Semiprofessionalisierung: das richtige Maß an Qualifikation

Session von Bernd Schüler, bagfa, beim openTransfer CAMP #Patenschaften am 1. Dezember 2018 in Berlin

Welches Maß an Qualifizierung und Professionalisierung brauchen Aktive in Patenschaftsprojekten? Bernd Schüler diskutierte mit den Teilnehmenden diese Frage und besprach, welche Formate der Qualifizierung es braucht und welcher Umfang dieser Angebote sich in der Praxis bewährt haben.

Zur Einordnung des Themas berichtete Bernd Schüler vom European Mentoring Summit, der im März 2018 in Berlin stattgefunden hatte. Eine wichtige Erkenntnis: Die Vorbereitung und Qualifikation der Patinnen und Paten ist wichtig – dies belegen Studien zum Mentoring im Kinder- und Jugendbereich. Halbwissen hingegen kann Schaden anrichten, etwa wenn es zu einer falschen rechtlichen Beratung der Mentees führt.

Herausforderungen in der Praxis

Nach der Vorstellungsrunde berichtete eine Vertreterin des Projekts „Kinderpatenschaften Leipzig“, dass Rollenkonflikte entstehen können, wenn Aufgaben nicht klar zwischen professionellem Anspruch und privater Freizeitbegleitung verortet werden. So bringen manche Familien einfach mehr Themen oder Probleme mit als andere. Das bestätigten Teilnehmende von der Berliner Stadtmission, Rock Your Life!, MentorMe oder ein Pate, der sich fragt, inwieweit Kommunikationsfähigkeiten besonders geschult werden sollten. Ebenso ist der Umgang mit Nähe und Distanz, gerade in Bezug auf psychische Probleme, immer wieder Thema im Patenschaftsalltag. Die Teilnehmenden bestätigten, dass die Entwicklung einer gesunden Distanz zu den diversen Problemlagen der Patinnen und Paten nicht immer einfach einzuhalten ist und hier eine gute Begleitung durch die Patenschaftsorganisation wichtig ist.

Ein Mann sitzt neben einer Frau am Tisch und spricht.

Das Projekt „Wunderfinder“ der „Stiftung Bürger für Leipzig“ ist ein außerschulisches Freizeitprojekt, bei dem sich ein Erwachsener als Mentorin oder Mentor für zwei Kinder engagiert. Dazu gibt es ein persönliches Vorgespräch sowie einen Einführungsabend. Jede Runde startet mit dem neuen Schuljahr, begleitend werden drei Workshops angeboten. Die Themen „Abschied“ und „Wertschätzung des Engagements“ sind hier wichtig. Auch die „Bürgerstiftung Hamburg“ hat ein Freizeit-Mentoring-Projekt. Dort muss verpflichtend ein Workshop durchlaufen werden. Die Abgrenzung zu anderen Formen der Begleitung wird betont (z.B. Familienhilfe, Hausaufgabenhilfe oder Rechtshilfe). Die Erfahrungen zeigen hier, dass kürzere Workshops zur Qualifizierung der Patinnen und Paten in der Woche besser angenommen werden als Ganztagsschulungen am Wochenende. Da die größte Zielgruppe aus türkischstämmigen Kindern besteht, liegt eine besondere Herausforderung in der interkulturellen Kommunikation.

Die lagfa Sachsen-Anhalt hat ein etabliertes Qualifizierungsangebot mit Themen wie Rollenverständnis, Ehrenamtstätigkeit oder Netzwerkaufbau. Zusätzlich bietet sie monatlich Zeit und Raum, für einen Patinnen- und Patentreff, in dem ein offener Austausch möglich ist. Gut funktionieren auch wechselseitige Besuche von Projekten in anderen Städten. Ähnlich professionell funktioniert die Fortbildung beim Projekt „Lesementoring“ aus Hannover. Die jugendlichen Patinnen und Paten werden in zwei Tagesworkshop von ausgebildeten Fachkräften betreut und qualifiziert und dafür von der Schule freigestellt. Weitere Workshops bilden eine gute Basis für den Einsatz in Kleingruppen mit jüngeren Kindern.

Selbsteinschätzung und feste Ansprechpartner

Es gibt aber auch einige Projekte, in denen noch keine Einstiegsqualifizierung angeboten wird. Im Laufe der Session zeigte sich, wie wichtig diese sein können. Bei den diversen Patenschafts-Projekten muss dennoch immer klar sein: Ehrenamt ersetzt keine professionelle Unterstützung. Die Erwartungen der Patinnen und Paten an sich selbst sind oft hoch, deshalb sollte man sich fragen: „Kann ich das überhaupt leisten?“ Um diese Frage beantworten zu können, sollten die Organisationen immer Ansprechpartner zur Verfügung stellen. Teilnehmende der Session unterstützten diese Empfehlungen und sahen als Mindestqualifizierung an, dass Freiwillige ihre Grenzen erkennen können sollten.

Bernd Schüler ist auch Mitherausgeber des Telemachos, dem Fachbrief über Mentoring und Patenschaften.

www.bagfa.de

Foto: Jörg Farys

Johanna Voll

Johanna Voll studierte Interkulturelle Europa- und Amerikastudien in Halle (Saale) sowie Soziokulturelle Studien an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), wo sie mittlerweile als akademische Mitarbeiterin tätig ist. Zuvor hat sie u.a. in der Onlineredaktion vom BBE (Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement) die Social Media-Kanäle betreut. An der Viadrina beschäftigt sie sich nun mit der Reorganisation von Erwerbsarbeit in der Wissensgsellschaft und untersucht das Phänomen Coworking und seine Räume. Besonders spannend findet sie auch die Schnittstellen von Social Media und Wissenschaft und versucht genau das den Studierenden zu vermitteln.

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