Wissensweitergabe – wie Projektnehmer Prozesse nicht nur kennen, sondern auch anwenden

Im letzten Newsletter haben wir darüber gesprochen, wie wichtig der persönliche Kontakt zwischen euch und euren Projektnehmern ist. Für den Erfolg eures Projekttransfers ist dieser ganz entscheidend, nicht zuletzt, weil durch den Austausch bei persönlichen Gesprächen per Telefon, Skype, oder Chats Wissen regelmäßig und sehr niederschwellig weitergegeben werden kann. Allerdings nimmt dieser Austausch viel Zeit in Anspruch und es können wichtige Informationen untergehen. Daher ist es sinnvoll, zusätzlich formalisierte Instrumente der Wissensweitergabe einzusetzen. Weshalb das so ist und welche Möglichkeiten es gibt, beleuchten wir im folgenden Text.

Wissen aufarbeiten und teilen – aber bitte nur das Relevante

Damit die Umsetzung vor Ort gelingt, müsst ihr euren Projektnehmern das Wissen, welches notwendig für die Durchführung des Projekts ist, weitergeben. Hierzu gehören zum Beispiel Routinen und Prozesse; Probleme und Lösungen; Werte, die zu einer bestimmten Handlung führen; Erfahrungen und gute Praktiken; aber auch Expertise im Feld. In der Regel unterscheidet man zwischen implizitem und explizitem Wissen. Implizites Wissen steckt in euren Köpfen und ist in der Regel schwer zu übertragen, da es oft nur unbewusst vorhanden ist. Explizites Wissen hingegen ist für Dritte erkennbar und daher leicht transferierbar. Die Herausforderung beim Projekttransfer besteht also darin, zum einen implizites in explizites Wissen umzuwandeln sowie das für die Projektnehmer relevante Wissen herauszufiltern und so aufzuarbeiten und zu teilen, dass sie es nicht nur verstehen, sondern auch anwenden können. Bevor wir uns verschiedene Möglichkeiten anschauen, bleiben wir noch einmal kurz beim Punkt der Relevanz. Mit den Jahren habt ihr sicherlich jede Menge Wissen angesammelt, Erfahrungen gemacht, Prozesse entwickelt. Aber brauchen Projektnehmer alles, um ihre Aufgaben durchzuführen? Wahrscheinlich nicht. Daher ist es besser, Wissen so kompakt wie möglich aufzuarbeiten, um sie nicht zu überfordern.

Möglichkeiten der Wissensweitergabe

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das eigene Wissen an eure Projektnehmer weiterzugeben: neben persönlichen Gesprächen oder Chats könnt ihr Informationen in eine gemeinsame Datenbank oder virtuelle Datenablage, zum Beispiel auf einem gemeinsamen Server oder Cloud-Anbieter, wie Dropbox, speichern. Wissen kann außerdem durch Hospitationen, Schulungen oder Beratungen, sowie auf Regional- und/oder bundesweiten Treffen oder in einem Transferhandbuch vermittelt werden. In der Regel werden mehrere dieser Wege genutzt. Welcher der richtige ist, hängt von dem Umfang sowie der Standardisierbarkeit eures Wissens ab. Schauen wir uns zwei Möglichkeiten einmal etwas genauer an.

Transferhandbuch

Das Transferhandbuch – manchmal auch Qualitätshandbuch oder Leitfaden genannt – ist die Grundlage des Transfers. Hier sind die Prozesse und Standards beschrieben, es werden Erfahrungen, Checklisten und Vorlagen geteilt sowie Informationen zur gemeinsamen Zusammenarbeit dargestellt. Der Verein „Über den Tellerrand“, der an 31 Standorten in ganz Deutschland Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Fluchterfahrungen schafft hat zum Beispiel eine Toolbox erstellt, in der Leitfäden, Checklisten, Vorlagen und Informationsmaterial für die Projektnehmer aufbereitet sind. Hier geht es nicht nur darum, wie man Begegnungsveranstaltungen gestaltet, sondern auch um Fundraising, der Gründung eines Vereins und so weiter. Sie ist als Print und USB-Stick sowie Online erhältlich.

Auch bei Common Purpose, einer Organisation, die an neun Standorten in Deutschland Leadership-Programme durchführt, um Entscheider zu befähigen, Veränderungen im eigenen Unternehmen und in der Gesellschaft anzustoßen, gibt es ein Handbuch für die lokalen Standorte. Hierin werden detailliert verschiedene Prozesse beschrieben – von internen Aspekten, wie Personalprozessen, dem gewinnenden Umgang mit dem Kuratorium bis hin zum Aufbau der Räume im Rahmen der Programme, um ein fruchtbares Arbeitsklima zu schaffen.

Ob das Transferhandbuch ein gedrucktes Buch ist, mehrere verschiedene Dokumente oder online herunterladbar hängt von eurer Zielgruppe ab und wie oft sich die Informationen ändern. Auch der Umfang kann variieren und richtet sich nach der Komplexität des Projekts. Es sollte aber immer gut leserlich dargestellt werden – bitte keine Bleiwüsten – und verständlich sein. Hier helfen Fallbeispiele, Grafiken oder ähnliches. Ein Vorteil des Handbuchs ist, dass die Projektnehmer immer wieder reinschauen können und die einzelnen Prozesse und Erfahrungen recht kompakt aufbereitet sind. Allerdings müsst ihr euch im Klaren sein, dass Informationen auch überlesen werden können. Daher ist es wichtig, gerade bei komplexeren Projekten oder wenn viele Qualitätsstandards übernommen werden müssen, zusätzlich eine oder mehrere Schulungen zu Beginn und gegebenenfalls regelmäßig zur Vertiefung oder Auffrischung anzubieten.

Im Austausch lernen

Wissen muss aber nicht immer theoretisch, durch ein Handbuch oder im Rahmen von Schulungen vermittelt werden. Vieles, gerade komplexere Themen oder auch implizites Wissen, lernt man am besten, indem man es macht. Daher bieten viele Organisationen Projektnehmern an, zunächst in der Zentrale zu hospitieren. Der Verein Klasse2000 führt ein Programm zur Gesundheitsförderung sowie Gewalt- und Suchtprävention an Grundschulen durch. 18 Regionalkoordinatorinnen setzen das Programm vor Ort um. Vor Jobantritt muss jede/r neue Mitarbeiter/in zwei Tage in der Zentrale in Nürnberg verbringen und erhält Einblick in alle Abteilungen. Dadurch bekommt er oder sie einen guten Überblick über die zentralen Prozesse. Auch bei Common Purpose ist das Hospitieren ein Muss. Das gilt übrigens nicht nur für neue Standorte. Wenn ein bereits etablierter Standort ein neues Programm einführen möchte, darf er dies erst, nachdem er bei einem anderen, im Programm erfahrenen Standort, hospitiert hat. So hat ein Mitarbeiter des Berliner Standorts zum Beispiel zunächst bei einem erfahrenen Kollegen in Doha das Programm für Studierende co-moderiert bevor er es vor Ort eingeführt hat.

Der Austausch zwischen den Standorten muss nicht immer über die Zentrale laufen. So bietet Common Purpose ein Tandem-Programm an, bei dem erfahrenere Standorte neue Standorte begleiten und Wissen weitergeben. Ähnlich ist das bei Arbeiterkind.de. Die gemeinnützige Organisation ermutigt und unterstützt Schülerinnen und Schüler aus Familien ohne Hochschulerfahrung dazu, als erste in ihrer Familie zu studieren. Mittlerweile gibt es 75 Gruppen in ganz Deutschland, die von Regionalkoordinatorinnen und -koordinatoren an sieben Standorten betreut werden. Zur Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat die Organisation ein Mentoringsystem entwickelt. So profitieren Neueinsteiger von den Erfahrungen von Mitarbeitenden an anderen Standorten. Das hat nicht nur den Vorteil, dass dadurch die Zentrale entlastet wird. Oftmals scheint Berlin nicht nur geografisch weit entfernt. Daher sind manche neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückhaltend, bei Problemen nachzufragen. Durch das Mentorenprogramm wird gewährleistet, dass neben der Schulung, die Jede und Jeder durchlaufen muss, praxisnahes Wissen weitergegeben wird.

Und was ist nun die richtige Methode?

Hier haben wir nur zwei von mehreren Möglichkeiten beleuchtet, wie Wissen weitergegeben werden kann. Welche davon für euch die richtige ist, hängt davon ab, wie komplex eure Prozesse sind und wie viele Qualitätsstandards eure Projektnehmer einhalten müssen bzw. wie viele Freiheiten sie haben, vor Ort selber zu gestalten. Außerdem hängt viel von euren eigenen Ressourcen ab. Wie viel Wissensweitergabe könnt und wollt ihr leisten? Oft haben formalisierte Instrumente hier klar die Nase vorn. Denn eine standardisierte Wissensweitergabe heißt für euch auch weniger Aufwand, da ihr die wiederkehrenden und für alle Standorte gleichbleibenden Prozesse so aufarbeiten könnt, dass ihr sie einfach aus der Tasche ziehen könnt. Dies ersetzt den persönlichen, individuellen Kontakt mit den Projektnehmern allerdings nicht, sondern sollte ihn ergänzen.

Julia Meuter

Julia Meuter arbeitet als Leiterin Transferberatung bei der Stiftung Bürgermut. Zuvor war sie bei der EVPA tätig und leitete beim Bundesverband Deutscher Stiftungen das „Social Franchise Projekt“ sowie „Effektn –Methoden erfolgreichen Projekttransfers“. Sie hat ein umfangreiches Wissen zu Fragen der systematischen Skalierung von Gemeinwohllösungen und ist Autorin zahlreicher Publikationen und Praxis-Ratgeber zum dem Thema.

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