kein Abseits!: Das gute Ende in Patenschaften

Jasmin Azar und Florian Amoruso-Stenzel auf dem openTransfer CAMP #Patenschaften am 1. Dezember 2018 in Berlin

Nichts ist schlimmer als eine schlecht endende Patenschaftsbeziehung. Der Verein kein Abseits! stellte vor, nach welchem System ein guter Abschied gefunden werden kann und was zu tun ist, wenn nicht alles nach Plan läuft.

Die Sessiongeberin und der Sessiongeber informierten einführend, dass es grundsätzlich zwei Modelle von Patenschaften gibt, an denen sich auch die Patenschaftsorganisation kein Abseits! orientiert:  Die israelische Organisation Perach (in den 1970ern gegründet) hat den konzeptionellen Ansatz, Studierende und Kinder im Rahmen eines einjährigen strukturierten Programmes zusammenzubringen. Anfang und Ende finden im Gruppenkontext eher unstrukturiert statt. Das Ende ist in diesem Programm als Zeitpunkt implizit definiert. Big Brothers Big Sisters (1905 in den USA gegründet) wurde bis in die 1980er-Jahre so ausgebaut, dass es zum weltweit größten Patenschaftsprogramm geriet. Aus den Erfahrungen wurde ein frei zugängliches Qualitätsmodell entwickelt, mit den Kernprozessen Recruitment, Screening, Training, Matching, Monitoring, Closure. Closure steht für Beendigung.

Abschied in der Praxis

Wie funktioniert der Kernprozess „Closure“ nun bei kein Abseits!? Ein Mentoring-Projektdurchlauf ist von vornherein auf ca. acht Monate angelegt. Er ist umrahmt von einem Kennenlernfest am Anfang und einem Abschiedsfest mit allen beteiligten Tandems, Koordinatorinnen und Koordinatoren sowie den Eltern der teilnehmenden Kinder. Der Termin des Abschiedsfestes wird allen frühzeitig bekanntgegeben. Die Koordinatorin lädt die Mentorinnen und Mentoren ca. sechs Wochen vorher zu einem Gruppentreffen ein, in dem das Thema Abschied konkret thematisiert wird. Es geht um die Reflexion des gemeinsam Erlebten und Gelernten in den Tandems, darum wie das Thema Abschied mit den Mentees angesprochen werden kann und um die konkrete Gestaltung der letzten sechs Wochen der Patenschaft. Im Mittelpunkt des Abschiedsfestes stehen die Wertschätzung der gemeinsamen und individuellen Erfahrungen, die dazugewonnenen Stärken, die Verbindlichkeit der Beziehung und der Dank an die Mentorinnen und Mentoren. Während dieser Zeit misst das kein Abseits!-Team nach bestimmten Indikatoren die Wirksamkeit der Patenschaften. Zu diesem Zeitpunkt wird auch die Option der Fortführung der Patenschaftsbeziehung thematisiert.

Sessiongeber Florian Stenzel mit einer Teilnehmerin
otc_2018

Wichtige Learnings, Erkenntnisse und Erfahrungen von kein Abseits!:

  • kein Abseits! berücksichtigt Studien und Forschungsergebnisse zu Mentoring. Eines davon lautet im Fazit: „Eine Mentoring-Beziehung, die schlecht endet, ist schlimmer, als wenn es gar kein Mentoring gegeben hätte.“
  • Abschied muss nicht immer positiv, soll jedoch möglichst bewusst und plausibel sein. Das Prinzip des bewussten Abschieds ist es, die Verstehbarkeit und Erklärbarkeit der Welt herzustellen.
  • Wenn ein klares Ende von Anfang an definiert (terminiert) ist, fällt es leichter, bei Schwierigkeiten während der Patenschaftszeit durchzuhalten und sich durch die Begleitung der Projektverantwortlichen motivieren zu lassen.
  • Monitoring während der Patenschaftszeit ist wichtig, um ggfs. frühzeitig auf Indikatoren aufmerksam zu werden, die die Patenschaftsbeziehung beeinträchtigen und einem guten Ende im Wege stehen könnten.
  • Sollte es trotz aller Bemühungen und frühzeitiger Moderation (z.B. auf Basis der Monitoring-Auswertung) Gründe auf einer Seite für die vorzeitige Beendigung der Patenschaftsbeziehung geben, entschließt sich kein Abseits! für eine rasche Klärung und ggf. eine begleitete, akzeptierende Auflösung der Beziehung. Hier ist u.U. der besondere Einsatz der Projektverantwortlichen nötig, alle Beteiligten zu motivieren noch einmal an einem Tisch zusammen zu kommen und sich zu verabschieden.
  • Die Auswahl der Mentorinnen und Mentoren entspricht klar definierten Erwartungen u.a. an die Teilnahme bestimmter Veranstaltungen der Projektverantwortlichen im Laufe des Patenschaftszeitraums (Schulung, Erfahrungsaustausch, Kennlern- und Abschiedsfest)

Foto: Jörg Farys

Henrik Flor

Diplom-Politologe, absolvierte nach dem Studium ein Verlagsvolontariat und betreute danach für eine Kommunikations-Agentur verschiedene Kunden aus der Buchbranche. Er leitete bis 2021 den Bereich Redaktion & Konzeption bei der Stiftung Bürgermut, baute dort das digitale Engagement-Magazin Enter auf und war von Anfang an bei der Entwicklung von opentransfer.de dabei. Henrik Flor ist Gründungsmitglied des Vereins Netzdemokraten, der Partizipationsmöglichkeiten im Internet auslotet.

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