Sachsen im Dialog: der Versuch einer (Re-)Aktivierung der Streitkultur

Cornelia Reichel vom Kultur Aktiv e.V. und Sven Wernicke beim openTransfer CAMP #Zusammenhalt am 17.01.2020 in Halle (Saale)

Wie bringt man die Menschen in Sachsen wieder ins Gespräch – wie lassen sich die sog. Blasen verlassen? Der Verein Kultur Aktiv bekam Feedback auf zwei seiner Beteiligungsformate und jede Menge Vorschläge, welche Dialogformen anschlussfähig wären.

Im Herbst 2019 startete das Programm Sachsen im Dialog mit zwei Modulen. Das erste Modul bringt sogenannte Bürgerjournalist:innen aus verschiedenen sächsischen Städten in Workshops zusammen. Sie sollen Porträts von ihren Regionen erstellen und dabei mit Menschen vor Ort in Kontakt kommen, über große Themen wie die Klimakrise (in Verbindung zu ihrem Heimatort) berichten, aber eben auch streiten (lernen) und sich nebenher mit verschiedenen Medien und einer differenzierten Berichterstattung auseinandersetzen.

Eine Frau und ein Mann stehen in einem Raum voller Menschen.

Das zweite Modul, das im Februar 2020 beginnen wird, ist der demoSlam – Slam für junge Streitkultur in Sachsen. Das Format stammt ursprünglich aus Russland und soll nun erstmals im deutschen Kontext angewendet werden. Es funktioniert so: Junge Erwachsene mit konträren Meinungen werden gematcht und tauschen sich in einem moderierten Workshopformat drei Tage lang aus, um der Frage auf den Grund zu gehen: Wo kommt deine Meinung her? Ziel ist es, die andere Person verstehen zu lernen und als Menschen anzuerkennen. Den Abschluss bildet eine Tour mit drei Stationen, auf der das „Konflikt-Pärchen“ gemeinsam seine jeweiligen Standpunkte präsentiert.

Ein Problem, so die Sessiongeber:innen, sei es bisher, die eigentliche Zielgruppe zu erreichen. So habe man zwar alle Teilnehmenden für den ersten Durchgang beisammen, allerdings nur über die Ansprache von Universitäten und Parteien.

Wie erreicht die Dresdener Initiative ihre Zielgruppe im ländlichen Raum?

Hier die Vorschläge aus der Runde:

  • Das Format den „Netzwerken für Demokratie“ anbieten.
  • Mit der Landjugend kooperieren.
  • Zunächst niedrigschwellige Zugänge schaffen, um potenzielle Teilnehmende überhaupt erst sprechfähig zu machen (z.B. mit einer Generationenschreibwerkstatt).
  • Ein anderes niedrigschwelliges, offenes Format, das sich auch an einem Abend durchführen lässt, ist die Ideenwerkstatt.
  • Eine:n Multiplikator:in vor Ort suchen, der/die für die Idee brennt (das kann vom Pfarrer, über einen Verein bis zur Freiwilligen Feuerwehr reichen) und darüber in Kontakt kommen.
  • Über Probleme vor der Haustür hin zu den großen Themen ins Gespräch kommen, beispielsweise indem man zum Feuerwehrfest geht und dort mit Leuten das Gespräch sucht.
  • Das Wording anpassen – der Begriff demoSlam könnte einige Personen abschrecken.
  • Stadt-Land-Unterschiede kreativ bearbeiten, z.B. über Stadt-Land-Geschichten, die konträre Meinungen abbilden.
  • Den demoSlam in eine größere Veranstaltung einbetten; ein erfolgreiches Beispiel ist die „Tour de Börde“, bei der Interessierte mit dem Rad von Ort zu Ort fahren und verschiedene Vereine besuchen – in solch ein vielseitiges Programm könnte auch der demoSlam passen.

Dialog – Königsklasse oder Mindestanspruch in Sachen gesellschaftlicher Zusammenhalt?

Zur dieser Frage entspann sich eine rege Diskussion. Einige Teilnehmende waren der Ansicht, dass es im Vorfeld eines solchen Dialogformats Module geben müsse, um potenzielle Teilnehmende überhaupt erst sprechfähig zu machen. Ein anderer Kritikpunkt war die Frage, wie niedrigschwellig und transparent ein solches Dialogformat überhaupt sei – es gäbe ja auch einfachere Formate der Beteiligung, an denen zudem eine breitere Masse teilnehmen könne.
Andere in der Runde definierten Dialog nicht als Königsklasse, sondern als Mindestmaß und teilten die Erfahrung, dass die Leute in der Regel doch reden wollten und erreichbar seien – Offenheit sei hier der Schlüssel.

Fotos: CC BY-NC-SA 2.0 / Jörg Farys I openTransfer.de

Louise Buscham

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