In die Gewaltspirale und Schutzlosigkeit? Wohnungslosigkeit und häusliche Gewalt

Session-Dokumentation – openTransfer CAMP wohnen

Session von: Merve Eryoldas (Universität Göttingen) und Jasmin (Frauenhaus Göttingen e.V.)

Diese Session beleuchtete die Situation von Frauen, die durch häusliche Gewalt Wohnungslosigkeit erfahren oder bedroht sind, sowie die bestehenden Hilfs- und Schutzangebote, ihre Grenzen und notwendige Verbesserungsmöglichkeiten.

Die Referentinnen Merve Eryoldas (Universität Göttingen) und Jasmin (Frauenhaus Göttingen) eröffneten die Diskussion mit der Feststellung, dass die Zahl der Frauen, die häusliche Gewalt erleben, in Deutschland weiterhin steigt – Kinder sind häufig mitbetroffen, selbst wenn die Gewalt nicht direkt gegen sie gerichtet ist. Studien belegen, dass von Gewalt betroffene Frauen überproportional häufig von (drohender) Wohnungslosigkeit betroffen sind. In der anschließenden Diskussion kristallisierten sich mehrere Problemfelder und Fragen heraus:

  1. Zugang zu Frauenhäusern
    • Mangel an Plätzen: Eine Frage aus dem Publikum lautete, ob es in Deutschland überhaupt genügend Frauenhausplätze gebe. Die Antwort lautete eindeutig: Nein. Besonders Frauen mit mehrfachen Belastungen (z.B. Behinderung, Migration, Suchterkrankung) haben es schwer, einen passenden Platz zu finden.
    • Strenge Regeln: In Frauenhäusern leben oft Frauen mit und ohne Kinder auf engem Raum zusammen. Deshalb gelten strikte Hausordnungen, was für einige Betroffene eine zusätzliche Hürde darstellen kann.
  2. Strukturelle Herausforderungen
    • Rechte und Zuständigkeiten: Teilnehmende machten auf die Frage aufmerksam, ab welchem Punkt Frauen einen „Rechtsanspruch“ auf einen Platz in einem Frauenhaus haben. Oft müssen bereits eskalierte Situationen nachgewiesen werden, bevor Unterstützung greift.
    • Fokus auf die Täter?: Gemeinsam wurde in der Session die These aufgestellt, dass man nicht nur die Frauen (und Kinder) schützen, sondern verstärkt bei den gewaltausübenden Männern ansetzen müsse. Bewährungshilfen arbeiten zwar mit Tätern, doch in der Praxis würden Gewaltschutzbeschlüsse nicht immer konsequent durchgesetzt und von der Justiz teilweise nicht hinreichend ernst genommen.
  3. Fortbestehende Bedrohung und Sensibilisierung
    • Langfristige Gefährdung: Auch wenn Frauen in einem Frauenhaus Zuflucht finden, endet die Bedrohung nicht automatisch. Häufig bleiben Gefährdungssituationen nach dem Auszug bestehen, zum Beispiel durch Nachstellungen.
    • Aufklärungs- und Unterstützungsbedarf: Die Teilnehmenden kamen überein, dass eine stärkere Sensibilisierung für die Gewalterfahrungen von Frauen – insbesondere auch bei Polizei, Gerichten und Sozialbehörden – dringend nötig ist, um den Schutz Betroffener nachhaltig zu gewährleisten.

Fazit
Die Session machte deutlich, wie eng Wohnungslosigkeit und häusliche Gewalt miteinander verwoben sind. Trotz existierender Schutz- und Hilfesysteme reichen die Angebote nicht immer aus, zumal Plätze in Frauenhäusern begrenzt sind und häufig spezifische Barrieren für Frauen mit Mehrfachbelastungen bestehen. Im Fokus künftiger Diskussionen und Maßnahmen steht einerseits die bedarfsgerechte Erweiterung von (Frauenhaus-)Kapazitäten, andererseits der konsequentere Umgang mit Tätern. Wichtig sind außerdem eine bessere Vernetzung von Justiz- und Hilfesystemen sowie Sensibilisierungsmaßnahmen, um den Schutz der Betroffenen – insbesondere auch ihrer Kinder – sicherzustellen.

Daniel Männlein

Daniel Männlein ist Programmmanager im Programm openTransfer Patenschaften und gestaltet bundesweit Angebote für Patenschafts-, Mentoring- und Tandemprojekte. Er hat Sozialwissenschaften in Augsburg, Spanien und Berlin mit Schwerpunkt auf Stadt- und Migrationsforschung studiert. Vor seiner Tätigkeit bei der Stiftung Bürgermut sammelte er wertvolle Erfahrungen in der Projektförderung bei der Robert Bosch Stiftung, in der Projektarbeit bei zivilgesellschaftlichen Trägern und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

Ein Kommentar bei “In die Gewaltspirale und Schutzlosigkeit? Wohnungslosigkeit und häusliche Gewalt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert