Wirkung statt Profilierung
Um wirklich viel zu bewirken, müssen sowohl Geldgeber als auch geförderte Organisationen radikal umdenken. Die Auridis hat eine Idee, wie es geht, und macht es vor. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Dr. Christian Meyn.
Warum erfinden Organisationen und Förderer das Rad immer wieder neu, anstatt bewährte Modelle systematisch zu verbreiten?
Es gibt diesen Kirchturm-Blick. Viele Organisationen wollen unbedingt etwas Eigenes auf die Beine stellen. Und Förderer wählen Projekte oftmals nicht nach dem tatsächlichen Bedarf aus, sondern nach ihren eigenen Präferenzen.
Welche Präferenzen sind das?
Stiftungen und Unternehmen wollen sich mit ihren Förderprogrammen profilieren. Für die Politik gilt das erst recht. Da existiert eine regelrechte Aufmerksamkeitsindustrie. Ich kann mich aber nicht großartig profilieren, wenn ich die Infrastruktur und Übertragung von etwas fördere, das schon seit zehn Jahren perfekt funktioniert. Wer so handelt, bewirkt viel, wirkt aber langweilig.
Und deshalb fließt zu viel Geld in immer neue Leuchttürme und zu wenig in die Verstetigung und Verbreitung der bewährten Lösungen?
… und nach zwei oder drei Jahren endet dann die Förderung, und der Leuchtturm steht als Ruine da. Dabei entstehen nur ausnahmsweise nachhaltige Strukturen. Viele haben das schon erkannt, und die „Projektitis“ wird allgemein beklagt. Tatsächlich anders zu handeln, scheint aber schwierig zu sein, und es dauert wohl noch, bis sich hier grundsätzlich etwas ändert.
Was muss konkret passieren?
Wir brauchen ein Verständnis für die Notwendigkeit professioneller Strukturen in den Organisationen, die auch Geld kosten. Es ist doch ein grotesker Widerspruch: Wir verlangen von den Organisationen und Initiativen blitzsaubere Verwendungsnachweise und ein gutes Management, sagen aber gleichzeitig: „Wir wollen, dass unsere Fördermittel zu 100 Prozent bei den Kindern ankommen.“ Das passt nicht zusammen.
Also verteilen wir das Geld so unklug, dass erfolgreiche Modelle sich gar nicht in großem Maßstab verbreiten können?
Es sieht so aus – wir kennen ja nicht viele Modelle, die bundesweit nachhaltig verbreitet werden. Wenn Stiftungen, Unternehmen oder der Staat einer erfolgreichen Organisation langfristig das Team finanzieren, das sich um die Übertragung und das Wachstum kümmert, dann bewirkt dieses Geld viel mehr, als die Förderung des x-ten neuen Projektes.
Liegt das nur an der Politik der Förderer?
Keineswegs. Auch die zivilgesellschaftlichen Organisationen müssen umdenken. Oft wird doch der Projektantrag so lange umgeschrieben, bis das Vorhaben zum jeweiligen Fördertopf passt. Mit dem, was man eigentlich bewegen wollte, hat das am Ende oft nicht mehr viel zu tun. Organisationen müssen hier selbstbewusster werden und den Mut haben, nicht passendes Geld auch mal liegen zu lassen. Aber das ist für viele leichter gesagt als getan.
Wie lösen Sie bei Auridis dieses Problem?
Wir konzentrieren uns auf Partner, die bewährte Angebote überregional verbreiten, und stellen vor allem Mittel für die Organisationsentwicklung und das Team zur Verfügung – von der Geschäftsführung über den Controller und das Marketing bis zur Qualitätssicherung. Innovation ist schön, aber uns kommt es auf die maximale Wirkung an. In unserem Bereich der frühkindlichen Förderung sehen wir nicht so sehr ein Innovationsproblem, sondern eher einen Mangel an nachhaltiger Umsetzung qualitätsgesicherter Angebote.
Wir brauchen also einen kompletten Paradigmenwechsel?
Wenn wir die gesellschaftliche Wirkung in den Vordergrund stellen, zeigt sich, dass viele gute Lösungen schon entwickelt sind. Wir können sehr viel bewegen, wenn wir unsere Kräfte gemeinsam vor allem in die Verbreitung und langfristige Sicherung wirksamer Angebote stecken, neue Standards setzen und Systeme verändern.
Das Interview führte Uwe Amrhein.
Dieser Text steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht Kommerziell-Keine Bearbeitung 3.0 Unported Lizenz.