Wir kultivieren Kulturen – Das Gartenprojekt für alte und neue Schwerinerinnen und Schweriner

Das Icon, das für Session-Dokumentationen steht.Session von Claus Oellerking, Flüchtlingshilfe Schwerin, beim openTransfer CAMP #Patenschaften am 25. März 2017 in Schwerin

In der Session wurde das Schweriner Gartenprojekt, das Newcomer mit Kleingärtnern zusammenbringt, vorgestellt. Die größten Herausforderungen sind die nachhaltige Entwicklung des Projekts sowie bürokratische Hürden.

Angefangen hatten Claus Oellerking und viele andere Engagierte, indem sie im Rahmen der Schweriner Flüchtlingshilfe Kleiderspenden und Möbel organisierten und verteilten. Mittlerweile haben sich die Herausforderungen aber geändert. Und das Gartenprojekt ist nur eines von vielen Ideen, die gerade Realität werden: Schwimmkurse, Angebote im Bereich Arabisch und Deutsch und regelmäßige Schachturniere werden vom Verein durchgeführt. Der Austausch zwischen Newcomern und „Wurzelschwerinerinnen und -schwerinern“ steht immer im Vordergrund.

Die Idee zum Gartenprojekt entstand durch das Erzählen der Geflüchteten von ihrer Heimat: Sie sprachen oft über ihren Garten und zeigten, wie wichtig dieser war, denn: „Egal woher du herkommst, Garten spielt in jeder Kultur eine Rolle – als Platz der Familie, der Ernte, der Erde, des Pflanzens“, sagte Oellerking.

Parallel dazu konnte er die Entwicklung ausmachen, dass das Kleingartenwesen in Schwerin stirbt – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Viele Sparten stehen leer und verwildern, weil die Besitzerinnen und Besitzer zu alt sind. So startete das Gartenprojekt bereits 2016 in Kooperation mit der Bahnhofsmission Schwerin – und viele der Neuankommenden wollten helfen. Drei nebeneinanderliegende verwilderte Gärten wurden so gemeinsam nutzbar gemacht. Ein Grillplatz wurde errichtet, und der krönende Abschluss war das gemeinsame Fest im September 2016. 200 Menschen aus 13 Ländern feierten ihren Garten. Aber auch bei der tagtäglichen Gartenarbeit nahm das gemeinsame Essen danach einen großen Stellenwert ein. So sei mit diesem Projekt eine Basis für eine andere Art von Integration geschaffen worden.

Viele Herausforderungen auf dem Weg zu einem nachhaltigen Konzept
Zunächst war es trotz der großen Anzahl an leerstehenden Gärten nicht einfach, größere zusammenhängende Flächen zu finden. Einige Kleingartenvereine hatten zudem Bedenken, rechtsgesinnte Personen könnten gegen das Vorhaben mobil machen. Oellerking betonte aber, dass der Großteil durchaus offen für solch ein Projekt gewesen sei. Als nächstes mussten Gartengeräte und Saatgut organisiert sowie die Pacht bezahlt werden. Hinzu kommen Wasser und Strom sowie notwendige Instandsetzungen, z.B. der sanitären Anlagen. Vieles davon geschah über einen Projektmitteltopf für Kleinprojekte (8.000 Euro) und privaten Einsatz. Jedoch gab es beim ersten Kleingartenverein Probleme, einen langfristigen Pachtvertrag abzuschließen, wodurch sich keinerlei Sicherheiten für den Verein ergaben. Zur neuen Gartensaison 2017 wurden daher neue Flächen gesucht und gefunden.

Ein Mann sitzt in einem Stuhlkreis und lacht.

Fragen der Teilnehmenden
Viele der Diskussionsfragen der anderen Teilnehmenden zielten daher auf die organisatorischen Rahmenbedingungen des Projekts ab. In Fragen des Versicherungsschutzes räumten die Aktiven Nachholbedarf ein. Ein Verein wurde aber bereits gegründet. Behörden unterstützen das Projekt bislang nicht aktiv, dennoch ist das Projekt mittlerweile mehr als stadtbekannt. Das liegt vor allem an der offensiven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, deren Herz die Social-Media-Auftritte sind. Oellerking fasst seine Erfahrungen so zusammen: „Fragen, fragen, fragen und niemanden beschimpfen.“ Ein Input der Diskussion war die gezielte Ansprache von Vertreterinnen und Vertretern der Liga der freien Wohlfahrtspflege, die bereits Erfahrung mit der Akquise von Projektfördermitteln haben und sich auch um die oft unbeliebten bürokratischen Abläufe kümmern. Eine weitere Frage zielte darauf ab, wer sich auf „deutscher Seite“ im Gartenprojekt engagiere. Zunächst waren dies die Organisatorinnen und Organisatoren, die aber stets versuchten, die Offenheit der Gruppe zu betonen. Im nächsten Schritt waren es vor allem die Nachbarinnen und Nachbarn aus den anliegenden Gärten, aber auch Interessierte, die über die Online-Auftritte auf das Projekt aufmerksam geworden sind. Als größte Schwierigkeiten beschreibt Oellerking die nachhaltige Entwicklung des Projekts in Hinblick auf bürokratische Hürden und Vorschriften. Negativ können sich auch Konflikte mit Nachbarinnen und Nachbarn oder Einbrüche auswirken.

Zukunftspläne: Weitere Projekte und winterliche Aktivitäten
So manch ein Subotnik (Arbeitseinsatz) liegt hinter den Aktiven. Doch mit nur einem Garten geben sich die Engagierten nicht zufrieden: Geplant ist deshalb eine Matching-Plattform, die freie Parzellen von aufgeschlossenen Kleingartenvereinen mit verbindlich interessierten Newcomern zusammenbringt. Im Winter, jenseits der Gartensaison, soll es auch weiterhin Workshops zu verschiedenen Gartenthemen sowie Planungstreffen geben. Außerdem sind weitere Projekte rund um das Thema „gemeinsam essen“ geplant, z.B. in Form eines regelmäßigen Welcome Dinners.

http://www.fluechtlingshilfe-schwerin.de

Download des Videos zum Gartenprojekt hier.

Foto: Andi Weiland

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Johanna Voll

Johanna Voll studierte Interkulturelle Europa- und Amerikastudien in Halle (Saale) sowie Soziokulturelle Studien an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), wo sie mittlerweile als akademische Mitarbeiterin tätig ist. Zuvor hat sie u.a. in der Onlineredaktion vom BBE (Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement) die Social Media-Kanäle betreut. An der Viadrina beschäftigt sie sich nun mit der Reorganisation von Erwerbsarbeit in der Wissensgsellschaft und untersucht das Phänomen Coworking und seine Räume. Besonders spannend findet sie auch die Schnittstellen von Social Media und Wissenschaft und versucht genau das den Studierenden zu vermitteln.

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