Mehr Bildungsgerechtigkeit durch Mentoring und Patenschaften

Patenschafts- und Mentoring-Projekte können für mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit sorgen. Prof. Dr. Nina Kolleck von der Universität Leipzig berichtet von ihren persönlichen Erfahrungen auf dem Weg zur Professur und spricht mit uns über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die deutsche Bildungslandschaft.

„Bildung hat in unserer Gesellschaft eine viel zu geringe Priorität.“

Prof. Dr. Nina Kolleck forscht zu den Themen Bildungsgerechtigkeit, Bildungssysteme und politische Bildung. Auf die Frage hin, warum sie sich für dieses Forschungsfeld entschieden hat, muss sie nicht lange überlegen: „Das Thema soziale Ungleichheit spielte schon während meines sozialwissenschaftlichen Studiums eine grundlegende Rolle“, berichtet sie. Ihr Interesse an diesem Forschungsfeld ließe sich allerdings in erster Linie auf ihre Praxiserfahrungen an deutschen Schulen zurückführen, an denen sie vor Beginn der Corona-Pandemie ehrenamtlich unterrichtete. Dort sind, so ist sie überzeugt, Ungleichheiten und Ungerechtigkeit ganz konkret zu spüren.

„Der familiäre Hintergrund der Kinder und Jugendlichen ist maßgeblich für deren Bildungserfolg entscheidend“, erklärt sie. Daher möchte sie zu diesem Thema mit ihrer Forschung einen Beitrag leisten und Lösungsmöglichkeiten identifizieren. Darüber hinaus sieht sie in Bildungsungerechtigkeit eine große Gefahr für die Demokratie. „Eine große soziale Unsicherheit führt zu wachsender Unzufriedenheit und stärkt extremistische und rechtspopulistische Strömungen. Es werden Sündenböcke gesucht, die als Projektionsfläche für eigene Unsicherheiten herhalten müssen.“ Nina Kolleck ist es daher wichtig, mit ihrer Forschung den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie in unserer Gesellschaft zu stärken.

„Aktuelle Kontaktbeschränkungen und eine zunehmende Digitalisierung im Bildungssektor vergrößern die Schere zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Schüler:innen nur noch mehr.“

Seit Beginn des ersten Lockdowns unterrichtet Nina Kolleck an der Universität ausschließlich online. Das klappe sehr gut in ihrem Feld und sie sieht viele Vorteile in der voranschreitenden Digitalisierung der Hochschulen. Ganz anders schätzt sie die Situation an deutschen Schulen ein: Gerade berufstätige Eltern befänden sich zurzeit in der wahnsinnig schwierigen Situation, ihren beruflichen Aufgaben und den schulischen Anforderungen ihrer Kinder gleichermaßen gerecht werden zu müssen. Wenn dann noch eine schwierige Wohnsituation oder eine geringe technische Ausstattung dazukämen, verschärfe sich die Situation nur noch mehr.

„Natürlich spielt auch die Wichtigkeit, die der Bildung beigemessen wird, eine zentrale Rolle.“ Diese Priorität fehle oftmals in Familien in sozialen Risikolagen, was wiederum zu einer stärkeren Polarisierung in der Zukunft führe. Das aktuelle Infektionsgeschehen wäre an Schulen viel einfacher zu kontrollieren als beispielsweise in Supermärkten oder öffentlichen Verkehrsmitteln, betont Nina Kolleck. Nichtsdestotrotz existiere eine große Bereitschaft dafür, die Schulen wiederholt zu schließen. „Bildung hat in unserer Gesellschaft eine viel zu geringe Priorität, was sich in der aktuellen Pandemie wieder einmal zeigt.“

„Ich muss ehrlich sein, ich hätte mir eine wissenschaftliche Karriere ohne mein Mentoring-Programm anfangs gar nicht zugetraut.“

Als Nina Kolleck am Anfang ihrer wissenschaftlichen Karriere stand und selbst noch studierte, war sie bereits mehrfache Mutter. „Damals bekam ich oft zu hören: Ach herrje, so früh schon Kinder, dann ist es vorbei mit der Karriere!“, erzählt sie. „Es herrschte oft wenig Toleranz, ganz nach dem Motto: Als Frau muss man sich – auch heute noch – entscheiden: Entweder Kind oder Karriere – gerade in der Wissenschaft.“ Dann nahm sie an einem Mentoring-Programm teil, das Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben, unterstützte. Hier wurde vermittelt: Ihr könnt es schaffen! Zudem zeigte das Programm Wege auf, wie man seine persönlichen Ziele verwirklichen kann. Plötzlich habe sie klare Vorbilder vor Augen und Menschen an ihrer Seite gehabt, die an sie glaubten. Diese Erfahrung habe ihr den Mut gegeben, es einfach zu probieren und sie dahin gebracht, wo sie heute ist.

Mittlerweile ist sie selbst als Mentorin in einem Frauenförderprogramm aktiv und beobachtet oftmals eine große Unsicherheit, insbesondere bei Frauen mit Kindern, die einen wissenschaftlichen Karriereweg einschlagen wollen: „Der Weg ist lang und man ist bis zur Entfristung einer Stelle permanenter Unsicherheit ausgesetzt. Auch das Selbstvertrauen, auf einer wissenschaftlichen Position zu landen, fehle vielen. „Ohne meine eigene Mentee-Karriere hätte ich es vielleicht nie bis zur Professur geschafft“, betont Nina Kolleck. In Mentoring-Programmen sieht sie daher einflussreiche Hilfestellungen, die viel bewirken und verändern können.

Nina Kolleck ist Politik- und Bildungswissenschaftlerin und Universitätsprofessorin an der Universität Leipzig. Zuvor war sie Professorin an der RWTH Aachen, der FU Berlin und Gastprofessorin an der University of California Berkeley, der University of British Columbia in Vancouver, der Hebrew University of Jerusalem und der Tel Aviv University.

Ihr Studium (u.a. Politik-, Erziehungs-, Wirtschafts- und Europawissenschaften) in Potsdam, Caen und Quito schloss sie u.a. mit Diplomen in Deutschland und Frankreich ab. Anschließend promovierte und habilitierte sie sich an der FU Berlin. Sie wurde mit dem ‚Award for Research Cooperation and Highest Excellence in Science‘ der Max-Planck-Gesellschaft (mit Dr. Yemini) ausgezeichnet.

Ihre Forschung wird von diversen Förderorganisationen (u.a. DFG, BMBF, EU) gefördert. Sie ist Mitglied in diversen wissenschaftlichen Beiräten, berät unterschiedliche Bundesministerien und agiert als anonyme Gutachterin für die zentralen Förderorganisationen.
Lisa Klank

Lisa Klank ist bei der Stiftung Bürgermut als Projektkoordinatorin bei openTransfer #Patenschaften tätig. Sie studierte Amerikanistik (MA American Studies) und Soziologie an der Humboldt Universität Berlin und verbrachte ein Semester in Sydney. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie für die Berliner Tafel e.V. in der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Anschließend war sie als Projektkoordinatorin im Bereich Kinder- und Jugenddelinquenz der Stiftung SPI in Berlin tätig.

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