nebenan.de: Die Wiederentdeckung der Nachbarschaft in Zeiten der Digitalisierung

Das Icon, das für Session-Dokumentationen steht.Lena Rickenberg von nebenan.de auf dem openTransfer CAMP Digitalisierung am 22. Juni in Berlin

 

Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass wir jederzeit an jedem Ort der Welt sein und überall Kontakte aufbauen und pflegen können. In ihrer Session diskutierte Lena Rickenberg von der Plattform nebenan.de, welche Rolle eigentlich die eigene Nachbarschaft in Zeiten der Digitalisierung spielt.

Die Plattform nebenan.de entstand nachdem ihr Gründer Christian Vollmann umzog – und nach einem Jahr noch immer niemanden im Haus kannte. Er klingelte bei seinen Nachbarn und stellte sich vor. Zunächst eher irritiert, freuten sich die meisten darüber und luden ihn ein. Er merkte, der Wunsch sich zu vernetzen war auch bei anderen vorhanden und so baute er zunächst eine WordPress-Seite für die eigene Straße auf. Hieraus entwickelte sich nebenan.de. Mittlerweile haben sich über die Plattform, die seit 2016 online ist, 3.200 Nachbarschaften Deutschlandweit gefunden und ein halbe Millionen Menschen nutzen die Seite. Sie leihen sich Bohrmaschinen, geben Empfehlungen z.B. zu Ärztinnen und Ärzten in der Gegend oder treffen sich auch mal zum Karten Spielen oder Klettern.

Eine Gruppe junger Menschen sitzt in einem Kreis.

nebenan.de verfolgt die Vision, dass die Gesellschaft im Kleinen wieder zusammenwächst und dadurch die großen Themen besser lösen kann. Auch wenn es sich zunächst um eine digitale Form der Kommunikation handelt, soll diese nicht die analoge Vernetzung ersetzen. Vielmehr geht es darum, Brücken zwischen diesen beiden Sphären zu bauen. Deshalb funktioniert die Plattform auch nicht rein Internet-basiert. Es gibt Ansprechpartnerinnen und -partner in den Nachbarschaften, die diese mitgestalten, z.B. durch das Organisieren von Flohmärkten.

In Zukunft sollen auch Quartierbüros, Sportvereine oder gemeinnützige Organisationen in der Nachbarschaft einbezogen werden. Diese dürfen dann zwar nicht alle Beiträge lesen, aber ihre Angebote, wie Sportkurse, über die Plattform anbieten. Dadurch ergibt sich ein noch größerer Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer.

Die Rolle der Nachbarschaft heutzutage

Gemeinsam mit den Teilnehmenden diskutierte Lena Rickenberg, welche Rolle die Nachbarschaft heutzutage überhaupt noch spielt. Ist es wahr, dass sie immer wichtiger wird und daher Plattformen, wie nebenan.de an Relevanz gewinnen? Für viele ist die Nachbarschaft ein wichtiger Teil ihres Lebens. So funktionieren Initiativen, wie etwa die Solidarische Landwirtschaft, nur über die Nachbarschaft. Allerdings steht hier weniger die geographische Nähe als ein gemeinsames Interesse im Vordergrund. Nachbarschaft, so argumentierte ein Teilnehmer, sei erst mal ein unfreiwilliger Zusammenschluss. Nicht immer möchte man Kontakt mit Menschen, mit denen man Tür an Tür lebt. Andere führten an, dass die Nachbarschaft weiterhin hohe Bedeutung haben wird, denn auch wenn man durch Skype und ähnliche Tools Kontakte pflegen kann, sind unmittelbare Lebensbezüge doch nur durch direkten Kontakt möglich.

Fazit

Es scheint, dass, auch wenn wir manchmal die Anonymität suchen, die unmittelbare Nachbarschaft doch ein wichtiger Bezugspunkt bleibt und in Zukunft wohl noch an Bedeutung gewinnen wird. An dieser Stelle kann nebenan.de einen Beitrag als Brückenbauer leisten. Allerdings gibt es hier noch Luft nach oben. Denn digitale Plattformen sind per se nicht immer inklusiv. Tatsächlich ist nebenan.de im innerstädtischen Raum, dort wo Leute gerne wohnen, viel erfolgreicher als an der Peripherie.

Wie eine solche Plattform den Zusammenhalt in der Nachbarschaft fördern kann, zeigten zwei Geschichten. Lena Rickenberg berichtet davon, wie eine Nachbarschaft über die Website Geld für einen Schlafsack für einen Obdachlosen gesammelt hat. Woanders hat eine ältere Dame, die ihren Nachbarschaftsverein aufgrund ihres hohen Alters aufgeben musste, begonnen, die Nachbarschaft durch das Netzwerk zu koordinieren.

www.nebenan.de

Foto: Milos Djuric

Julia Meuter

Julia Meuter arbeitet als Leiterin Transferberatung bei der Stiftung Bürgermut. Zuvor war sie bei der EVPA tätig und leitete beim Bundesverband Deutscher Stiftungen das „Social Franchise Projekt“ sowie „Effektn –Methoden erfolgreichen Projekttransfers“. Sie hat ein umfangreiches Wissen zu Fragen der systematischen Skalierung von Gemeinwohllösungen und ist Autorin zahlreicher Publikationen und Praxis-Ratgeber zum dem Thema.

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