaluation sowie Lern- und Anpassungsprozesse. In der Praxis haben wir die Herausforderung, dass es kein einheitliches Verständnis von Wirkungsorientierung gibt. Das führt dazu, dass es verschiedene Anforderungen und Erwartungen gibt. Oft liegt der Fokus z.B. stark auf der Wirkungsmessung oder den Outputzahlen und weniger auf den Lernprozessen und dem Mindset Das Gute ist, dass das Thema Wirkung bei Fördermittelgeber:innen angekommen ist. Hinderlich ist aber das unterschiedliche Wirkungsverständnis der Förder:innen. Das ist gerade für die Skalierung schwierig.
Wie kann eine Organisation intern ein gemeinsames Verständnis von Wirkung aufbauen?
Das Einfachste ist, dass man über Wirkung spricht! Wirkungsmanagement sollte in der Organisationskultur und der -entwicklung verankert sein, damit es nicht nur eine Aufgabe von Spezialist:innen bleibt. Jede Abteilung sollte – von der Geschäftsführung bis zur Programmarbeit – Wirkung als Teil ihrer täglichen Arbeit verstehen. „Haben wir erreicht, was wir wollten? Woran sind wir gescheitert? Brauchen wir andere Arbeitsformate, mehr Personal etc.?“
„Denkt gemeinsam und auf allen Ebenen über euer Wirkungsmanagement nach!“
Inwieweit können Förderstrukturen solche Prozesse unterstützen?
Ich würde dafür werben, lernende Organisationen zu fördern, weil das die beste Wirkung verspricht. Meist wird leider nur die Programmarbeit gefördert – mit den besten Absichten! Ich würde für mehr Vertrauen in die Purpose-Orientierung der Organisationen plädieren. Wirkung kann dann nicht nur mit einer Outputzahl in einem bestimmten Jahr beziffert werden. Vielleicht gibt es da erst einmal einen Rückschritt, der aber maßgeblich ist für einen großen Erfolg im darauffolgenden Jahr!
Wie profitieren Organisationen konkret von Wirkungsmanagement in ihrer Skalierung?
In der Anfangsphase profitieren Organisationen besonders von einer engen Begleitung durch interne Evaluationsprozesse. Hier geht es um schnelles Lernen und Anpassungen. Sobald ein Produkt stabil ist, kann eine externe, methodisch fundierte Evaluation durchgeführt werden, um durch eine tiefergehende Wirkungsanalyse die Wirkung objektiv nachzuweisen. Diese Nachweise erleichtern es, Förder:innen und Partner:innen zu überzeugen und dann in den Roll Out zu gehen.
Gibt es erprobte Methoden oder Tools für Wirkungsmanagement?
Es gibt zahlreiche Methoden, die je nach Erkenntnisinteresse eingesetzt werden. Qualitative Methoden ermöglichen tiefere Einblicke in Wirkungserfahrungen. Quantitative Methoden weisen kausale Effekte nach. Organisationen sollten sich zunächst klar machen, welche Art von Erkenntnissen sie für welchen Zweck benötigen – ob für intern oder extern.
Was wird aus deiner Sicht häufig unterschätzt?
Es wird unterschätzt, wieviel Arbeit Wirkungsanalyse macht! Mir macht eine Tendenz Sorgen, dass Geldgeber:innen sagen: „Wir fördern die Organisationen, die uns Wirkung nachweisen – und dann kommt das Geld!“. Gute Wirkungsnachweise erfordern allerdings Vorarbeit und finanzielle Mittel, die nicht immer vorhanden sind. Es braucht Prozesse, um Erkenntnisse in die Organisationsentwicklung einzubinden, statt sie nur für externe Berichtspflichten zu nutzen. Und: Wirkungsanalysen durchführen reicht nicht. Die Ergebnisse zu lesen, aufzubereiten und zu vermitteln ist zentral.
Welche Bestandteile muss eine Wirkungslogik haben?
Es ist gar nicht so leicht, eine Wirkungslogik zu entwickeln! In der Grundidee gemeinnütziger Organisationen ist bereits ein Wirkungszusammenhang enthalten: Hier gibt es ein Problem, wir haben dafür einen interessanten Ansatz, der wirkt bei dieser Zielgruppe. Nützlich ist, nach außen eine klare Logik zu nutzen, die den Purpose einer Organisation darstellt. Intern sollte mehr Detailtiefe vorhanden sein, um etwa zu verdeutlichen, warum welche spezifische Maßnahme zu welchem Zeitpunkt für die Zielgruppe wirkt.
Wie kann Wirkungsmessung mitwachsen, wenn eine Organisation ihr etabliertes Angebot skaliert?
Das ist eine wichtige Frage! Mit wachsender Organisation muss sich das Wirkungsmanagement anpassen. In den frühen Phasen der Konzeption und Pilotierung ist es wichtig, zu überpfüfen, ob und wie die Maßnahmen wirken. Wenn der Wirkungszusammenhang festgestellt wurde, kann man sich mehr auf Monitoring und Qualitätssicherung konzentrieren. Sinnvoll ist hier zum Beispiel die Frage, wo die Ressourcen am besten einzusetzen sind. Im Unterschied zur Phase der tiefen Wirkungsanalysen lässt sich bei der Verbreitung des Angebots tatsächlich „sparen“: Die Organisation hat etwas Wirkungsvolles geschaffen und kann nun die Wirkung „einsammeln“ – durch gute Skalierung!
Wo siehst du im dritten Sektor aktuell Potenzial, wenn es um die Etablierung von Wirkungsorientierung geht?
Organisationen sollten Wirkungsmanagement als ganzheitliche Aufgabe begreifen. Ich weiß, wie schwierig es ist, gerade als Leitung die Spannung zwischen Finanzierung und Wirkung zu bewältigen. Ich wünsche mir mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit Förder:innen im Sinne: „Wir haben einen Purpose. Wir haben gute Ideen! Wir streben mehr Wirkung an, indem wir eine lernende Organisation sind.“ Ich möchte dazu ermutigen, die eigene Methodik zu vertreten und langfristige Wirkungsziele zu priorisieren. Das heißt auch, Förderungen abzulehnen, wenn sie mit der eigenen Entwicklung nicht übereinstimmen und Förder:innen nach Möglichkeit vom eigenen Weg zu überzeugen. Zudem gibt es großes Potenzial für mehr Zusammenarbeit zwischen Organisationen: Teilt Methoden! Tauscht euch zu eurem Rollenverständnis aus! Ich empfehle eine offenherzige Weitergabe.
Die Fragen stellte Ann Rogalski.