Freunde finden für’s Leben

Vicki Marschall, Bettina Schmidt, Nour Abdalkhalek und Shirawan Rammo vom Verein „Here in Bochum“ auf dem openTransfer CAMP #Ankommen am 14. Oktober 2017 in Düsseldorf

Nachdem Nour Abdalkhalek und Shirawan Rammo, beide aus Syrien, nach Bochum kamen, stellten sie fest, wie schwierig es ist, deutsche Freunde zu finden. In ihrer Session diskutierten sie gemeinsam mit den Teilnehmenden Möglichkeiten, dies zu ändern und merkten: es ist eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft.

Als Nour Abdalkhalek als alleinerziehende Mutter mit ihren zwei Kindern aus Syrien floh, kam sie zunächst nach Ostdeutschland. Sie sprach kein Deutsch, die Einheimischen kein Englisch. Hier Freunde zu finden, war so gut wie unmöglich. Mittlerweile ist sie in Bochum und kann Deutsch, aber dennoch findet sie es schwierig, in Kontakt mit Deutschen zu kommen. Aber genau das ist ihr Wunsch. Nicht nur für ihre Kinder, die das Gefühl haben, alles verloren zu haben und für die der Anschluss so wichtig ist, sondern auch, weil sie davon überzeugt ist, dass Integration nur gelingen kann, wenn man aufeinander zugeht. Nour Abdalkhalek ist kein Einzelfall. Nachdem Vicki vom Verein Here in Bochum in ihrem Umfeld herumgefragt hatte, musste sie feststellen, dass viele Geflüchtete, egal ob Mann oder Frau, egal wie alt, Probleme hatten, Freunde zu finden.

Eine Frau spricht gestikulierend, neben ihr eine Frau und ein Mann, die zuhören.

Gemeinsame Aktivitäten verbinden
Viele der Teilnehmenden teilten diese Erfahrungen. So erzählte eine Teilnehmerin, dass sie ein syrisches Patenkind hat und dadurch viele syrische Freunde gewonnen hat. Sie riet Nour Abdalkhalek, zu Elternabenden und Festen in der Schule zu gehen, um so andere kennenzulernen. Teil einer Gemeinschaft zu sein verbindet.
Dem stimmten die anderen Teilnehmenden zu. Gemeinsame Aktivitäten könnten auch ehrenamtliche Tätigkeiten oder Hobbys, wie etwa Fotografie oder Laufen, sein. Dadurch kann man nicht nur neue Freunde treffen, sondern auch die Sprache lernen. Ganz konkrete Initiativen, die genau darauf abzielen, sind zum Beispiel das Jugendtheater in Düsseldorf. Sie bringen Jugendliche nicht nur beim Theaterspielen zusammen, sondern auch bei Aktivitäten, wie dem vorherigen Schminken. Hierdurch entsteht Nähe, auch ganz ohne Sprache. In Köln und anderen Städten Deutschlands gibt es die „Welcome Dinner“ oder das Patenprogramm „Start with a friend“, wo sich Menschen mit und ohne Fluchterfahrung treffen.
Ein Teilnehmer erzählte allerdings, dass er ganz andere Erfahrungen gemacht hat. Er schwimmt, hat darüber aber keine deutschen Freunde gefunden, da durch das intensive Training wenig Zeit zum Sprechen bleibt. Von ähnlichen Erfahrungen berichtete das Team von Here in Bochum. Allein über die Redaktionssitzungen kam wenig Kontakt zustande. Daher hat es zusätzlich Sprachcafés angeboten, bei denen man über ganz verschiedene Themen sprechen kann.

Freunde finden – eine Herausforderung unserer heutigen Gesellschaft allgemein?
Eine interessante Beobachtung: dass deutsche Teilnehmende Probleme hatten, Freunde zu finden. Jemand formuliert die These, dass offenbar die Gesellschaft sehr stark auf Arbeit ausgerichtet ist, sodass die Pflege von Freundschaften oder Nachbarschaften zu kurz kommt.
Ein ganz konkretes Ergebnis ergab sich für das Team von „Here in Bochum“. Es möchte – inspiriert durch die Session – in Zukunft eine Rubrik mit dem Namen „Freunde finden“ einführen, wo verschiedene Ideen und Initiativen in Bochum vorgestellt werden, die helfen, Freunde zu finden.

http://www.here-in-bochum.de

Foto: Thilo Schmülgen / opentransfer.de

Julia Meuter

Julia Meuter arbeitet als Leiterin Transferberatung bei der Stiftung Bürgermut. Zuvor war sie bei der EVPA tätig und leitete beim Bundesverband Deutscher Stiftungen das „Social Franchise Projekt“ sowie „Effektn –Methoden erfolgreichen Projekttransfers“. Sie hat ein umfangreiches Wissen zu Fragen der systematischen Skalierung von Gemeinwohllösungen und ist Autorin zahlreicher Publikationen und Praxis-Ratgeber zum dem Thema.

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