Active Listening gegen die Einsamkeit

Session von Jannis Kuhlencord, TEDx Heidelberg, beim openTransfer CAMP #Digitalisierung am 20. April 2018 in Stuttgart

Jannis Kuhlencord stellt seine Projektidee vor, bei der es darum geht, einander wirklich zuzuhören (active listening). Zwei knallrote Ohrensessel im öffentlichen Raum laden dabei jeden und jede ein, Platz zu nehmen und sich jenseits der Anonymität des Alltags zu begegnen, auszutauschen und (Lebens-)Geschichten zu erzählen.

Dieser Prozess wird medial begleitet, wobei es keine Bedingung ist, dass die mitunter sehr persönlichen Gespräche aufgezeichnet werden. Nach ersten Aktionen in Heidelberg möchte Jannis Kuhlencord das Format auch an anderen Orten etablieren.

Der Hintergrund des Projekts ist ernst: Immer mehr Menschen fühlen sich einsam. Studien zeigen, dass immer mehr Menschen ungewollt allein sind. Neu ist dabei, dass dies auch die Altersgruppe von 18-35-Jährigen betrifft. Ein Zusammenhang mit dem Social-Media-Gebrauch wird vermutet. So verbringen viele Menschen Zeit mit der Inszenierung eines Profils, das nicht immer der Realität entspricht. Dies könne, so Kuhlencord, zu einer Entfremdung mit der realen Welt führen. Laut einer Studie fühlen sich 10-15 Prozent der Deutschen oft einsam.

Zwei Männer unterhalten sich, im Hintergrund eine größere Menschenmenge.

Eine Teilnehmerin erzählte, dass es möglich sei, schnell viele Menschen über das Internet kennenzulernen, sich aber die Gespräche dann oft nur um das konkrete Themen drehen würden, das den Anlass bildete, und weniger wirklich Persönliches besprochen werde. Der digitale Raum sei zwar gut für Kommunikation geeignet, aber nicht für intensive menschliche Nähe.

Diese Entwicklungen haben auch Einfluss auf unser aller Wahrnehmung im öffentlichen Raum. Der Umgang miteinander sei vom herumliegenden Handy geprägt und nicht selten könne man Menschen beobachten, die zwar physisch am gleichen Ort sind, aber nicht miteinander, sondern digital mit anderen kommunizierten. Die ständige Erreichbarkeit mache es nicht einfach sich wirklich auf ein Gespräch zu konzentrieren.

Am liebsten würde Jannis Kuhlencord seine Idee mit den zwei Sesseln im öffentlichen Raum weltweit verbreiten. Die entstandenen Beiträge möchte er dann auf einer Plattform sammeln. Es könne viele zentrale Hubs geben, die das parallel machen und ähnliche Events organisieren. Das Format hätte dabei auch Potenzial für eine politische Entscheidungsfindung und einen Austausch auf Augenhöhe. So könnten sich Politikerinnen und Politiker den Fragen der Bürgerinnen und Bürger stellen. Interessierte, die dieses Format auch ausprobieren möchten, können dazu gerne mit Jannis Kontakt aufnehmen: https://twitter.com/JKuhlencord.

Weitere Projekte, die Menschen (wieder) näher zusammenbringen möchten:

https://www.die-offene-gesellschaft.de/

https://nebenan.de

Foto: © Henning Schacht

Johanna Voll

Johanna Voll studierte Interkulturelle Europa- und Amerikastudien in Halle (Saale) sowie Soziokulturelle Studien an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), wo sie mittlerweile als akademische Mitarbeiterin tätig ist. Zuvor hat sie u.a. in der Onlineredaktion vom BBE (Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement) die Social Media-Kanäle betreut. An der Viadrina beschäftigt sie sich nun mit der Reorganisation von Erwerbsarbeit in der Wissensgsellschaft und untersucht das Phänomen Coworking und seine Räume. Besonders spannend findet sie auch die Schnittstellen von Social Media und Wissenschaft und versucht genau das den Studierenden zu vermitteln.

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