Das war die NPO-Blogparade

Warum tun wir uns so schwer damit, voneinander zu lernen: erfolgreiche soziale Projekte zu transferieren, Wissen zu teilen, gemeinsam mehr zu erreichen? Die Frage stellte opentransfer.de und Sebastian Volberg als Gastgeber der vergangenen NPO-Blogparade. 16 Autorinnen und Autoren haben aus ganz unterschiedlichen Perspektiven Antworten auf diese zentrale Frage beim Transfer von Projekten geliefert.

Die Beiträge reichten von theoretisch bis praxisnah, sie kamen von Projektmachern ebenso wie von Beratern und zeigen die ganze Bandbreite der bloggenden Nonprofit-Welt. Wie ein roter Faden zieht sich die Forderung nach einem Umdenken durch die Artikel. Wissens- und Ideenaustausch dürfe nicht als Bedrohung des eigenen Standpunktes, sondern als Inspiration und Anregung zum Weiterdenken verstanden werden. Die Barrieren, die den freien Fluss von Ideen, Wissen und Erfahrungen behindern, verlangen nach ganz unterschiedlichen Rezepten und lassen sich in drei Gruppen fassen.

Strukturelle Hindernisse

In fast allen Beiträgen wird die Finanzierung als entscheidendes Hindernis beim Transfer von Projekten genannt. Förderung belohne meist Innovation, nicht die Übertragung von Projekten, wie z. B. Henrik Flor in seinem Beitrag schreibt. Aber auch die eigene Wagenburg-Mentalität an diesem Punkt wird angesprochen. So plädiert Torsten Schmotz an NPOs, auch beim Thema Finanzierung offen für Austausch zu sein, um Handlungsspielräume zu erweitern.
Eine weitere Voraussetzung für die Verbreitung von Ideen ist eine Transfer-freundliche Infrastruktur, die sowohl Räume, Kommunikationskanäle und Anlässe als auch Portale und Marktplätze umfasst. Gelungene Beispiele aus den USA und England sowie den Weltbeweger stellt Gerald Labitzke in seinem „Blick über den Tellerrand“ vor. Wie wichtig eine geeignete Infrastruktur für den Transfer ist, betont auch Anke Knopp, die am Beispiel des „Bürgerhaushaltes“ eine weitere Barriere, starres parteipolitisches Denken, ausmacht.
Die Bildung von Netzwerken wird ebenso als wichtiges Fundament bei der Weitergabe von Ideen ausgemacht. So fordert Brigitte Reiser eine stärkere lokale Vernetzung im Sinne eines collective impacts. Julia Russau erläutert aus netzwerktheoretischer Sicht verschiedene Strukturprobleme im sozialen Bereich und zeigt auf, wie diese durch die Schaffung von Querverbindungen und vielfältigen Kommunikationsangeboten überwunden werden können. In kompakter Form stellt Stefan Zollondz dar, warum regionale wie überregionale und interdisziplinäre Vernetzung so wichtig sind. Aus eigener Erfahrung empfiehlt er beispielsweise asynchrones Lernen und reale Treffen als Wege aus der lokalen Vereinzelung und Konkurrenz.

Kulturelle Hindernisse

In einer leistungsorientierten Gesellschaft bedeutet es nicht weniger als einen Kulturwandel, wenn Teilen als Bereicherung, nicht als Bedrohung der eigenen Position begriffen wird. Dagmar Hirche fordert dieses Umdenken ein. Transfer müsse als Profit verstanden werden, Erfahrungsweitergabe als Bereicherung. Ole Wintermann möchte das alte Dogma „Informationsvorsprung = Macht“ überwinden, das besonders auf Führungsebene fest verankert sei.
Im Anschluss an eine Beschreibung gemeinnütziger Projekte in marktwirtschaftlichen Kategorien kommt Sebastian Volberg zu dem Schluss, dass die Gesetze des Marktes den Transfer von Projekten behindern. NPOs sollten sich am gesellschaftlichen Bedarf und bewährten Konzepten orientieren, nicht an Wachstum und Profit und sich auf einen freien Austausch von Ideen und Erfahrungen einlassen. Hannes Jähnert erläutert, warum die offene Weitergabe von Ideen zwar nicht direkt zu finanziellem, aber zu wertvollem sozialen und kulturellen Kapital führe, aus dem sich langfristig auch ein materieller Mehrwert entwickeln könne.
Anstelle von Konkurrenzdenken müsse eine Kultur der Fairness treten, die auf gegenseitigem Vertrauen baue, wie in vielen Artikeln betont wird. Auf dieser Vertrauensbasis müssten NPOs untereinander jedoch innovative Projekt-Ideen strenger prüfen, wie Tobias Stapf fordert.
Ein ähnliches kulturelles Umdenken, wie es in der Behindertenpolitik stattgefunden hat, von der Integration zur Inklusion, das heißt zur Teilhabe derjenigen, sieht Domingos de Oliveira auch als Bereicherung für soziale Projekte.

Individuelle Hindernisse

Erfolgreicher Projekttransfer wird auch durch individuelle Faktoren behindert. Den Einfluss beispielsweise von Unsicherheit, Unklarheit aber auch Vermeidungsstrategien betont Alexa Gröner. Sie antwortet damit auch auf den Beitrag des Heldenrats, der aus lern- und systemtheoretischer Perspektive für mehr Geduld im Transferprozess wirbt.
Die Fähigkeit, Macht und Kontrolle abgeben zu können, erklärt Ole Wintermann zu einer wichtigen Voraussetzung für Wissenstransfer und freie Informationsweitergabe.
Der Wunsch, die eigene Innovation zu schützen, sich selbst Reputation zu sichern und eigene Ideen zur Selbstdarstellung zu nutzen, stehe dem eigentlichen Gedanken gemeinnütziger Projekte entgegen, konstatiert Sebastian Volberg.
Florian Stenzel berichtet schließlich, wie er selbst in seiner sozialpädagogischen Tätigkeit den Wert von Vernetzung zu schätzen gelernt hat und dass dafür auch individuelles Vertrauen und Offenheit notwendig seien.

Lösungen?

Um die beschriebenen Hindernisse auszuräumen, werden die Schaffung und der Ausbau von lokalen und überregionalen sowie interdisziplinären Netzwerken vorgeschlagen. Diese sollten nicht nur auf formeller, sondern auch auf informeller Ebene stattfinden, z. B. in Form von Stammtischen oder Barcamps, die für alle Interessierten offen sind. Um jenseits „realer“ Treffen die Möglichkeit zum Austausch und asynchronen Lernen zu schaffen, wird in mehreren Beiträgen die Einrichtung von internet-basierten Plattformen und Datenbanken angeregt. Im Sinne des notwendigen – individuellen wie kulturellen – Umdenkens fordern gleich mehrere Autorinnen und Autoren, dass die Idee des Teilens, des collective impacts und der gemeinschaftlichen Prüfung guter Ideen, stetig weiterverbreitet werden solle.

Offline & Online weiter diskutieren

Beim openTransfer Camp am 07. Juni wollen wir diese zentralen Ergebnisse in einer eigenen Session weiter diskutieren. Sie sind herzlich eingeladen.

#npochat

Am 27. August findet von 11 und 12 Uhr bei Twitter der #npochat zur Blogparade statt.

Jeder, der bei Twitter registriert ist, ist herzlich eingeladen, an der Diskussion teilzunehmen. Die Moderation übernehmen wir unter @opentransfer und @volseb. Wir freuen uns auf einen anregenden #npochat mit Euch.

Dem #npochat könnt ihr hier folgen:

Lisa Fedler

Lisa Fedler ist Literaturwissenschaftlerin, Social Media Redakteurin und seit Schulzeiten ehrenamtlich aktiv. Sie unterstützt die Stiftung Bürgermut bei der Organisation der openTransfer CAMPs, beim Projekt Weltbeweger und dem Online-Magazin Enter. Journalistisches Schreiben, das Erstellen von kreativen Video-Clips und das Konzipieren von Social Media-Kampagnen machen ihr besonderen Spaß. Ihre Interessensgebiete reichen dabei von sozialem Engagement über frauenpolitische Themen bis zu kulturellen Events. Nachdem sie lange vorrangig offline in verschiedenen lokalen Initiativen engagiert war, ist sie nun von den Möglichkeiten fasziniert, die Social Media für Vernetzung und Austausch bietet und findet die Gedanken zum Thema Projekttransfer sehr spannend, die die verschiedenen Autorinnen und Autoren auf dieser Plattform und bei Aktionen wie der Blogparade äußern.

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