Workshop: Resilienz stärken! Wie Koordinator:innen mental gesund bleiben

Die Arbeit von Projektkoordinator:innen ist eine sehr vielfältige, bereichernde, sinnstiftende aber auch anspruchsvolle Tätigkeit. Koordinator:innen stehen oft unter einem hohen Druck, eine bestimmte Anzahl von Patenschaften abzuschließen. Zudem ist es nicht immer leicht, sich von der Beziehungsarbeit mit Mentor:innen und Mentees abzugrenzen und auch Konfliktmanagement ist Teil der Arbeit. Hinzu kommen prekäre Arbeitsverhältnisse und der Druck, immer wieder neue Förderanträge stellen zu müssen, damit das Projekt weiterläuft und der eigene Arbeitsplatz gesichert ist. 

An diesem analogen Workshop-Tag in Köln ging es um Mentale Gesundheit auf individueller Ebene: Wie können sich Projektkoordinator:innen stärken, achtsam mit sich selbst bei der Arbeit umgehen und mental gesund bleiben?

Dokumentation

Impuls: Mentale Gesundheit: Wie kann Prävention gelingen?

Mental gesund zu sein ist mehr als die Abwesenheit von Krankheiten oder Störungen. Um die Komplexität zu verstehen, gute Entscheidungen auch unter Unsicherheit treffen zu können und Beziehungen konstruktiv zu gestalten, ist es hilfreich unsere automatischen Reaktionen zu verstehen und zu lernen wie es besser – und nachhaltig gesünder – gehen kann. Corinna Cremer von skyminds e.V. hat daher in ihrem Impuls gezeigt, wie das Gehirn unter Druck, Stress und Angst reagiert.

Ihren Impuls begann Corinna mit der Aussage „Das Gehirn steuert alles im Körper. Viele kennen sich aber besser mit ihrer Waschmaschine aus als mit ihrem Gehirn.“ Dies verdeutlicht, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Gehirn und Mentaler Gesundheit ist.

Zunächst gab Corinna einen Einblick in die Funktionsweise des Gehirns. Das Gehirn selbst spürt keine Schmerzen, sondern äußert sich über Gefühle, wie z.B. Angst, Wut oder Lust. Gefühle sind also Daten und Botschaften des Gehirns. Wenn Gefühle ignoriert werden, kommen die Gedanken stattdessen oft abends und stören den Schlaf. Wenn Gefühle und Emotionen dominant sind oder ignoriert werden, ist das Gehirn nicht voll leistungsfähig. Menschen, die im alltäglichen Zustand schon am Limit sind, haben keinen Spielraum mehr, um mit psychisch belastenden Situationen umzugehen.

Um zu verstehen was Mentale Gesundheit bedeutet, griff Corinna auf die Definition der WHO zurück: “Psychische Gesundheit ist ein Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann.”

Konkrete Tipps zum Umgang mit Stress:

Um in stressigen Situation handlungsfähig zu sein, ist es wichtig direkt in der Situation in der Lage zu sein, sich zu regulieren und das Gehirn herunterzufahren (auf „Reset“ zu drücken). Wochenende und Urlaub sind wichtig zur Erholung, aber nicht ausreichend, um das Gehirn langfristig gesund zu halten.

Tipp: Kleine „Reset“-Zonen im Alltag einrichten z.B. vor der Kaffeemaschine oder an der Türklinke und diese am besten schon am Morgen nutzen, weil das Einfluss auf den ganzen Tag hat.

Mental Health Monitoring – Resilienz und psychologische Erste Hilfe

ABCD Übung:

A Attention & Achtsamkeit: Wahrnehmung der aktuellen Situation ohne Bewertung

B Breathe/Atem: 3x mit Fokus ausatmen 

C Centering: Bodenkontakt und/oder Aktivierung der Sinne – Füße auf den Boden stellen: Im Gehirn wird das Angstzentrum durch den Bodenkontakt heruntergefahren

D Direction: Was ist jetzt dran?

→ Übung am besten 30x am Tag machen, damit das Gehirn in stressigen Situationen trainiert ist. Denn Resilienz ist eine Fähigkeit, die nur durch tägliche Übung aufgebaut werden kann.

Mentale Gesundheit – 3 Bausteine:

  • Resilienz ist kontinuierliche Übung mit lang- bis mittelfristigen Auswirkungen 
  • Psychologische Erste Hilfe (Trainingskoffer mit Übungen von skyminds)
  • Psychologische Sicherheit: Dafür sind psychologisch sichere Strukturen notwendig, in denen die Teammitglieder auf ihre eigene Resilienz achten und diese üben

Referentin:

Corinna Cremer berät seit über 20 Jahren Teams in Unternehmen und Organisationen beim Umgang mit Herausforderungen, den selbstgewählten wie den weniger selbstgewählten (aka Krise).

Die NGO skyminds setzt sich ein für die Demokratisierung mentaler Gesundheit und unterstützt Organisationen mit sozialen und ökologischen Zielen.

Workshop: Resilienz – für mehr Widerstandskraft in eurem Arbeitsalltag

Im folgenden zweistündigen Workshop mit Martina Kohrn wurde es praktisch. Neben einer persönlichen Bestandsaufnahme, lernten die Projektkoordinator:innen Übungen kennen, wie sie ihre Resilienz stärken können. Praktische Übungen erweitern die Handlungsfähigkeit, um die eigene Arbeits- und Lebenswelt positiver zu gestalten. Auf diese Weise können Situationen im Arbeitsalltag mit hohem Druck und Anforderungen leichter gemeistert werden.

Zunächst wurde im Workshop gesammelt, was zu Belastungen im Arbeitsalltag von Projektkoordinator:innen führt:

  • zu wenig Zeit
  • zu viele Termine 
  • Druck von außen
  • Druck von innen
  • zu viel Verantwortung

Welchen Effekt hat das auf die eigene Widerstandsfähigkeit?

  • gereizt sein
  • schlechte Laune
  • projizieren auf andere
  • viel krank sein
  • müde sein
  • Geräuschempfindlichkeit nimmt zu
  • aber auch effizientes Arbeiten
  • Gedankenkarussell → Sorgen, grübeln

Anzeichen dafür, dass man sich gestresst fühlt:

  • sich emotional “überfahren” fühlen
  • krank werden, wenn der Stress nachlässt
  • negativer Stress: woanders mit den Gedanken sein
  • genervt sein von anderen
  • sich öfter versprechen
  • sich überfordert fühlen 
  • nicht runterkommen
  • schlecht schlafen
  • manchmal auch sehr effizientes arbeiten

→ mentale, emotionale und körperliche Auswirkungen

Was sind Dinge, die ich tue, damit es mir gut geht?

Was hilft außer Atemübungen, um sich zu fokussieren und sich zu konzentrieren?

  • Konzentrationsübung mit einer App machen
  • Wasser in kleinen Schlucken trinken
  • Spazieren gehen/ kurz rausgehen
  • mit den rechten Hand das linke Ohr massieren und anders herum
  • Hände in kaltes Wasser halten
  • Rosenwasserspray ins Gesicht
  • PEP / EFT: bestimmte Punkte am Körper klopfen/drücken
  • Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger mit dem Daumen der anderen Hand drücken

Weitere Tipps und Methoden:

Um den Moment des fight, flight, freeze gut nutzen zu können, sich in einen anderen Modus zu bringen und den “Reset”-Knopf zu drücken kann die Methode „ALI“ helfen.

Das Akronym ALI steht für:

  • Atmen
  • Lächeln → lächeln hat immer Auswirkungen auf die eigene Stimmung
  • Innehalten

Power Posing

Du möchtest dich stark fühlen? Das Einnehmen einer bestimmten Körperhaltung kann dem Gehirn helfen, in einen bestimmten Zustand zu gelangen. Beim sogenannten „Power Posing“ stellst du dich gerade hin und hebst die Arme mit geballte Fäusten in die Luft.

Andere Möglichkeiten:

  • zum Relaxen: Beine auf den Schreibtisch legen und nach hinten lehnen, Hände hinter den Kopf nehmen
  • Um in eine bestimmte Stimmung zu kommen: sich in Stimmung tanzen!

Love it, Change it, Leave it

Um auch in schwierigen Lebenssituationen in der Gestalter:innenrolle zu bleiben, ist es wichtig selbstwirksame Entscheidungen zu treffen. Hilfreich ist dafür sich zu überlegen, ob die Situation so akzeptiert werden kann, ob sie geändert werden kann oder aber, ob es sich nicht lohnt weiter zu kämpfen, man aufgibt und sich neu orientiert.

Love it: Was brauche ich, um diese Situation zu akzeptieren?

Change it: Was kann ich tun? Welchen Einfluss kann ich nehmen?

Leave it: Was kann ich anders machen? Welche anderen Optionen gibt es noch?

Zum Ende des Workshops gab Martina den Teilnehmenden noch eine Reflexionsübung mit, die jeden Tag umgesetzt werden kann:

  1. Daumen: Habe ich heute meine oberste Priorität umgesetzt?
  2. Zeigefinger: Habe ich heute Entscheidungen getroffen, die mich meinen Zielen näher bringen?
  3. Mittelfinger: Was war heute besonders schön? Auf was bin ich stolz?
  4. Ringfinger: Habe ich heute eine bewusste Pause eingelegt?
  5. Kleiner Finger: Was ist meine körperliche/ psychische Verfassung? Was könnte ich jetzt für mich tun?

Hier findet ihr die Präsentation von Martina.

Referentin:

Martina Kohrn bietet Lösungen bei Konflikten und Stress für soziale und pädagogische Berufe an.

Nach vielen Jahren in der Kinder- und Jugendhilfe (stationär und ambulant), stärkt sie seit einigen Jahren Teams und Mitarbeitende für Ihren Arbeitsalltag in Resilienz, Stress und unterstützt bei Lösungen in Konflikten. Martina bietet Seminare an, eine Ausbildung zur Konflikttrainer*in und unterstützt Frauen, die sich selbstständig machen wollen bei ihren ersten Schritten.

Eckdaten zum Workshop-Tag:

Zeit: 16. November 2022, 10.00 – 17.00 Uhr

Ort: analog in Köln (Sozialdienst muslimischer Frauen e.V., Luxemburger Str. 181, 50939 Köln)


Dieses Angebot hat im Rahmen des Programms openTransfer Patenschaften stattgefunden. openTransfer Patenschaften fördert die Vernetzung, die Verbreitung und den Wissenstransfer von Patenschafts-, Tandem-, und Mentoring-Initiativen bundesweit. Alle Angebote des Programms sind kostenfrei.

Logo des Projektes openTransfer Patenschaften

openTransfer Patenschaften ist ein Programm der Stiftung Bürgermut mit Unterstützung durch das Bundesprogramm “Menschen stärken Menschen” des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Christine Langer

Christine Langer ist bei der Stiftung Bürgermut als Projektkoordinatorin bei openTransfer #Patenschaften tätig. Sie studierte Internationale Entwicklung und Koreanologie in Wien und Seoul (Südkorea) sowie Gender Studies in Berlin (MA Gender Studies). Während ihrem Studium begann sie beim Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) zu arbeiten wo sie nach ihrem Abschluss das Mentor:innen Programm für queere Geflüchtete leitete. Privat engagiert sie sich im Bereich (Queer-)Feminismus und Fußball.