BürgerStiftung Hamburg: Und dann? – Das Ende von Patenschaftsbeziehungen aktiv gestalten

Ann-Katrin Kraus und Evgi Sadegie vom Mentorprojekt Yoldaş der BürgerStiftung Hamburg (BSH) beim openTransfer CAMP #Patenschaften am 24.08.2019 in Bremen

Ann-Katrin Kraus und Evgi Sadegie betreuen 52 aktive Patenschaften im Projekt Yoldaş der BürgerStiftung Hamburg (BSH). „Yoldaş“ bedeutet auf Türkisch „Weggefährt:in“ – und solche suchen sie für 5- bis 9-jährige auf langfristiger Basis. Dennoch enden die Mentoringbeziehungen spätestens mit der Volljährigkeit der Mentees. In der Session diskutierten die Teilnehmenden, wie sowohl ein absehbares, aber auch ein spontan eintretendes Ende begleitet werden könne.

Andi Weiland | openTransfer.de (CC by nc)

Yoldaş vermittelt und begleitet Freizeitpatenschaften zwischen ehrenamtlichen Erwachsenen und Kindern mit türkischem Hintergrund in Hamburg. Dabei ist die Schule explizit ausgeklammert. Gemeinsame Unternehmungen stehen im Fokus der Tandems, die Sprachförderung passiert dann ganz informell. Um die Stabilität langfristig zu stärken, treffen sich die Tandems 1-2-mal pro Woche und werden intensiv begleitet – durch Feedback-Telefonate oder Kommunikation über Messenger. Irgendwann enden die aktiven Tandems jedoch.

Plötzlicher Abbruch und häufige Probleme

Neue Entwicklungen auf Seiten der Mentees, etwa durch einen Umzug oder neuen Bildungsweg, führen manchmal zum Abbruch der Patenschaft. Die Erfahrungen der Teilnehmenden zeigten, dass sich auch die Pat:innen „verlassen“ fühlen können. Die Koordinatorinnen von Yoldaş betonten, dass ein plötzlicher Abbruch immer schwierig und die beste Lösung immer ein persönliches Gespräch sei. Wenn das nicht möglich sei, könne wenigstens telefoniert werden. In der Praxis habe sich auch das Schreiben eines Briefes oder das Erstellen eines Abschlussfotoalbums bewährt.

Es könne aber auch sein, dass das Problem eher an der (mangelnden) Kommunikation mit den Eltern liegt. Da Yoldaş einen speziellen Fokus auf Familien mit Migrationsgeschichten hat, wird viel Wert auf die interkulturellen Zusammenhänge in Bezug auf die türkischen Familien gelegt. Auch hier gelte: Wenn die Pat:innen gut darauf vorbereitet seien, was auf sie zukommen könne, seien sie entspannter. Gut funktioniere, mit jemandem, der selbst Türkisch spricht, das Gespräch zu suchen. Dazu seien schriftliche Vereinbarungen mit den Tandems am Anfang sinnvoll, sodass alle ihre Rechte und Pflichten kennen.

Best practices: Regelmäßiger Kontakt, Reflektion und Schulungen

Markus, der vor allem Lehrkräfte zu Mentor:innen ausbildet, betonte: „Ihr müsst was Aktives machen – auch zum Abschluss der Mentoringbeziehung“. Er nutzt dazu eine Handreichung des U.S. Department of Education. Dieses Workshop-Konzept für Koordinator:innen nutzt er zur Reflektion von Abschiedsmöglichkeiten – Feste, Briefe oder andere Rituale (S.97ff).

Andi Weiland | openTransfer.de (CC by nc)

Ann-Katrin Kraus und Evgi Sadegiegaben zu bedenken, dass ein letztes Treffen mit einem Danksagungsritual manchmal schwierig zu organisieren sei, wenn der Kontakt abgebrochen wurde. Sie versuchen es über Feedbackgespräche mit externen Partner:innen, etwa über Ehrenamtliche der BürgerStiftung Hamburg, um offener über die jeweiligen Gründe reden zu können.

Bei Yoldaş gibt es auch während der aktiven Zeit Workshops. Diese mussten zunächst verpflichtend besucht werden, was nicht gut funktioniert habe. Die Koordinatorinnen setzen nun auf regelmäßige Kommunikation: über Textnachrichten, anfangs wöchentliche Telefonate und Kurzprotokolle, die nach den Treffen ausgefüllt werden müssen.

Viele Teilnehmenden waren sich einig, dass Kontakthalten schwierig sein kann, besonders wenn die Kinder (noch) kein eigenes Telefon haben. Hier haben sich regelmäßige Sommerfeste als ein schönes Ritual erwiesen. Man könne langfristig dazu aufrufen und die Mentees können auch bei der Organisation mithelfen. Durch diese Bindung können Mentees irgendwann zu Mentor:innen werden.  

Das Thema Abschied frühzeitig aufgreifen

Ein Patenschaftsprogramm aus Münster versucht ein langfristig angekündigtes Ende mit Gesprächen zu begleiten, denn oft fragen sich die Pat:innen: „Wie sag ich das jetzt dem Kind?“ Mittlerweile werde das Thema auch im Vorbereitungskurs frühzeitig angesprochen. Es sei wichtig zu betonen, dass es normal sei, wenn etwas nicht mehr so gut funktioniere. Im ersten Schritt müsse man sich das eingestehen. Mit einer vertrauensvollen Feedbackkultur und guter Betreuung führe das sogar zu Erleichterung und neuer Motivation. Erfahrungen zeigen, dass eine gelockerte Version des Tandems auch funktionieren könne. Solch ein Mittelweg könne z.B. über ein Alumni-Konzept funktionieren.

Von vornherein begrenzte Patenschaften: Balu und Du

Beim bundesweiten Projekt Balu und Du ist die Laufzeit von vornherein begrenzt und das Ende wird direkt bei der Einführung thematisiert. So muss der Abschied nicht mit Schmerz behaftet sein. Ein Jahr hat sich als guter Zyklus herausgestellt. Die Tandems können danach noch Freunde sein; dann jedoch nicht mehr als „Balu und Mogli“, sondern als, zum Beispiel, „Dennis und Max“. Die meisten Tandems treffen sich nach der Patenschaft noch im Almuninetzwerk der „Senior-Balus“. Dort können die ehemals Engagierten weiterhin Impulse in die Programmentwicklung einbringen und sich in Steuergruppen treffen. Aktive Gespanne erhalten während des Jahrs eine Supervision und es gibt ein gemeinsames Abschiedsfest der Pat:innen. Die Abschiede zu den Kindern werden aber individuell gestaltet.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine frühe Auseinandersetzung mit dem Thema Abschied wichtig ist, am besten schon im ersten Workshop vor Beginn einer Patenschaft. Ferner kann das Wissen der Alumni auch nach deren Ausscheiden genutzt werden. Eine stete Kommunikation und beharrliches Nachfragen sind unterstützende Faktoren einer gelingenden Patenschaft. Das ist langfristig viel Arbeit, aber auch aus Kinderschutzgründen wichtig.  

https://www.buergerstiftung-hamburg.de/yoldas/

Johanna Voll

Johanna Voll studierte Interkulturelle Europa- und Amerikastudien in Halle (Saale) sowie Soziokulturelle Studien an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), wo sie mittlerweile als akademische Mitarbeiterin tätig ist. Zuvor hat sie u.a. in der Onlineredaktion vom BBE (Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement) die Social Media-Kanäle betreut. An der Viadrina beschäftigt sie sich nun mit der Reorganisation von Erwerbsarbeit in der Wissensgsellschaft und untersucht das Phänomen Coworking und seine Räume. Besonders spannend findet sie auch die Schnittstellen von Social Media und Wissenschaft und versucht genau das den Studierenden zu vermitteln.

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