Welche Bedarfe gibt es für traumatisierte Wohnungs- und Obdachlose und welche Ideen…?
Session-Dokumentation – openTransfer CAMP wohnen
Session von: Helmut Schönewolf (Forum Waageplatz-Viertel)
In dieser Session diskutierten die Teilnehmenden anhand eines Göttinger Beispiels, wie man traumatisierte und besonders verletzliche wohnungs- und obdachlose Menschen besser unterstützen kann und welche Ideen oder Konzepte sich dafür in der Praxis bewährt haben.
Helmut Schönewolf vom Forum Waageplatz-Viertel stellte eingangs die Situation in Göttingen vor, wo eine Unterkunft der Heilsarmee bisher familiär geführt wurde. Die jüngsten personellen und konzeptionellen Veränderungen werfen für die Nachbarschaft die Frage auf, wie man den dort untergebrachten älteren oder traumatisierten Menschen ohne Wohnung, aber auch Personen mit psychischen Erkrankungen und/oder Suchtproblematiken, jetzt weiterhelfen kann. Die Session rückte somit das Thema in den Fokus, welche Wohn- und Betreuungsformen diese Zielgruppe benötigt und ob sich zivilgesellschaftliche Initiativen für neue Einrichtungen oder innovative Hilfsangebote stark machen können.
1. Bedürfnislagen und Herausforderungen
- Fehlender Platz in bestehenden Einrichtungen: Viele Betroffene passen nicht in die üblichen stationären Hilfesysteme (z.B. Wohnheime, Pflegeeinrichtungen). Insbesondere trauma- oder suchtspezifische Unterstützung fehlt oft.
- Schwieriger Wohnungsmarkt: Eine:r Teilnehmende:r berichtete von Menschen, die nach Therapien oder Klinikaufenthalten direkt in die Wohnungslosigkeit entlassen werden, weil bezahlbarer Wohnraum fehlt oder Wohnkonzepte für spezielle Bedarfe kaum vorhanden sind.
- Unsichtbarkeit der Betroffenen: Immer wieder betonten Teilnehmende, wie wichtig es sei, dass die Bedürfnisse dieser Menschen gehört werden – in Verwaltung, Politik und Gesellschaft. Oft wüssten Betroffene selbst am besten, was ihnen helfen würde, blieben aber ungehört.
2. Mögliche Lösungsansätze
- Eigene Projekte und Modellvorhaben: Einige Teilnehmende wiesen auf die Möglichkeit hin, als freier Träger oder Initiative ein spezielles Konzept (z.B. im Rahmen von § 67 SGB XII) zu entwickeln und vom Land oder der Kommune fördern zu lassen. Etwaige Modellprojekte könnten sich auf traumapädagogische Ansätze stützen oder ambulant vor stationär arbeiten.
- Nachbarschaftliche Unterstützung: Über Plattformen wie nebenan.de können Sach- und Wohnraumspenden koordiniert oder Patenschaften vermittelt werden. Auf lokaler Ebene könnten engagierte Bürger:innen Wohnungen kaufen oder vermieten, um sie gezielt an Bedürftige zu vergeben.
- Selbstermächtigung und Teilhabe: In einigen Städten gibt es erfolgreiche Initiativen von (ehemals) wohnungslosen Menschen selbst. Diese „Peer-Ansätze“ schaffen Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Auf der anderen Seite besteht jedoch das Risiko, dass sich private Initiativen schnell überlasten oder „ausbrennen“, wenn sie zu viele Aufgaben übernehmen.
3. Rolle von Verwaltung und Politik
- Sensibilisierung statt Verdrängung: Teilnehmende mit Verwaltungserfahrung berichteten, dass politischer Druck oft auf „Verdrängung“ obdachloser Menschen hinauslaufe, statt nachhaltige Lösungen zu ermöglichen. Es bräuchte ein kontinuierliches Einwirken auf Entscheidungsträger:innen, um die Menschlichkeit und Notlage sichtbarer zu machen.
- Finanzierung und Förderstrukturen: In Niedersachsen beispielsweise stehen über die 67er-Maßnahmen gewisse Mittel zur Verfügung, wobei die konkreten Förderbedingungen von Kommunen unterschiedlich gehandhabt werden. Eine erfolgreiche Umsetzung ist jedoch nur möglich, wenn sich engagierte Personen und Behörden auf tragfähige Konzepte einigen.
4. Praktische Inspirationen und Ausblick
- HotelPlus & Housing First: Als Beispiele genannt wurden unter anderem das „HotelPlus“-Konzept in akuten Notsituationen und Housing-First-Ansätze, bei denen Menschen ohne Vorbedingungen einen Mietvertrag erhalten und anschließend bedarfsgerechte Betreuung bekommen.
- Eigeninitiative vs. staatliche Verantwortung: Mehrere Stimmen warnten davor, soziale oder menschenrechtliche Fragen zu „privatisieren“. Zugleich betonten sie die Notwendigkeit, zunächst dort anzusetzen, wo engagierte Bürger:innen bereit sind, etwas zu bewegen.
- Appell an die Zivilgesellschaft: Die Diskussion mündete in der Frage, wie solidarische Projekte zu finanzieren und durchzuhalten sind, ohne die Organisierenden zu überfordern. Als gemeinsamer Nenner galt die Überzeugung, dass es viele Mitstreiter:innen braucht, um innovativen Wohnkonzepten zum Durchbruch zu verhelfen.
Fazit
Die Session machte deutlich, dass gerade traumatisierte oder mehrfach benachteiligte Menschen in der Wohnungslosenhilfe schnell durch die Raster des regulären Systems fallen. Gleichzeitig wurden konkrete Lösungswege beleuchtet: Von niedrigschwelligen Projekten in der Nachbarschaft über Modellvorhaben mit speziellem Fokus (z.B. Traumabewältigung) bis hin zu großen Konzepten wie Housing First. Entscheidend bleibt das Zusammenwirken zwischen Betroffenen, Zivilgesellschaft und Politik – damit die Bedarfe der Menschen wirklich im Mittelpunkt stehen.e Realität im Regelsatz berücksichtigt und der Mehrbedarf als regulärer Bestandteil der Leistungen anerkannt wird – idealerweise, bis Wohnungslosigkeit bis 2030 strukturell überwunden wird.