Brüche der Erinnerung – Zwischen Schuldabwehr und Gedenken an die Shoah

Session-Dokumentation – openTransfer CAMP #VielfaltStärken

Session von: Benjamin Männel (Amadeu Antonio Stiftung)

Fotocredit: Jasmin Valcarcel | openTransfer CAMP #VielfaltStärken

In der Session von Benjamin Männel von der Amadeu Antonio Stiftung (AAS) wurde die komplexe und umstrittene Erinnerungskultur an die Verbrechen des Nationalsozialismus in Sachsen diskutiert. Die Diskussion bezog sich auf die Herausforderungen der Erinnerungspolitik, die Rolle der Schuldabwehr und den Umgang mit Antisemitismus in Vergangenheit und Gegenwart.

Die Session begann mit einer Vorstellungsrunde, in der die Teilnehmenden ihre Assoziationen zur Auseinandersetzung mit der Shoah in der Schule und der aktuellen Situation teilten. Es wurden zwei zentrale Fragen gestellt:

Was ist Verantwortung?

  • Aktiv und in die Zukunft gerichtet.

Was ist Schuld?

  • Passiv und auf die Vergangenheit gerichtet.

Input 

Ein zentrales Thema waren das Konzept der Kollektivschuld und die vorauseilende Abwehr von Schuld in der post-nationalsozialistischen deutschen Gesellschaft. Diese Abwehr war bereits vorhanden, bevor dieser Vorwurf von den Alliierten nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 erhoben wurde. Es wurde betont, dass Verantwortung durch Reflexion und Aufarbeitung übernommen werden sollte. Dabei ist Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches Phänomen nach dem Nationalsozialismus nicht verschwunden, sondern äußert sich oft in Schuldabwehr und Umwegkommunikation. Auch wurden einige Opfergruppen, wie z.B. Sinti:zze und Rom:nja, in der Vergangenheit nicht angemessen entschädigt.

Versöhnung wurde als ein schwieriger Aushandlungsprozess beschrieben, bei dem es wichtig ist, um Vergebung zu bitten und nicht zu fordern. In Bezug auf Bildung zu Jüdischem Leben in Deutschland gibt es Leerstellen. Es wurde festgestellt, dass kontinuierliche Schuldzuweisungen ohne individuelle Schuldzuweisung zu emotionaler Reaktanz (Abwehrreaktion) führen können, die z.B. bei Besichtigungen von Gaskammern in Konzentrationslagern zu beobachten sind. 

Es wurde nicht nur Antisemitismus in der BRD, sondern auch in der DDR thematisiert. Dabei spielt insbesondere der Mythos der DDR als antifaschistischer Staat eine Rolle. Es wurde der Unterschied zwischen Opfern und Kämpfer:innen gegen den Faschismus sowie antisemitische Schauprozesse, wie die gegen Rudolf Slánský und Paul Merker, diskutiert.

Diskussion: Im Anschluss an den Input gab es eine ausgiebige Diskussion und eine Fragerunde, in der die Teilnehmenden ihre Gedanken und Erfahrungen austauschten. Die Debatte drehte sich um die Herausforderungen der aktuellen Erinnerungskultur, den Umgang mit Schuldabwehr und die Bedeutung einer reflektierten und zukunftsgerichteten Verantwortung. Diese Session bot einen tiefen Einblick in die komplexen Aspekte der deutschen Erinnerungskultur und die Herausforderungen, denen sich Gesellschaft und Institutionen in Deutschland bis heute dabei stellen müssen.

Daniel Männlein

Daniel Männlein ist Programmmanager im Programm openTransfer Patenschaften und gestaltet bundesweit Angebote für Patenschafts-, Mentoring- und Tandemprojekte. Er hat Sozialwissenschaften in Augsburg, Spanien und Berlin mit Schwerpunkt auf Stadt- und Migrationsforschung studiert. Vor seiner Tätigkeit bei der Stiftung Bürgermut sammelte er wertvolle Erfahrungen in der Projektförderung bei der Robert Bosch Stiftung, in der Projektarbeit bei zivilgesellschaftlichen Trägern und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).

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