Stiftung Bürgermut: Brauchen wir einen digitalen Kodex?
Henrik Flor, Stiftung Bürgermut, auf dem openTransfer CAMP #Digitalisierung am 22.6.2017 in Berlin
Wie transparent wollen oder sollen Nonprofits arbeiten? Ist es angesichts eines immer größeren Datenhungers an der Zeit, offenzulegen, welche Daten man erhebt und welche digitalen Dienste man benutzt?
Ausgangspunkt für die Session der Stiftung Bürgermut war die widersprüchliche Haltung vieler Nonprofits gebenüber dem Thema Digitalisierung, speziell dem Sammeln und Verarbeiten von Daten. Google und Facebook sind uns schon intuitiv nicht geheuer und zahlreiche Negativschlagzeilen verfestigen diese Wahrnehmung. Wir kritisieren also gerne die großen Datenkraken und pochen auf eine geschützte Privatsphäre. Die andere Seite: Wir sammeln selbst gerne Daten über Mitglieder, Spenderinnen und Spender, Website-Besucherinnen und -besucher und nutzen wider besseren Wissens neugierige Services. Was Nonprofits im Einzelnen verwenden und welche Daten wo gespeichert und wie weiterverarbeitet werden, weiß man in der Regel nicht.
Keine digitale Mündigkeit ohne Transparenz
Dabei ist die Grundvoraussetzung für digitale Mündigkeit gerade das Wissen darüber, wer mit meinen Informationen was anstellt. Nur so kann ich eigene digitale Handlungen hinterfragen und qualifiziert entscheiden, welche Organisation ich wie unterstützen möchte.
Wie ist hier Transparenz herstellbar? Ist ein digitaler Kodex eine Lösungsmöglichkeit – also eine Aufstellung auf der Homepage, auf der beschrieben ist, welche Nutzerdaten gespeichert werden, welche Cloud-Dienste genutzt werden, welche Statistik-Webtools zum Einsatz kommen und über welche Anbieter der E-Mail-Verkehr läuft?
Komfort sticht Datensicherheit
Die Teilnehmenden bestätigten den Eindruck, dass viele gemeinnützige Organisationen (so wie auch viele privaten Nutzerinnen und Nutzer) eine paradoxe Haltung entwickelt haben. Gründe, digitale Dienste zu nutzen, die eigentlich nicht dem digitalen Selbstverständnis der Organisation entsprechen, können sein:
-Sie funktionieren besonders gut (Performanz und Usability)
-Sie sind eingeübt – neue Tools einführen, stößt oft auf Widerstände.
-Es gibt keinen unmittelbaren Schmerz: Datenhungrige oder unsichere Lösungen tun ihren Dienst diskret und verursachen erst im Ernstfall Probleme (z.B. Identitätsdiebstahl).
-Wir befinden uns längst in der Post-Privacy-Ära – Datensicherheit bzw. -sparsamkeit werden immer mehr zur Illusion.
Wie können wir besser werden?
-Tools ganz bewusst auswählen. Die Einführung in der Organisation braucht gute Kommunikation und Begleitung.
-Digitale Transparenz muss Führungsaufgabe sein.
-Transparenz zu einem Projekt für die ganze Organisation machen – „Wir machen uns auf den Weg!“
-Einführung einer Zertifizierung, die der Organisation Datensparsamkeit attestiert.
Auch ein digitaler Kodex, so die Meinung der meisten Teilnehmenden, könnte die Transparenz erheblich steigern. Dieser müsste beispielsweise die Fragen beantworten:
- Welche Daten erhebt die Organisation?
- Wie speichert sie diese Daten? (verschlüsselt? In Deutschland?)
- Welche Dienste werden genutzt, welche bewusst nicht?
- Bei welchen digitalen Playern ist man Kunde?
Die Session endete mit dem Aufruf, gemeinsam das Thema weiterzudenken. Einige Teilnehmende vernetzten sich unmittelbar. Wer noch Interesse hat sich einzuklinken, kann sich an Henri Flor unter redaktion (a) opentransfer.de wenden.
Foto: Milos Djuric / opentransfer.de
Zuvorderst vielen Dank an Henrik für die tolle Session!
Ich halte das Thema für ein wirklich wichtiges und eines, bei dem Stiftungen mit gutem Beispiel vorangehen können. Wie wir in der Diskussion auch gemerkt haben, ist eine hohe Datensicherheit leider nicht immer günstig zu haben. Da können knappe Budgets schon mal zu einem Hinderniss werden. Aber selbst wenn es gute Gründe gibt, an der Datensicherheit zu sparen, ist es wichtig zu wissen, was mit den Daten passiert – als handelnde Stiftung und auch als User.