Ehrenamt – für manche nur ein kurzfristiger Spaß?

Till Gassmann, Rock your Life! Halle e.V., beim openTransfer CAMP #Patenschaften am 4. November 2017 in Leipzig

Till Gassmann stellte seinen jungen Verein vor, der Teil der Mentoringinitiative Rock Your Life! ist. Von den angestrebten 15 Patenschaften zwischen Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden pro Jahr enden nicht wenige vorzeitig. In der Session wurden mögliche Gründe und Lösungsstrategien gesammelt.

Als Erstes beschrieb Till Gassmann das ehrenamtlich getragene Projekt, das Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen bei der Berufsorientierung unterstützt. Dazu werden nach einer professionell begleiteten Vorbereitungsphase die Stärken der Schülerinnen und Schüler herausgearbeitet. Im Anschluss bilden diese mit freiwillig engagierten Studierenden individuelle Patenschaften. Besonders unter den Studierenden ist stets ein Schwund zu verzeichnen, sodass Patenschaften nicht immer für die anvisierte Dauer von mindestens einem Jahr bestehen bleiben.

Ein junger Mann sitzt auf einem Stuhl und hält ein Mikro, im Vordergrund sind weitere Personen.

Wie halten wir die Engagierten?
Um die Hierarchie zwischen Organisationsteam, Schülerinnen/Schülern sowie Mentorinnen/Mentoren möglichst gering zu halten, legt das Projekt viel Wert auf einen freundschaftlichen Umgang und Kommunikation auf Augenhöhe. Gute Erfahrungen machte die Initiative mit einem Kennenlerntreffen außerhalb des Vereins in einer Kleinstadt bei Halle, wo in einer zwanglosen Umgebung gespielt, gekocht und gelacht wurde. Auch gemeinsame Aktivitäten wie Clubbesuche und Kneipenabende bereichern das Vereinsleben. Die Kommunikation funktioniert aufgrund der jungen Zielgruppe besser per Whatsapp als über die klassische E-Mail. Till Gassmann gab an, dass sich die Schülerinnen und Schüler auch über Briefe freuen würden, da sie sonst kaum Post bekommen. Für die Studierenden sind die Zertifikate und ASQ-Punkte, die im Rahmen des Studiums anrechenbar sind, ein Anreiz. Dennoch binden sich viele Studierende nicht langfristig und Till Gassmann wollte wissen: „Machen wir etwas falsch?“

Tipps für ein nachhaltiges Freiwilligenmanagement
Ein Teilnehmer gab zu bedenken, dass es ganz unterschiedliche persönliche Gründe geben kann, warum ein Engagement abgebrochen wird (Prüfungen, Fernbeziehung, Krankheit, …). Außerdem bekommen die meisten Engagierten wenig Anerkennung für ihre Tätigkeit. Erfahrungen der anderen Sessionteilnehmenden zeigten, dass es entscheidend ist, ob die Chemie zwischen den Tandempartnern stimmt. Eine weitere Erfahrung: Flexible Termine, die zwischen Mentorinnen/Mentor und Schülerin/Schüler individuell vereinbart werden, funktionieren besser, als starre Termine. Das bestätigte auch Karim El-Helaifi von den Schülerpaten Deutschland. Nachdem vom Verein organisierte Veranstaltungen nicht optimal gelaufen waren, fragten sie kurzerhand die Engagierten, was ihnen fehlte. So kamen sie auf die Idee, gemeinsame Aktivitäten finanziell zu unterstützen. Die Patinnen und Paten konnten diese vorschlagen, andere Tandems hatten die Möglichkeit sich anzuschließen und konnten von den Aktionen ein Foto senden, das dann z. B. auf der Facebookseite veröffentlicht wurde. Teresa Rodenfels vom Tandemprogramm Start with a friend fügt hinzu, dass solche Aktionen auch mit kostenlosen Angeboten von lokalen Partnern unterstützt werden können (Freikarten fürs Theater oder Kino). Außerdem gibt es bei den Schülerpaten ein jährliches Sommerfest, bei dem alle Tandems zusammenkommen. Dabei werden auch die jeweiligen Familien einbezogen und das „Catering“ gemeinsam organisiert. Auch regelmäßige Stammtische, die aber nicht so heißen müssen, in unterschiedlichen Stadtteilen und Locations funktionieren gut.

Fragen, fragen, fragen
Die Jugendlichen können auch aktiv in die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins einbezogen werden, indem sie das Projekt in ihren jeweiligen Schulen und Unikursen vorstellen. Dazu kann entsprechendes Material zur Verfügung gestellt werden. Karim El-Helaifi bekräftigte, dass der beste Weg für gelungene Patenschaften eine stetige Reflektion und Evaluation ist. Man sollte immer wieder fragen: „Was braucht ihr von uns?“ So fand er heraus, dass die Betreuung der Tandems durch den Overhead wichtig ist. Es muss immer klar sein, wer ansprechbar ist – und zwar nicht erst, wenn Probleme auftauchen. E-Mails mit persönlicher Ansprache mit Namen haben sich in der Praxis als sinnvoll erwiesen, um eine klare Zuständigkeit zuzuweisen. Außerdem sollten nicht zu viele Veranstaltungen angeboten werden und: „Nur wenn wir etwas toll finden, heißt das nicht, dass es auch bei den Schülerinnen und Schülern sowie den Patinnen und Paten ankommt.“ Letztendlich muss man herausfinden, was den Beteiligten Spaß macht und dadurch Anreize schaffen. Die Erfolge der Tandems müssen sichtbar gemacht werden und die Wertschätzung des Engagements sollte nie zu kurz kommen.

http://rockyourlife.de/standort/halle

Foto: Thilo Schmülgen / opentransfer.de

Johanna Voll

Johanna Voll studierte Interkulturelle Europa- und Amerikastudien in Halle (Saale) sowie Soziokulturelle Studien an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), wo sie mittlerweile als akademische Mitarbeiterin tätig ist. Zuvor hat sie u.a. in der Onlineredaktion vom BBE (Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement) die Social Media-Kanäle betreut. An der Viadrina beschäftigt sie sich nun mit der Reorganisation von Erwerbsarbeit in der Wissensgsellschaft und untersucht das Phänomen Coworking und seine Räume. Besonders spannend findet sie auch die Schnittstellen von Social Media und Wissenschaft und versucht genau das den Studierenden zu vermitteln.

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