Das Transfer-Dilemma

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Gerald Labitzke, Bertelsmann Stiftung, über den „Faktor Mensch“ beim Projekttransfer auf dem openTransfer CAMP am 8. November in Frankfurt

 

Viele Faktoren sind wichtig für einen erfolgreichen Projekttransfer. Doch oft scheitert die Verbreitung guter Projekte schon, bevor man sich Gedanken über Finanzierung, Kompetenzen und Transparenz macht. Gerald Labitzke stellte in der Session die Frage: „Sind wir am Ende selbst schuld?“

 

Es gibt viele Stellschrauben, von denen der Erfolg eines Projekttransfers abhängt. Man braucht entsprechende Ressourcen, zu denen nicht allein die Finanzierung gehört. Menschen müssen den Transfer initiieren und umsetzen. Sie müssen entsprechende Kompetenzen aufweisen und wissen, wie ein Transfer funktioniert. Aber vor allen Dingen müssen Projektgeber und Projektnehmer erst einmal zueinander finden. Und oft scheitert es bereits an dieser Stelle.

Das Transfer-Dilemma

Dieses Scheitern vor dem eigentlichen Beginn wird Transfer-Dilemma genannt. Insbesondere das Not-invented-here-Problem stellt in diesem Zusammenhang eine große Herausforderung dar. Projekte, die nicht von einem selbst oder in der eigenen Region erfunden worden sind, sind per se einer großen Skepsis ausgesetzt. Denn eigene „innovative“ Lösungen sind mehr wert und passen besser auf das gesellschaftliche Problem vor der eigenen Tür, so lautet zumindest die Argumentation.

Aber was ist außerdem Teil des Transfer-Dilemmas? Um diese Frage zu klären, warf Gerald Labitzke von der Bertelsmann Stiftung die Frage auf: „Ist der Mensch das Problem?“ Karten wurden verteilt: blau für die Sicht des Projektgebers, grün für die Perspektive des Projektnehmers. Die Teilnehmenden fanden sich in Gruppen zusammen und begannen sich mit der Frage auseinanderzusetzen, aus welchen Gründen ein Projekttransfer an der Beziehung zwischen diesen beiden Akteuren scheitern kann.

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Geballte Session-Kreativität

Es folgte eine rege Diskussion, die von der unterschiedlichen Zusammensetzung der Teilnehmenden profitierte. Verschiedenste persönliche Erfahrungen fanden in wenigen Worten Platz auf einer der grünen oder blauen Karten. Aber auch theoretische Überlegungen über die jeweils andere Sichtweise fanden statt. Nach einer guten Viertelstunde waren beinahe alle Karten ausgefüllt, und das Brainstorming war vorbei.

Das Sammeln aller Ideen an der Tafel spiegelte unterschiedlichste Aspekte des Transfer-Dilemmas wieder. Schnell wurde klar, dass fehlende oder eine falsche Kommunikation auf beiden Seiten ein wesentlicher Faktor beim Scheitern ist. Projektgeber können durch eine zu fachspezifische Kommunikation potenzielle Projektnehmer verschrecken. Daher sollte die Sprache klar, der Zielgruppe angepasst und insbesondere frei von jedem Herrschaftsanspruch sein. Aber auch Projektnehmer können sich durch eine falsche Kommunikation als unpassende Partner darstellen. Eine wichtige Herausforderung bei einem Projekttransfer ist es daher, eine gemeinsame Sprache zu finden.

Ein weiterer Punkt ist die fehlende Bereitschaft des Projektgebers, das Projekt abzugeben. Projektgeber können eine Arroganz ausstrahlen, die dem Gegenüber vermitteln: „Wir wissen es besser, und ihr könnt es sowieso nicht.“ Statt der gewünschten Spielräume für die eigene Entfaltung, ahnt der Projektnehmer voraus, dass er es eher mit einem engmaschigen Kontrollsystem zu tun haben wird und ist abgeschreckt. Auf der anderen Seite gibt es zu bescheidene Projektgeber, denen das eigene Projekt nicht wichtig oder reif genug erscheint, um es zu verbreiten. Auch unklare Erwartungen, wohin sich das Projekt entwickelt oder Angst vor lokalen Umsetzungsschwierigkeiten bei potenziellen Transfers hindern Projektgeber daran, die Verbreitung der eigenen Idee voranzutreiben.

Aus Sicht der Projektnehmer dominiert das Not-invented-here-Problem. Mangelnde Identifikation mit dem Projekt oder die fehlende Wertschätzung der Idee („nicht innovativ genug“) kann bereits im Voraus einen Transfer verhindern. Die empfundene Loyalität gegenüber der eigenen Region kann bei der Übernahme von Projekten aus anderen Regionen zu Konflikten führen. Selbst bei einer grundsätzlich als verbreitungswürdig eingeschätzten Projektidee kann es zu Identifikationsproblemen mit dem überregionalen Erscheinungsbild des Projekts kommen.

Manchmal ist es aber auch nur das fehlende Selbstvertrauen. Es fehlt schlicht die Überzeugung, dass man das Projekt erfolgreich umsetzen wird. Daneben gibt es auch die Angst vor fehlendem Freiraum bei der Umsetzung der Projektidee. Selbst politische und ethische Gründe können eine Rolle spielen, wenn zum Beispiel unterschiedliche kulturelle Bedingungen als Transferschranken empfunden werden. Denkt man an die Schulzeit zurück, erinnert man sich vielleicht an die negative Einstellung gegenüber dem „Kopieren“ oder „Abschreiben“ einer Idee. Projektnehmer zerbrechen sich dann oft lieber selbst den Kopf, statt ein bewährtes Modell zu übernehmen.

Wesentliche Aspekte des Transfer-Dilemmas

Die Session brachte vor allem eines zum Vorschein: Der Transfer von Projekten kann bereits zu Beginn durch ganz menschliche Reflexe erschwert oder ganz verhindert werden. Ohne Verständnis und Vertrauen gegenüber dem Anderen, ohne eigenes Selbstvertrauen sowie das Zutrauen, dass man dem richtigen Partner gegenübersteht, wird kein erfolgreicher Projekttransfer auf den Weg gebracht.

Fazit: Neben der richtigen Kommunikation und der beiderseitigen Bereitschaft zum Transfer ist es vor allem wichtig, dass die Chemie zwischen den Projektpartnern stimmt. Erst dann sollte man sich über Ressourcen, Finanzen und Kompetenzen unterhalten.

Foto: Andi Weiland

Elisabeth Pfaff

Aufgewachsen im westfälischen Münsterland, zog es Elisabeth Pfaff nach ihrem Bachelorstudium der Europäischen Studien in Osnabrück zum Master in den Süden. Während ihres Studiums der Osteuropastudien an der LMU München und der Universität Regensburg widmete sie sich dem Thema Demokratie und Zivilgesellschaft in postkommunistischen Staaten. Um nicht nur in der Theorie zu verbleiben, engagierte sie sich zuletzt ehrenamtlich als Nachhilfelehrerin für Kinder mit Lernbehinderung. Aktuell sammelt sie bei der Bertelsmann Stiftung erste Berufserfahrung im Stiftungssektor.

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