Nexthamburg – wir bauen uns die Stadt, wie sie uns gefällt
Anna Wildhack von Nexthamburg beim openTransfer CAMP in Hamburg am 27.9.2014
Stellen wir uns vor, wir könnten die Stadt nach unseren Vorstellungen gestalten. Eine bunte Gruppe aus Architekten, Planern und Soziologen will genau das Wirklichkeit werden lassen. Sie haben sich unter dem Namen Nexthamburg zusammengetan und entwickeln gemeinsam mit Hamburger Bürgern die Stadt von morgen.
Wenn die Bürger in Hamburg anfangen, sich selbst um Stadtentwicklung und Städtebaumaßnahmen zu kümmern und mit modernen Mitteln Konzepte entwickeln und umsetzen, dann ist die Initiative Nexthamburg wahrscheinlich nicht weit weg. Der gemeinnützige kollaborative Stadtentwicklungs-Inkubator hat sich zur Aufgabe gemacht, die Wünsche und Ideen der Bürger zusammenzutragen und daraus umsetzbare Bürgervisionen zu schnüren. Und das mit großem Erfolg: Immerhin 800 solcher Bürgervisionen wurden über Crowdsourcing gesammelt und konzeptionalisiert.
Das Ganze nennt sich Nexthamburg und soll nun in einem zweiten Schritt mit dem Projekt Stadtmacher vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Crowd-Re-sourcing ist hier das Stichwort. Mithilfe einer Crowdfunding-Plattform soll neben fachlichem Input auch das nötige Geld gesammelt werden, um Bürgervisionen umzusetzen. Dabei sollen nicht nur Geldspenden, sondern auch Zeit- und Materialspenden ermöglicht werden. Das Projekt ist für drei Jahre durchfinanziert und soll in vier Städten pilotiert werden, bevor weiter skaliert wird. Ein Transferprojekt par excellence.
Nicht Crowdfunding sondern Crowd-re-funding
Noch eine Crowdfunding Plattform? Reichen nicht erfolgreich agierende Projekte wie startsocial und Betterplace aus? Das war eine der ersten Reaktionen der Sessionteilnehmer, die Referentin Anna Wildhack aber entschieden verneinte. Es soll hier ganz speziell um Stadtentwicklungsprojekte gehen. Gerade mit der Expertise und Beratung der Projektmacher sollen schon im Vorfeld sinnvolle und auch machbare Projekte ausgewählt werden. „Es gibt genug Menschen die gerne bei der Gestaltung ihrer Stadt mitentscheiden wollen, aber viele wissen einfach nicht wie. Reines Crowdfunding würde hier fehl laufen. Es bedarf auch der Expertise und Kontakte zu den Verantwortlichen“, erklärt Anna Wildhack. Am Ende soll keine übergroße Robocop-Statue vor dem Rathaus stehen – so wie es ein ganz reales Crowdfunding-Projekt in Detroit erreichen wollte. Es hatte tatsächlich das Spendenziel erreicht, scheiterte aber verständlicherweise an der fehlenden Absprache mit der Detroiter Städteverwaltung.
Projekte, die für die Stadtmacher in Betracht kommen, sind gemeinnützige Projekte wie die Give Boxen aber auch Projekte, wie das in England verwirklichte + Pool, ein Pool mitten im Hudson River, finanziert aus der Community.
Stolpersteine bei der Skalierung
Aber wie es so ist mit Projekten, die sich noch in der Pilotphase befinden, gab es auch hier viele offene Fragen, die in der Diskussion angesprochen wurden. Als die unter den Sessionteilnehmern dringlichsten Fragen stellten sich die Frage nach der Langfristigkeit geförderter Projekte und die nach der Finanzierung des eigenen Konzeptes als größte Baustellen heraus.
Wie schafft man es also, Engagement über längere Zeiträume aufrecht zu erhalten, ohne dass den Beteiligten die Puste ausgeht? Und mit welchen Risiken ist es verbunden, wenn Unternehmen die Möglichkeit haben, die Stadt mit zu entwickeln sowie der Stadt immer mehr die Verantwortung zu entziehen, sich auch finanziell an den Umsetzungen von Städteentwicklungsprojekten zu beteiligen?
Hippe Projekte leben länger
Dass die Stadtmacher den Projekten nicht nur Starthilfe gegeben wollen, sondern diese nachhaltig in der Stadt verankern, wurde schnell klar. Die Vorschläge reichten hier vom Setzen erreichbarer Meilensteine, über das Erschließen kleinerer Städte, in denen die Bindung der Bürger möglicherweise größer ist, bis hin zu der Aufforderung, die einzelnen Projekte stärker in der Öffentlichkeit zu bewerben – frei nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“.
Muddling through oder langfristige Planung
Neben der Frage des Engagements wurde aber auch über die Finanzierung des Stadtmacher-Konzepts diskutiert. Bei jungen Projektmachern beobachtet man häufig ein muddling through, also ein „Durchwurschteln“, bei der Umsetzung. Die Idee: Lieber erst einmal beginnen, als durch eine ausufernde Planung sich auszubremsen. Gerade erfahrene ältere Sessionteilnehmer sahen dies eher kritisch und setzten auf gründliche Planung.
Noch ein Votum der Sessionteilnehmer: Die Zeit, die man für die Planung einer nachhaltigen Finanzierungsstruktur benötigt, sollte man nicht unterschätzen. Mindestens ein Drittel der Ressourcen, so der Vorschlag, sollten dafür aufgebracht werden, um nicht Gefahr zu laufen, Ende 2016 das Stadtmacher-Projekt wieder einstampfen zu müssen. Eine Möglichkeit für eine nachhaltige Finanzierung wurde auch in der Einbettung des Projektes in kommunale Strukturen gesehen.
Foto: Milos Djuric