Gemeinde-Allianz startet Pilotprojekt für Vielfalt auf dem Land

Kerstin Brückner, „Koordinationsstelle Neubürger“, und Corina Ittu, Neu-Hofheimerin und Mitglied in einem Verein Zugezogener, auf dem openTransfer CAMP #Demokratie am 28.09.2019 in Erfurt

Die Gemeinde-Allianz im Hofheimer Land unternimmt ein bayrisches Pilotprojekt, das neue und alte Einwohner:innen zusammenbringen soll. Der ländliche Raum bietet für das Vorhaben besonders gute Voraussetzungen, aber auch manche Herausforderung.

Zunächst äußerten die Referentinnen Kritik am Integrationsbegriff. Für sie können alte und neue Nachbar:innen nur inklusiv zueinander finden. Sie argumentierten: Alle sollen sich einbringen können und die Gemeinde gemeinsam gestalten. Dabei gibt es die Herausforderung, dass die Zielgruppe sehr heterogen ist und in ländlichen Regionen wenige Vernetzungsstrukturen vorhanden sind. Gleichzeitig aber zeigen sich dort viele Nachbar:innen interessiert und engagieren sich ehrenamtlich. Daher hat das Projekt vor allem ein Ziel: neue Beteiligungsformate entwickeln, an denen alle gleichermaßen mitwirken können.

Wie steht es um die Repräsentation der Vielfalt auf dem Land?

Corina Ittu ist Mitglied eines Vereins von neuen Nachbar:innen und ärgert sich, dass ihr seit zwei Jahren dieselben Fragen zu ihrer Herkunft gestellt werden. Dabei ist Vielfalt im ländlichen Raum an sich nichts Neues, wie Kerstin Brückner erklärt: Bei 15.000 Einwohner:innen im Hofheimer Land sind 60 Nationalitäten vertreten. Die Frage ist also, wie regelmäßige Begegnungsmomente entstehen können. Eine Sessionteilnehmerin verwies auf sehr gute Erfahrungen in Jena mit Kochveranstaltungen in Kooperation mit Migrantenorganisationen. Die Session ergab aber auch, dass die Akzeptanz neuer Nachbar:innen insgesamt gestärkt werden müsse – ob mit oder ohne Migrations- oder Fluchterfahrung. Dabei können die dezentralen Strukturen eine Chance sein, da sie es erlauben, gemeinsam für ein Ziel aktiv zu werden.

Eine Frau sitzt vor einer Wand mit Grafittis und erklärte einem Stuhlkreis etwas.
Foto: Henning Schacht / opentransfer.de

Von der Zielgruppe aus gedacht

Oft sind bei Aktivitäten die immer gleichen Leute eingebunden. Ein Weg, diesen Kreis zu erweitern, könne laut den Sessiongeberinnen sein, zu fragen, welche Bedürfnisse die Dorfbewohner:innen haben: Infrastruktur, Angebote für Familien, …? Durch eine solche thematische Verbundenheit könnten aus Newcomern Nachbar:innen werden. Auch die bereits bestehenden Orte der Begegnung wie Feste, Kirche, Feuerwehr oder Schützenverein müssen geöffnet werden. Genauso ist es aber auch möglich, dass eher ein Neben- denn ein Miteinander entsteht. Auch dies müssten Aktive aushalten können.

Dorfidentitäten entstehen durch Begegnungen und Geschichten

Dorfidentitäten entstehen durch geteilte Geschichten und die Gelegenheit, sie zu teilen. Dafür gibt es zahlreiche Formate wie gemeinsame Tafeln oder ein rotes Sofa in der Dorfmitte. Auch die Not kann Menschen zusammenbringen, wie es beispielsweise in großen Städten geschieht, wenn sich Mieter:innen gegen den Verkauf „ihres“ Hauses wehren. Eine Idee, die alle Session-Teilnehmenden vielversprechend fanden, stellte Kerstin Brückner zum Ende vor: Sie möchte einen Kalender mit und für die neuen und alten Nachbar:innen zusammenstellen, in dem sie ihre persönlichen Geschichten und den Bezug zum Hofheimer Land vorstellt. So zeigt sich die Vielfalt der Mensch, aber auch das, was sie eint: ihr Zuhause.

http://www.hofheimer-land.de/

Katharina Stökl

Katharina Stökl hat einen Bachelor in Sozialwissenschaften und Master in Migration Studies. Seit Oktober 2016 koordiniert die gebürtige Hamburgerin das Willkommensbüro InteraXion, das in Berlin Treptow-Köpenick Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung beim Ankommen im Bezirk unterstützt. In ihrer Masterarbeit hat sie Mitglieder des Zahnräder Netzwerks interviewt, um ihre Perspektive zu muslimischen Leben in Deutschland zu erfahren.

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