Inklusion und Engagement

Es gibt sie schon: die guten Projekte, in denen sich jedermann engagieren kann, zu denen jeder Zugang hat. Doch warum sind es noch so wenige? Welches sind die Barrieren für inklusives Engagement und wie kann es in die Fläche kommen?

Es gibt kaum jemanden, der sagt, er möchte keine Inklusion – dass er nicht jedem Menschen die gleichberechtigte Teilhabe an allen Lebensbereichen einräumt. Und doch ist es noch ein weiter Weg bis zu einer solchen Gesellschaft. Dabei ist die höchste Hürde nicht die fehlende Rampe für Rollstuhlfahrer. Viel schwerer zu überwinden sind manchmal die Barrieren in den Köpfen.  Schließlich geht es darum, sich von lieb gewonnen Mustern und Klischees zu verabschieden: dass Menschen mit Behinderung ohnehin nichts können, dass sie doch selbst davon profitierten würden, wenn sie unter sich bleiben, wenn Schulen streng nach Leistungsprinzip funktionieren.

Wie sieht es zum Beispiel im Engagement-Bereich aus? Man kann Menschen mit Behinderung auf Ausflüge begleiten, in Einrichtungen mit ihnen basteln und in der Behindertensportabteilung mit ihnen arbeiten. Es ist das Modell Einbahnstraße: Menschen ohne Behinderung setzen sich für solche mit Behinderung ein. Das ist gut und ehrenwert und sorgt für zahllose Begegnungen, die der erste Schritt sind, um sich besser kennenzulernen, Vorurteile aufzubrechen, Brücken zu bauen.

Doch wie wäre es, wenn Engagement mal anders gedacht würde? Wenn Menschen mit einer geistigen Behinderung im Naturschutz mit anpacken oder Senioren erklären, wie Tablets funktionieren? Wenn demenziell Erkrankte Selbsthilfegruppen initiieren? Dies alles findet bereits tagtäglich statt, aber vor allem punktuell, nicht in der Fläche. Es sind nach vorne denkende Initiativen, Freiwilligenagenturen und wohlfahrtsverbandliche Projekte, die die neuen Standards setzen.

Über diese Projekte muss viel mehr gesprochen werden. Mehr Menschen müssen von ihnen erfahren und sich inspirieren lassen und diese bei sich vor Ort umsetzen. Dann wird es immer mehr Aha-Momente geben, wenn Menschen mit Behinderung nicht mehr nur als Hilfsempfänger verstanden werden, denen man ein wenig Barmherzigkeit angedeihen lässt. Es geht um Teilhabe, auf die jeder Mensch ein Recht hat. Dieses Recht steht solange lediglich auf dem Papier, wie es keine Engagement-Angebote gibt, die allen offenstehen. Angebote, die ausreichend barrierearm sind, die ggf. Begleitungen anbieten und die vor allem von Menschen mit offenem Verstand organisiert werden, die Vielfalt nicht überfordert, sondern motiviert.

Jedes solcher Projekt hilft dabei, einen Schneeball-Effekt anzustoßen, der irgendwann dazu führen wird, dass inklusives Engagement zur Selbstverständlichkeit werden wird. Und dann können wir auch das Wort „Inklusion“ streichen.

Dieser Beitrag nimmt an der #NPO-Blogparade „Wo bitte geht es hier zu mehr Teilhabe?“ teil.

Henrik Flor

Diplom-Politologe, absolvierte nach dem Studium ein Verlagsvolontariat und betreute danach für eine Kommunikations-Agentur verschiedene Kunden aus der Buchbranche. Er leitete bis 2021 den Bereich Redaktion & Konzeption bei der Stiftung Bürgermut, baute dort das digitale Engagement-Magazin Enter auf und war von Anfang an bei der Entwicklung von opentransfer.de dabei. Nach einer Station bei der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, leitet er die Kommunikation bei der Stiftung Bürgermut.

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