Geschichten erzählen, die verbinden – Öffentlichkeitsarbeit in Pat:innenschafts- und Mentoringorganisationen

Blogbeitrag von Miriam Lowack

Um gesellschaftliche Veränderung zu bewirken, ist Öffentlichkeit entscheidend. Gemeinnützige Organisationen brauchen Unterstützer:innen, die an ihre Visionen glauben und ins Handeln kommen. Eine Kommunikationsstrategie ist die wichtigste Grundlage, um den häufig knappen Ressourcen entsprechend, Maßnahmen zu planen und umzusetzen. Die Kernbotschaft jeder öffentlichen Kommunikation liegt dabei in der angestrebten Veränderung. Die Wirkungsbereiche von Begegnungen sind vielfältig, sie stärken die Menschen individuell und fördern den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Geschichten davon zu erzählen, hat besondere Wirkungsmacht. Geschichten können berühren, zum Handeln motivieren und verbinden. Und darüber hinaus: Eine gleichberechtigte Gesellschaft wird durch vielfältig erzählte Geschichten geprägt.

Warum Öffentlichkeitsarbeit?

Öffentlichkeitsarbeit ist für gemeinnützige Organisationen von essentieller Bedeutung. Sie dient nicht nur dazu, die eigenen Angebote bekannt zu machen und Mitwirkende zu gewinnen, sondern auch, ein Bewusstsein für die drängenden sozialen Themen zu schaffen und die öffentliche Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Dabei bietet die Aushandlung von gesellschaftlichen Themen wie etwa Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Teilhabe, Vielfalt und Solidarität, im Rahmen einer öffentlichen Kommunikation die Möglichkeit, Diskussionen anzuregen, Menschen zu sensibilisieren und damit den eigenen Wirkungsbereich zu stärken. 

Die Planung und Umsetzung von Kommunikationsmaßnahmen stellen dabei allerdings viele Organisationen vor Herausforderungen. Ressourcen sind beschränkt, viele Projekte basieren auf ehrenamtlichem Engagement und die Vermittlung komplexer sozialer Herausforderungen in Verbindung mit dem angebotenen Lösungsansatz ist anspruchsvoll.

Ein Fahrplan: Die Kommunikationsstrategie

Die Festlegung der drängendsten Ziele der Öffentlichkeitsarbeit und die entsprechende Entwicklung eines strategischen Fahrplans ist Voraussetzung dafür, die Kommunikation ressourcenorientiert zu planen und umzusetzen. Für eine erfolgreiche Kommunikationsstrategie braucht es eine klare Definition der eigenen Wirkungsziele sowie die präzise Auswahl der Zielgruppe(n). Daran anknüpfend können Kommunikationsmaßnahmen, -kanäle und -inhalte gewählt werden. Es ist hilfreich, sich genau zu überlegen, mit welchen Themen und Erzählungen und mit welcher Ansprache über welche Kanäle die jeweilige Zielgruppe besonders gut erreicht werden kann. So ist es möglich, eine Struktur zu schaffen und Kommunikationsmaßnahmen zu gestalten, die zu den Ressourcen und Zielen der Organisation passen. Kontinuität der Kommunikation ist wichtig, die Taktung aber kann an die vorhandenen Kapazitäten angepasst werden.

Die Vision ist entscheidend

Allen Kommunikationsmaßnahmen liegt die Vision zugrunde, die eine Organisation vermitteln möchte. So betont beispielsweise der Unternehmensberater Simon Sinek in seinem Kommunikationsmodell „Goldener Zirkel“ die Bedeutung des „Warum“ in der Kommunikation. Das „Warum“ steht für die Vision einer Organisation. Es geht um das grundlegende Problem, das eine Organisation adressiert, und verdeutlicht die Relevanz des Lösungsansatzes. Sinek argumentiert, dass die Kommunikation mit dem „Warum“ beginnen sollte, da dies eine tiefere emotionale Bindung schafft, bevor man zu „Wie“ und „Was“ übergeht. Das „Was“ repräsentiert die Angebote einer Organisation, während das „Wie“ die Art und Weise beschreibt, wie diese umgesetzt werden.

Storytelling – Geschichten, die berühren, motivieren und verbinden

Mehr als Zahlen, Daten und Fakten sind es die Geschichten rund um eine Vision, die in der öffentlichen Kommunikation Wirksamkeit zeigen. Sei es die Geschichte der Organisation oder auch die persönlichen Geschichten der Menschen, die an den Pat:innenschafts- oder Mentoringangeboten teilnehmen.

Das Erzählen von Geschichten wird auch als Storytelling bezeichnet und meint eine Kommunikationsmethode, die komplexe Informationen und Wissen emotional zugänglich vermittelt. Dabei geht es nicht nur darum, die Lesenden/Zuhörenden zu unterhalten, sondern sie von der eigenen Arbeit zu überzeugen und zum Mitmachen oder Handeln zu motivieren. Die zentrale Wirkkraft von Geschichten liegt dabei in den Emotionen. Emotionen wecken nicht nur Aufmerksamkeit, sondern sie ermöglichen uns eine Identifikation mit den Charakteren und der Handlung des Geschehens. So werden Fakten mit eigenen Erfahrungen verknüpft. Geschichten lassen uns mitfühlen, uns in andere hineinversetzen und ermöglichen somit eine empathische Verbindung – was Motivation und Handeln beeinflusst.

Und außerdem: Geschichten werden weitererzählt!

Der Wandel als Herzstück jeder Geschichte

Bekannte und einprägsame Erzählstrukturen ermöglichen genau das:

Alle Geschichten bestehen im Wesentlichen aus wiederkehrenden Elementen, die uns sowohl in Märchen als auch in Filmen begegnen. Sie folgen einem dramaturgischen Bogen, der einen Wandel beschreibt. Die klassische Held:innenreise ist ein Beispiel  dafür: Sie beschreibt den Weg eine:r / eine:s Held:in aus der gewohnten Welt heraus über Abenteuer und Prüfungen bis zur Rückkehr mit neugewonnenem Wissen oder einer Transformation. Entscheidend ist dabei der Aufbau von Anfang, Ende und Wirkung, eine kohärente Handlungsentwicklung und die Entfaltung der Charaktere sowie die Emotionalität.

Ohne Veränderung gibt es keine Geschichte! – ist eine der grundlegendsten Regeln des Storytellings. Wirksame Geschichten verdeutlichen die Notwendigkeit – das „Warum“ – und das Veränderungspotenzial des angebotenen Lösungsweges. Sie vermitteln Ursachen und Wirkungen und zeigen die Möglichkeit von Wirksamkeit auf. 

Geschichten von Begegnungen in Pat:innenschafts- und Mentoringprojekten

In den mehr als 220.000 Pat:innenschaften, die seit Beginn des Bundesprogrammes „Menschen stärken Menschen“ 2016 gestiftet wurden, sind sich viele Menschen begegnet, deren Wege sich ohne die Programme der Träger:innen nicht gekreuzt hätten.
Jede dieser Begegnungen erzählt eine Geschichte. Vom Austausch und Teilen von Perspektiven und Lebensgeschichten, Erfahrungen, Erinnerungen, Fähigkeiten. Vom gemeinsamen Lernen, den Herausforderungen, denen gemeinsam begegnet wird. Von Unternehmungen, Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Von Freund:innenschaften, Freund:innenkreisen und gemeinsamen Engagement.

Verbindendes Element all dieser Geschichten: Für die teilnehmenden Personen hat sich durch die Begegnung etwas verändert.

Erzählen ist politisch

Geschichten teilen nicht nur Wissen, sie erzählen auch von Werten und Handlungsmustern, von Problemlösungen, bestätigen diese oder eröffnen neue Perspektiven und Visionen. Sie bestimmen, wie wir die Welt und die Menschen, von denen erzählt wird, wahrnehmen. Damit haben sie großen Einfluss darauf, wer in der Gesellschaft Gehör findet und welche Machtverhältnisse dadurch bestätigt werden: Wer in der Gesellschaft von wem wie dargestellt wird, oder wer für sich selbst sprechen kann. In ihrem Ted Talk „The danger of a single story” macht die Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie deutlich, wie Stereotype und Vorurteile gegenüber Menschen marginalisierter Gruppen durch einseitig erzählte Geschichten stetig wiederholt werden. Um gängige, ausschließende und diskriminierende Narrative zu überwinden, braucht es selbstbestimmte intersektionale Erzählungen – aus verschiedenen Lebensrealitäten. 

Rassistische und diskriminierende Narrative zu unterbrechen bedeutet, dem entgegenzuwirken, was wir gelernt haben. Es bedeutet, in uns selbst zu erkennen, welche Erzählungen und Vorstellungsbilder wir in uns tragen und mit in unsere Begegnungen nehmen. Das braucht Raum und Zeit für Aushandlungen – wie es die Autor:in und Trainer:in für intersektionale rassismuskritische Bildungsarbeit Josephine Apraku in Bezug auf Pat:innenschaften formuliert. Es gilt, stetig zu hinterfragen: Wer spricht und wer hört zu? Wessen Wissen zählt, wer gilt als Lehrende:r und wer als Lernende:r?*

Für Zusammenhalt und ein gleichberechtigtes Miteinander ist auch die Sprache, die wir verwenden, entscheidend. Eine inklusive, sensible und empathische Wortwahl hilft dabei, niemanden auszuschließen oder zu verletzen. Orientierung geben hier beispielsweise das Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher:innen, mit Formulierungshilfen, Erläuterungen und alternativen Begriffen für die Berichterstattung in der Einwanderungsgesellschaft oder das bald erscheinende Online-Glossar der Initiative ‘Haltung zeigen – Vielfalt stärken’, das sich Begriffe rund um Pat:innenschaften genauer anschaut. 

Gemeinsames Lernen durch Begegnungen und ihre Geschichten

Pat:innenschaften und Mentoring ermöglichen gemeinsame Lernprozesse. In Begegnungen und Austausch liegt die Chance, uns als ganze Menschen wahrzunehmen, mit all unseren Unterschieden und Gemeinsamkeiten. Damit werden Begegnungen zu Orten, an denen ver- und gelernt wird, zu Orten der Veränderungen. Ebenso sind es die Geschichten über diese Begegnungen: Sie zu erzählen hilft nicht nur dabei, andere Menschen zu motivieren, Teil davon zu werden, sondern ermöglicht es auch, gesellschaftliche Narrative zu verändern. Für ein gerechtes Miteinander und um den Menschen in ihrer Vielfältigkeit gerecht zu werden.

*Bezugnehmend auf die Keynote von Josephine Apraku über die Kraft von Narrativen beim 8. BBE-Fachkongress im Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ zum Thema »Zukunft inklusiv(e): Mit Pat*innenschaften auf dem Weg in eine vielfältige Gesellschaft.« am 7.11.2023.
In Jospehine Aprakus Buch „Mein Workbook zu Rassismus“ finden sich Hintergrundwissen und Übungen für die persönliche Reflexion.

Fotocredit: Andi Weiland | Stiftung Bürgermut

Stefanie Reiter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert