Konsequent einbeziehen: Das Team im Skalierungsprozess
Wenn Projekte erfolgreich arbeiten, stellt sich früher oder später die Frage, ob man das Projekt verbreiten will. Wenn ja, muss das Projekt strukturiert, skaliert und für einen Transfer aufbereitet werden. Schnell merkt man, dass eine Skalierung gerade für die Freiwilligen eine einschneidende Veränderung ist. Dabei gibt es einfache Tipps, diesen Prozess gut vorzubereiten und zu begleiten.
Grundsätzlich unterscheide ich zwei verschiedene Vorgehensweisen, ein Projekt zu initiieren, von denen die spätere Beteiligung Freiwilliger im Rahmen eines Skalierungsprozesses stark abhängig ist:
Die strukturelle Projektinitiierung
Die strukturelle Projektinitiierung wird meistens von großen Trägern der Freien Wohlfahrtspflege und ähnlichen Verbänden genutzt, die oftmals bereits über ein Qualitätsmanagementsystem verfügen und dort Standards und Prozesse definiert haben.
In Form eines Baukastensystems werden einzelne Modulewie Kundenmanagement, Freiwilligenmanagement, Abrechnungsorganisation und Außenwerbung zu einem neuen Projekt zusammengesetzt. Die einzelnen Bausteine sind für sich in den meisten Fällen bereits genau beschrieben und ausgearbeitet und oftmals auch schon in anderen Projekten erprobt.
Freiwillige, die sich in solchen Projekten engagieren, können den gesamten Projektrahmen von vornherein ziemlich genau einschätzen und wissen, worauf sie sich einlassen. Die partizipativen Gestaltungsmöglichkeiten für eine Weiterentwicklung sind dagegen eher beschränkt.
Eine Skalierung im Rahmen eines Projekttransfers ist jederzeit möglich, da eine flexibel anpassbare Struktur angelegt ist.
Die organische Projektinitiierung
Ganz anders sieht es bei einer organischen Projektinitiierung aus. Ich habe hier die vielen Initiativen und Vereine vor Augen, die ein konkretes Problem erkannt haben und dieses konsequent und engagiert bearbeiten. Die Projekte starten oft mit einigen wenigen Menschen, die zunächst auf der praktischen Ebene nach Lösungen suchen, diese immer weiter verfeinern und über den Prozess anfangen zu wachsen, indem sich immer mehr Freiwillige beteiligen.
Genormte Strukturen würden den organischen Ansatz zunächst komplett ausbremsen und das Projekt würde kaum die gewünschte Performance erreichen.
Gerade die Ressourcen der Freiwilligen, die sich nach und nach beteiligen, helfen dem Projekt, in bestimmten Bereichen weiter zu wachsen, und entscheiden über die Art des Wachstums. Gibt es jemanden, der sich mit Gestaltung auskennt, werden Flyer produziert, hat jemand Kontakt zur Firma XY, kann diese für Spenden akquiriert werden usw. Die Richtung, in die sich das Projekt entwickelt, ist also eher zufällig und stark abhängig vom Engagement der Akteure.
Gleichzeitig fühlen sich diese freiwilligen Akteure aber auch viel stärker mit dem Projekt und ihrer Arbeit für die Sache verbunden.
Außenstehende, die mit organisch initiierten Projekten in Kontakt kommen, erkennen oftmals eine scheinbar klare Struktur mit kompetenten Ansprechpartnern in den einzelnen Projektbereichen, die aber überhaupt nicht im Konsens definiert wurde. Ein solches Projektteam arbeitet meist sehr effizient und motiviert.
Problematisch wird es, wenn Freiwillige, die einen bestimmten Bereich federführend vorangebracht haben, aussteigen, oder der Bereich so stark wächst, dass ein Freiwilliger die Arbeit nicht mehr allein bewerkstelligen kann.
Jetzt zeigt sich, dass es keine sachlich beschriebenen Strukturen und Prozesse gibt, sondern der Bereich sehr stark durch den Freiwilligen persönlich geprägt ist und nicht beliebig von jemand anderem ersetzt werden kann.
Wächst das Projekt weiter und steht irgendwann ein Projekttransfer an, ist dieser automatisch auch mit einer Skalierung und einer formalen Strukturierung verbunden.
Wie gelingt die wertschätzende Beteiligung aller am Skalierungsprozess?
Organisch gewachsene Projekte leben vom Herzblut und Engagement der vielen Freiwilligen, die Zeit, Ideen und Kraft investiert haben, um das Projekt zu dem werden zu lassen, was es aktuell darstellt.
Ist ein Transfer der Projektidee – verbunden mit einer Skalierung – geplant, bedeutet das, dass die Ideen, Arbeitsweisen und geübten Abläufe, die stark durch die Persönlichkeiten der einzelnen Akteure geprägt sind, jetzt personenunabhängig versachlicht und standardisiert werden müssen. Nur so kann dem Projekt an einem anderen Ort mit neuen Akteuren neues Leben eingehaucht werden.
Pragmatisch gesprochen ist dies schlicht und einfach eine Form der Qualitätssicherung – ein Prozess, der in der Praxis aber seine Tücken hat. Es ist ein feinfühliges Vorgehen gefragt, um alle Projektakteure auf diesem Weg wertschätzend mitzunehmen und die vielen kleinen, durch die einzelnen Persönlichkeiten geprägten Bausteine zu entdecken und zu beschreiben.
Das organisch gewachsene Projekt steht plötzlich und für viele unerwartet an einer Schwelle, an der es zu einem strukturellen Projekt werden soll. Damit verbunden sind viele Fragen, Unsicherheiten und oftmals auch Widerstand.
Aus meiner Sicht gelingt ein Skalierungsprozess am besten mithilfe einer externen Moderation.
Projekte, die transferiert werden sollen, arbeiten meistens so erfolgreich mit lange eingeübten Abläufen, dass sie in einer Art Flow-Zustand sind, in dem die Tätigkeiten selbstverständlich ohne große Reflexion ausgeführt werden. Ein externer Blick erleichtert das Erkennen von Strukturen und Abläufen dabei erheblich.
Exkurs: Qualitätsmanagement – nein danke!?
In unserer eigenen Beratungsarbeit setzen wir auf agile Methoden aus dem Lean Management. Lean Management wird als schlankes Management beschrieben, bei dem es darum geht, Denkweisen und Werkzeuge zur Prozessoptimierung bereitzustellen und damit Ressourcen (Arbeitszeit, Material, Geld etc.) zu sparen.
Die daraus resultierenden, agilen Methoden zeichnen sich durch eine große Flexibilität und weitreichende Partizipationsmöglichkeiten für alle Beteiligten aus.
Um eine wertschätzende Beteiligung der Freiwilligen am Skalierungsprozess zu erreichen, plädiere ich für den Einsatz eines Kanban-Boards, um den Skalierungsfortschritt für alle transparent zu visualisieren.
Wie die Kanban-Methode funktioniert
Fazit
Ein Skalierungsprozess ist immer mit Veränderungen verbunden und Veränderungen verursachen Stress. Gegenseitige Wertschätzung sowohl der Freiwilligen als auch der hauptamtlichen Akteure und Projektinitiatoren kann diesen Stress mindern. Eine wichtige Form der Wertschätzung ist die gleichberechtigte Partizipation. Im Rahmen ihrer Beteiligung können alle Akteure ihre Sorgen zur Sprache bringen, gleichzeitig aber auch ihre Ideen und Erfahrungen in den Skalierungsprozess einfließen lassen. Somit ist jeder einzelne Akteur wertvoll, da er eine Projektidee bereichert und der Transferidee neue, zusätzliche Kräfte mit auf den Weg gibt.
Dieser Text steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht Kommerziell-Keine Bearbeitung 3.0 Unported Lizenz.