Mehrbedarfe auf der Straße

Session-Dokumentation – openTransfer CAMP wohnen

Session von: Lutz Schmidt (Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V.)

Diese Session stellte heraus, dass wohnungslose Menschen häufig höhere Lebenshaltungskosten tragen müssen als Menschen mit Wohnung, weshalb ein Mehrbedarf beantragt werden sollte – ein Anliegen, das die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. durch Lobbyarbeit und konkrete Einzelfälle vorantreiben will.

Lutz Schmidt präsentierte in dieser Session die Problematik, dass im Regelsatz (Bürgergeld) Kosten für die Lebensführung meist nur für Personen mit Wohnung berechnet werden. Auf der Straße entstehen jedoch zusätzliche Ausgaben, etwa für das Einschließen von Wertsachen, die Nutzung öffentlicher Duschen und Toiletten, das Waschen von Kleidung oder das Einkaufen in kleinen Mengen (wegen fehlender Lagerkapazitäten).

Zentrale Punkte

  1. Höhere Lebenshaltungskosten ohne Wohnung
    • Die Regelbedarfsberechnung zieht wohnungsnahe Ausgaben ab, obwohl diese für Menschen auf der Straße oft höher sind (z.B. für Hygiene und Lagerung).
    • Ein konkretes Beispiel sind höhere Lebensmittelpreise, wenn in Kleinstmengen eingekauft werden muss, um Verderb zu vermeiden.
  2. Mehrbedarf beantragen
    • Laut Berechnungen der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. sollte ein Mehrbedarf von mindestens 68% des Bürgergeld-Regelsatzes anerkannt werden.
    • Viele Sozialbehörden lehnen diese Anträge ab, doch jede Stellung eines Antrags ist wichtig, um den Druck auf politischer Ebene zu erhöhen.
  3. Kommunale Spielräume und Stolperfallen
    • Wohnungslosigkeit ist in vielen Verwaltungsstrukturen nicht klar vorgesehen („Das Gesetz sieht Obdachlosigkeit nicht vor“).
    • Auf kommunaler Ebene befürchten manche Verwaltungen eine „Anziehungskraft“ für Obdachlose, wenn sie mehr Leistungen zahlen.
    • Es gibt zusätzlich Herausforderungen bei Krankenkassenbeiträgen bzw. Schulden, die teils schwierig einzufordern oder zu regulieren sind.
  4. Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V.
    • Der Verein bietet jährliche Sommertagungen an, bei denen Arbeitsgruppen langfristige Themen und Positionspapiere erarbeiten.
    • In Köln läuft derzeit ein Pilotprojekt, bei dem ein pauschaler Mehrbedarf von 20% erprobt wird, um einen Präzedenzfall zu schaffen.

Fazit
Die Session machte deutlich, dass Wohnungslosigkeit nicht nur bedeutet, keine eigene Wohnung zu haben, sondern auch finanziell benachteiligt zu sein: Obdachlose müssen höhere Ausgaben für Alltagsbedürfnisse stemmen, obwohl das Hilfesystem sie wie Wohnungsinhaber:innen berechnet. Die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. setzt sich dafür ein, dass diese Realität im Regelsatz berücksichtigt und der Mehrbedarf als regulärer Bestandteil der Leistungen anerkannt wird – idealerweise, bis Wohnungslosigkeit bis 2030 strukturell überwunden wird.

Daniel Männlein

Daniel Männlein ist Programmmanager im Programm openTransfer Patenschaften und gestaltet bundesweit Angebote für Patenschafts-, Mentoring- und Tandemprojekte. Er hat Sozialwissenschaften in Augsburg, Spanien und Berlin mit Schwerpunkt auf Stadt- und Migrationsforschung studiert. Vor seiner Tätigkeit bei der Stiftung Bürgermut sammelte er wertvolle Erfahrungen in der Projektförderung bei der Robert Bosch Stiftung, in der Projektarbeit bei zivilgesellschaftlichen Trägern und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

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