Session von Karma Chakhs
Shai Hoffmann und Paul Lorenz, Karma Chakhs, beim openTransfer CAMP am 23. November in Berlin
Shai Hoffmann und Paul Lorenz stellten Projekt und den geplanten Transfer von Karma Chakhs vor. Karma Chakhs sind eine fair produzierte und gehandelte Variante der bekannten Converse Chucks, an deren Design die Käufer beteiligt werden. In der Session ging es vor allem darum, wie der Vertrieb der Schuhe ohne die Beteiligung von professionellen Logistikunternehmen möglich gemacht werden kann.
Die Idee für die Karma Chakhs stammt von dem 36-jährigen Architekten Van Bo Le Mentzel, der bereits mit seinen Open Source basierten Hartz IV-Möbeln für Aufsehen sorgte. Der Chucks-Fan stellte fest, dass an der Produktion der Schuhe von der Marke Converse (die in den 1980ern von Nike gekauft wurde) Kinder beteiligt sind. Er entschied sich, selber Chucks herzustellen und zwar fair. Langfristiges Ziel war der Aufbau einer „Karma Economy“, in der ausschließlich nachhaltig produziert wird. Van Bo stellte vier Prinzipien für die Karma Chakhs auf: kein Plastik (ökologisches Label), keine Ausbeutung (Fair-Trade-Label), keine Kinderarbeit und kein „Bad Karma“.
Schnell war klar, dass dafür ein Netzwerk vieler Unterstützer notwendig ist. Es waren nicht einfach Käufer gefragt, sondern „Prosumer“. Eine Wortschöpfung, die die Begriffe Producer und Consumer verbindet und damit auf die Verantwortung des Konsumierens verweist.
Voraussetzung für das Prosumieren ist es, die Produktionswege einer Ware nachvollziehen zu können. Hier stellte sich auch im Projekt die erste Hürde: Die Wertschöpfungs- und Produktionskette eines einzelnen Paars Schuhe besteht aus zahlreichen Stationen. Lässt sich wirklich an allen Stellen eine Verbesserung erreichen?
Daher formulierte Le Mentzel als Ziel der ersten Crowdfunding-Kampagne bei startnext: „Wenn ich 400 Prosumenten finde, fahre ich nach Pakistan und gucke mir den Produktionsweg selber genau an.“ Die Idee funktionierte, und er konnte eine Dokumentationsreise nach Indien, Sri Lanka und Pakistan unternehmen, die in einem Skizzenbuch festgehalten wurde.
Hier zeigt sich ein weiteres wichtiges Prinzip der anvisierten Karma Economy: Idee und Weg der fairen Produktion werden offen gelegt, so dass jeder die Idee übernehmen und nachmachen kann. Die Schuhe sollen kein „eigenes Produkt“ sein, die unternehmerisch und profitorientiert verkauft werden. Mehrwert für die Projektinitiatoren soll das eigene Lernen und der Aufbau eines funktionierenden Netzwerks sein.
Dank dieser Prinzipien konnte nach der Realisierung der ersten Produktion die zweite Auflage der Karma Chakhs von einem anderen Team (Shai Hoffmann und Paul Lorenz) übernommen werden. Auch ihre Crowdfunding-Kampagne war sehr erfolgreich: Bereits nach zehn Tagen konnten sie die Zahl der geplanten Schuhe auf 1.000 Paare erhöhen. Auch sie wollten den Produktionsweg so fair wie möglich gestalten. Nur an wenigen Punkten konnten nicht alle Karma-Prinzipien eingehalten werden. So wurden die Schuhe z. B. entgegen dem ökologischen Grundsatz per Flugzeug nach Deutschland gebracht. Der Versand wurde dann mittels einer Packaging Party bewerkstelligt.
Paul Lorenz und Shai Hoffmann legen großen Wert auf die Mitbestimmung der Crowd. Die unterstützende Masse soll nicht nur das Geld für die Schuhe geben, sondern aktiv in den Ablauf einbezogen werden. An mehreren Punkten der Produktion wurde die Crowd per Abstimmung oder Ideenwettbewerb beteiligt, z. B. bei der Farbwahl der Sohle oder beim Design eines Dankeschön-T-Shirts. Auch wenn Schwierigkeiten auftauchten, wurde die Crowd um Rat gefragt. So brachten unter anderem Programmierer und Statistiker ihre Kompetenzen ein.
Aktuell suchen Shai Hoffmann und Paul Lorenz nach Nachfolgern, die die dritte Runde Karma Chakhs produzieren möchten. (Interessierte können sich gerne bei den beiden melden! Z. B. über Facebook: https://www.facebook.com/itskarmababy1). Gerne sähen sie eine Frau als Projektinitiatorin, um dem Gender Gap entgegenzuwirken. Sie stellten außerdem zur Diskussion, ob das Projekt weiter komplett ehrenamtlich laufen soll oder ob die Initiatoren ein Honorar für ihre Arbeit erhalten sollen. Eine Idee hierbei war, dass pro Spender der Crowdfunding-Kampagne 1 Euro an die Projektinitiatoren geht. Die Sessionteilnehmer fanden dies einen guten Weg, wenn dieses Verfahren von Beginn an für die Spender transparent gemacht werde. Ein anderer Weg wäre, den Preis der Schuhe zu erhöhen. Momentan liegt er – wie bei den Converse Chucks – bei 69 Euro. Aus den Einnahmen werden neben der Produktion auch die Reisen und die Öffentlichkeitsarbeit gezahlt. Die Sessionteilnehmer fanden, der Preis solle nicht erhöht werden. Gleichzeitig sei es aber wichtig, dass auch die Beschäftigten in Deutschland angemessen bezahlt werden. Als weitere Anregung wurde die Möglichkeit genannt, über Fördermitgliedschaften Geld einzunehmen.
Als Probleme des Fairtrade-Projekts nannten die Sessiongeber das Retour Management, das für sie sehr schwer zu bewerkstelligen sei sowie die Logistik. Daher starteten Shai Hoffmann und Paul Lorenz im zweiten Teil der Session ein Brainstorming zu der Frage: Wie würdet ihr den inländischen Logistikprozess gestalten ohne einen Logistikdienstleister in Anspruch zu nehmen? Eine Teilnehmerin hatte dazu die Idee, diese Aufgabenstellung an Hochschulen oder Unis zu geben, an denen es Logistik o. ä. als Studiengang gibt. So könne das Problem wissenschaftlich angegangen werden und hätte einen Mehrwert für beide Seiten. Ein weiterer Vorschlag war, einen Fernbus-Anbieter als Kooperationspartner zu gewinnen. Hier wurde jedoch angemerkt, dass die Fahrer dieser Unternehmen wahrscheinlich nicht fair bezahlt werden. Der Grundsatz der fairen Produktion solle aber auch im Inland eingehalten werden. Eine weitere Anregung war die Verbindung mit anderen Fairtrade-Anbietern, z. B. den Weltläden. Vielleicht könnten darüber Vertriebswege gemeinsam genutzt werden. Eine Engagierte von Viva con Agua bot an, beim Vertrieb des Quellwassers nachzufragen, ob hier eine Kooperation möglich sei.
Fotos: Samantha Dietmar