Rucksackspende: Crowdfunding für einen medizinischen Rucksack

Icon__btn_Dokumentation_grossMartin Reh und Raphael Schönweitz vom Projekt Rucksackspende auf dem openTransfer CAMP am 8. November in Frankfurt

 

Martin Reh und Raphael Schönweitz stecken gerade mitten in der Crowdfunding-Kampagne für ihr Projekt Rucksackspende. Sie haben einen medizinischen Rucksack entwickelt, der keimfreies operieren in entlegenen Regionen der Welt ermöglichen soll. In ihrer Session diskutierten sie Erfolge und aktuelle Fragestellungen.

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In vielen Regionen der Welt haben die Menschen keinen Zugang zu Strom und sauberem Wasser. Das heißt für Operationen und andere medizinische Eingriffe, dass es keine Möglichkeit gibt, das Operationsbesteck zu sterilisieren. Bei Operationen werden daher häufig Krankheiten wie Tuberkulose oder HIV übertragen.

Philipp Odernheimer, Raphael Schönweitz und Martin Reh haben während ihres Ingenieur-Studiums angefangen, ein Gerät zu entwickeln, das OP-Besteck sterilisiert und gleichzeitig mobil einsetzbar ist: der „medizinische Rucksack“ – ein Gerät, das speziell den Bedürfnissen für keimfreies operieren in entlegenen Weltregionen angepasst ist. Durch eine eingebaute Solarzelle ist der Rucksack unabhängig von Strom und sauberem Wasser. Mit Hilfe der Sonne wird das OP-Besteck in der Rucksack-Apparatur keimfrei gemacht. Das Gerät ist einfach zu bedienen, funktioniert autark und ist für den langlebigen Einsatz robust konzipiert.

Als Einstieg in die Session zeigten die zwei der drei Macher von Rucksackspende ein kurzes Video, das die Funktionsweise ihres medizinischen Rucksacks erklärt (http://vimeo.com/107793058).

www.Rucksackspende.de from Benjamin Pfitzner on Vimeo.

Die Crowdfunding-Kampagne: Planung und Umsetzung

Mit ihrer Idee haben die ehemaligen Studenten an verschiedenen Start-up- und Ideen-Wettbewerben teilgenommen und dabei einige Preise gewonnen. So haben sie z. B. das EXIST-Gründerstipendium erhalten. Alle Preisgelder und eigene Ersparnisse haben sie in die Weiterentwicklung ihres Projekts gesteckt. Aktueller Stand ist, dass alle Einzelkomponenten des medizinischen Rucksacks entwickelt wurden. Um jetzt einen kompletten funktionsfähigen Prototyp herzustellen, sammeln die Projektmacher Spenden per Crowdfunding. Sie haben sich für diesen Weg entschieden, weil ihr Produkt großen Anklang in der Öffentlichkeit gefunden hat.

Martin und Raphael erläuterten in der Session Konzept und Umsetzung ihrer Crowdfunding-Kampagne und beantworteten Fragen. Als Plattform für die Kampagne haben sie Startnext, die größte Crowdfunding Community in Deutschland und Österreich, gewählt. Zuvor hatten sie sich sieben bis acht verschiedene Crowdfunding-Plattformen angeguckt. Ihre Analyse ergab, dass Startnext für Erfindungen und Technisches am besten geeignet ist. Außerdem wollten sie im ersten Schritt auf nationaler Ebene bleiben und die Kampagne erst in einem möglichen zweiten Schritt auf eine internationale Plattform stellen.

Die Kampagne ist für einen Zeitraum von 2 Monaten angelegt. Sie startete am 7. Oktober und endet am 3. Dezember 2014. Auch Zeitpunkt und Zeitraum wurden ganz bewusst gewählt: Die relativ kurze Zeitspanne ist gut für das Medieninteresse – über einen kurzen Zeitraum kann das Thema gehypet werden. Dies hatten die Projektstarter als entscheidend für den Erfolg der Kampagne angesehen. Wichtig für eine gute Medienresonanz ist es, hier die Vorlaufspannen zu beachten. Bei vielen Zeitungen, Zeitschriften oder Fernsehsendungen muss ein Thema mindestens zwei Monate im Voraus angekündigt werden. Der Zeitpunkt Oktober bis Dezember wurde ausgewählt, weil die Spendenbereitschaft im vierten Quartal des Jahres am höchsten ist.

Das Spendenziel der Kampagne ist auf 40.000 Euro angesetzt, die Fundingschwelle liegt bei 25.000 Euro. Wird diese Schwelle bis zum Ende der Kampagne nicht erreicht, bekommen die Unterstützer ihr Geld zurück. (Die Fundingschwelle wurde am 10. November, kurz nach dem openTransfer CAMP, erreicht! Glückwunsch!) Bei erfolgreicher Finanzierung wird das gespendete Geld folgendermaßen eingesetzt: 60% fließen direkt in den Prototypenbau, 20% sind Abgaben an das Finanzamt und Startnext und weitere 20% werden für die Dankeschöns inklusive Portokosten verwendet. Was der medizinische Rucksack am Ende konkret kosten wird, ist noch unklar. Dies wird sich erst durch die Entwicklung des Prototyps herausstellen.

Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor der Kampagne sind die Dankeschön-Geschenke, die die Unterstützer erhalten. Hier haben die Projektmacher von ihrem Partner Deuter hochwertige Rucksäcke zu einem günstigen Preis bekommen. Diese Geschenke haben einen direkten und einfachen Bezug zu dem unterstützten Produkt und sind für eine sehr breite Zielgruppe attraktiv. Für Unternehmen sind bei einer Großspende außerdem Sponsoringpakete möglich.

Die Vorarbeiten für die Kampagne liefen zwei bis drei Monate bei einem Arbeitsaufwand, der einer Vollzeitstelle entspricht. Sie beinhalteten die Produktion eines Videos, das zur Unterstützung auffordert; Pressearbeit, insbesondere das Anschreiben spezifischer Magazine; die Auswahl der Dankeschön-Geschenke; Planung und Konzeption der Laufzeit und des Ablaufs sowie Auswahl und Akquise der Kuratoren.

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Aktuelle Erfolge und Herausforderungen der Kampagne

In der ersten Hälfte des zweimonatigen Crowdfundings konnten bereits 283 Supporter gewonnen werden, die Fundingschwelle (und damit etwas mehr als die Hälfte des Fundingziels) wurde wenige Tage nach Ablauf des ersten Monats erreicht. Die Kampagne stieß auf ein reges Medieninteresse, viele Presseartikel erschienen in der ersten Zeit. Besonders Fachleute konnten als Unterstützer gewonnen werden, die über spezielle Gruppen und Plattformen in Social Media erreicht wurden, z. B. Mediziner- oder Studierendenzusammenhänge. Außerdem zeigte sich, dass viel Unterstützung durch Einzelpersonen kam.

In der Session tauchten einige weitere Fragen zu der Kampagne auf. So wurde gefragt, ob das Produkt nicht in Konkurrenz zu anderen Ansätzen oder Produkten von NGOs stünde. Das verneinten die „Rucksäcke“, wie sich die Projektmacher auch nennen. NGOs werden von ihnen als Kooperationspartner angesprochen, die besonders für die Verbreitung der Geräte vor Ort notwendig seien und werden nicht als Konkurrenz gesehen.

Wer der Kundenstamm des Produktes sei, wollte ein anderer Sessionteilnehmer wissen. Hierzu wurden zunächst engagierte Menschen aus Deutschland genannt; Fernziel sei aber, das Produkt direkt vor Ort in Entwicklungsregionen zu verkaufen.

Als Perspektive ihres Projektes nannten Martin und Raphael den Aufbau eines kleinen, nachhaltigen Unternehmens.

Mittendrin in der Crowdfunding-Kampagne stellen sich für Martin und Raphael einige Fragen, die sie in die Session hineingaben: „In welche Kanäle würdet ihr eine Crowdfunding-Aktion streuen? Was können wir machen, um in den nächsten Wochen Aufmerksamkeit zu erreichen? Welches Dankeschön würdet ihr noch haben wollen? Wie erhöht man die Bereitschaft, auf Startnext etwas zu spenden?“

Hierzu gab es viele Anregungen von den Sessionteilnehmern. Als weitere Kanäle und Verbreitungsmöglichkeiten wurden Ärzte- und Apothekerverbände, Fachschaftsgruppen an Universitäten und als wichtiger Partner „Ärzte ohne Grenzen“ genannt. Außerdem könnte auch die technische Fachseite angesprochen werden, z. B. Redaktionen von Fachmagazinen oder Unternehmen.

Für den weiteren Verlauf der Kampagne ist es wichtig, regelmäßig Rückmeldungen über den Entwicklungsstand des Rucksack-Prototypen zu geben. Als gute Verbreitungsmöglichkeit wurde Radio-Werbung genannt, bei der die Unterstützung des Crowdfundings als Weihnachtsgeschenk beworben werden könne. Desweiteren wurde angeregt, einen prominenten Schirmherren für die Kampagne zu gewinnen. Oder es könne eine unterstützende Kampagne über Thunderclap gestartet werden. Hierbei erklären Social-Media-Nutzer ihre Zustimmung zu einem Statement oder Aufruf und verbreiten dieses über ihre eigenen Profile (zur weiteren Erläuterung von Thunderclap siehe hier http://entermagazin.de/2014/04/sags-durch-die-crowd/).

Raphael und Martin formulierten als ein Problem der Kampagne, dass viele Unterstützer nicht über die Plattform spenden, sondern lieber per Überweisung Geld geben möchten. Daher stellten sie die Frage, wie die Bereitschaft erhöht werden könnte, direkt auf Startnext zu spenden. Hierzu gab es in der Session verschiedene Meinungen. Zum einen wurde angemerkt, dass es wichtig ist, allen Menschen den Spendenweg zu eröffnen, der ihnen am liebsten ist. Gerade bei der Zielgruppe des Projektes ist es ja gut möglich, dass gut situierte Ärzte größere Summen spenden möchten, denen aber eventuell die Form des Crowdfundings nicht vertraut sei. Als sehr einfache und gut überschaubare Spendenmöglichkeiten wurden die Aufrufe auf Wikipedia genannt. Andere Sessionteilnehmer waren der Meinung, dass direkt auf Startnext vertrauensbildende Maßnahmen nötig sind, damit die Menschen auch dort unterstützten. Zum Beispiel können Testimonials, also Kommentare von Menschen, die bereits gespendet haben, eingeblendet werden. Diese sollen demonstrieren, wie einfach und sicher das Spendenverfahren ist.

Eine weitere Herausforderung stellt sich „den Rucksäcken“ mit dem Versand der Geschenke, der nach Abschluss der Kampagne ansteht. Hier gibt es noch kein konkretes Konzept, wie der große Aufwand am besten zu stemmen ist. „Macht doch eine Party draus!“ wurde spontan in der Session eingeworfen – so wie es die Karma Chakhs bei ihrer Kampagne gemacht haben (https://www.opentransfer.de/3496/karma-chakhs/).

Als wichtigste Learnings aus ihrer Kampagne nannten Raphael und Martin das strategische Herangehen und das richtige Abschätzen der Vorlaufzeit. Man solle sich genug Zeit nehmen, um die Planung und Konzeptionierung gut zu durchdenken. Der Einsatz lohnt sich, das zeigen nicht nur die Spenden, sondern auch die vielen tollen Rückmeldungen.

Zur Webseite von Rucksackspende

Die Crowdfunding-Kampagne von Rucksackspende

Fotos: Andi Weiland / opentransfer.de

Lisa Fedler

Lisa Fedler ist Literaturwissenschaftlerin, Social Media Redakteurin und seit Schulzeiten ehrenamtlich aktiv. Sie unterstützt die Stiftung Bürgermut bei der Organisation der openTransfer CAMPs, beim Projekt Weltbeweger und dem Online-Magazin Enter. Journalistisches Schreiben, das Erstellen von kreativen Video-Clips und das Konzipieren von Social Media-Kampagnen machen ihr besonderen Spaß. Ihre Interessensgebiete reichen dabei von sozialem Engagement über frauenpolitische Themen bis zu kulturellen Events. Nachdem sie lange vorrangig offline in verschiedenen lokalen Initiativen engagiert war, ist sie nun von den Möglichkeiten fasziniert, die Social Media für Vernetzung und Austausch bietet und findet die Gedanken zum Thema Projekttransfer sehr spannend, die die verschiedenen Autorinnen und Autoren auf dieser Plattform und bei Aktionen wie der Blogparade äußern.

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