Plan W: Diversitysensible Kommunikation in Sprache und Bild
Session von Johannah Illgner, Plan W – Agentur für strategische Kommunikation, beim openTransfer CAMP #Digitalisierung am 20. April 2018 in Stuttgart
Bei der Kommunikation im Netz – aber auch darüber hinaus – fühlen sich nicht immer alle Menschen angesprochen und repräsentiert. Damit sich das ändert, hat Johannah Illgner praktische Tipps und Beispiele aus ihrem Alltag in einer Kommunikationsagentur vorgestellt.
In ihrer Präsentation ging Johannah Illgner zunächst auf verschiedene Aspekte von Diversität ein. So arbeite die Werbung allgemein gerne mit stereotypen Frauen- und Männerbildern im Grenzbereich zwischen „noch ok“ und eindeutigem Sexismus. Es gebe Produkte, die explizit für Frauen und Männer getrennt beworben würden (Gendermarketing), im Kern aber ähnlich oder sogar gleich seien. Die stärksten Auswüchse davon fänden sich in der Spielzeugabteilung, aber auch die Lebensmittelindustrie entwickle hier angepasste Produkte. Im April 2018 wurde zuletzt der goldene Zaunpfahl als „Preis“ für die schlimmsten Gendermarketing-Kampagnen vergeben und leiste damit einen Beitrag zur Aufklärung leisten. Genderpricing bezeichnet die Steigerungsform: wenn z. B. rosafarbene Rasierapparate mehr kosten als ihr blaues Pendant für Männer.
Johannah Illgner beschrieb, dass es stets um duale Zuschreibungen (männlich/weiblich) ginge. Menschen, die sich nicht in diesen binären Kategorien wiederfinden, würden nicht mitgedacht. Im Fall von sexistischer Werbung, die oft auf Kosten von Frauen gehen würde, solle sich ein Unternehmen fragen, ob solche Produkte und die Werbung dem Bild der Frau entsprechen, das sie selbst präsentieren wollen.
Es lebe das Klischee
Neben Aspekten des Gendermarketings ging Johanna Illgner aber auch auf andere Formen der Diskriminierung in Sprache und Bild ein. So werden in den meist heteronormativ geprägten Medien oft ganz bestimmte Personen gezeigt: ein klassisches Familienbild (Vater, Mutter, Tochter und Sohn), mit heller Hautfarbe und normierten Körperbildern. Johannah Illgner fasste zusammen: „Die Menschen sind jung, schlank und fröhlich“. Was fehle, seien Menschen mit Behinderung(en), Patchwork- und Regenbogenfamilien, gleichgeschlechtliche Paare, verschiedene Generationen, Alleinerziehende und nicht-weiße Menschen. Damit zielten viele Kampagnen an der tatsächlichen Lebensrealität der Menschen vorbei.
Diese festgefahrenen und stereotypen Geschlechterrollen reproduzierten sich damit in der Sprache und in Denkmustern. Auch der gendergerechte Sprachgebrauch wurde in der Session diskutiert. Die Teilnehmenden teilten ihre unterschiedlichen Strategien. Johanna Illgner fügt hinzu, dass Studien belegen würden, dass die weibliche Form eben nicht mitgedacht würde, wenn nur Männer beschrieben werden. Das Bild in unseren Köpfen sei ein anderes, wenn wir immer von den Ärzten und den Krankenschwestern sprechen (vs. Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenpflegenden oder Krankenpfleger*innen). Wenn diese sprachlichen Formulierungen dann Auswirkungen auf den Berufswunsch von jungen Mädchen (Krankenschwester, nicht Ärztin) haben, fordert Johannah Illgner ein Umdenken in der Gesellschaft, denn: „Es macht sehr wohl was aus, wie wir sprechen und denken“.
Als konkrete Tipps für die Praxis beschreibt sie vier Dimensionen, die stets beachtet werden sollten:
1) Bilder: Was/wer ist wie abgebildet?
2) Sprache: Wie wird gesprochen und werden alle miteinbezogen (diversitysensible Sprache), aber auch: Wer wird angesprochen und genannt oder eben gerade nicht?
3) Zugang: Wie steht es um die Barrierefreiheit, Publikationen in leichter Sprache, eine barrierefreie Webseite oder auch Druckerzeugnisse? Sind diese von möglichst vielen Menschen – auch mit Einschränkungen lesbar?
4) Themen: Wie wurden die Themen ausgewählt und welche Perspektive wurde dabei gewählt? Gibt es Aspekte des Framing oder Targeting einer bestimmten Zielgruppe?
Ein Input aus dem Agenturalltag dazu zeigte, dass die Umsetzung nicht immer einfach ist. So berichtete eine Teilnehmerin, dass sie ihre Kundinnen und Kunden weiterhin dafür sensibilisieren müsse und es keine Selbstverständlichkeit sei. Ein Teilnehmer ergänzte, dass die Landeszentrale für politische Bildung genaue Vorgaben habe, was gendersensible Sprache angeht. Im mündlichen Sprachgebrauch sei es aber immer noch schwierig, allen gerecht zu werden. Ein Beispiel aus dem Öffentlichen Dienst zeigt, dass hier oft die Presseabteilung gegen die Vorgaben der Gleichstellungsbeauftragten agiere und dann um Formulierungen gestritten werde. Johannah Illgners Fazit ist aber eindeutig: Wir müssen uns alle mit dem Thema auseinandersetzen, und mit etwas Übung können wir einiges erreichen und auch selber kreativ werden.
Foto: © Henning Schacht