Chancen und Nebenwirkungen
Skalierung sorgt für jede Menge Veränderung im Team und der ganzen Organisation. Die internen Prozesse und Strukturen werden auf den Prüfstand gestellt, Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche ändern sich und müssen oft genug neu gedacht werden. Welches genau sind die Chancen und Risiken, mit denen eine strategische Verbreitung verbunden ist? Wir haben die wichtigsten zusammengestellt, die ihr unbedingt kennen solltet. Sie helfen dabei, die grundsätzliche Entscheidung pro oder kontra Skalierung zu fällen.
Chancen: Wohin euch die Skalierung tragen kann
Die Verbreitung eines Angebots oder einer Organisation sorgt für jede Menge Impulse. Für all diejenigen, die gern zu neuen Ufern aufbrechen, ist es eine große Chance zur Weiterentwicklung. Hier seien vier gute Gründe für die Weitergabe genannt.
Mehr Wirkung für eure Mission
Dies dürfte das stärkste Argument für eine Skalierung sein: Man erzielt mit seinem Ansatz eine größere Wirkung. Zuerst hat man sein inklusives Leseprojekt an einer Grundschule zusammen mit 40 Kindern umgesetzt. Geht man mit dem Projekt an zehn Grundschulen in derselben Stadt oder einer anderen Region, erreicht man 600 Schüler:innen, die alle wertvolle Erfahrungen machen können und Kompetenzen erwerben.
„Mit unserer Telefonberatung haben wir von Freiburg aus suizidgefährdete Jugendliche in ganz Deutschland erreicht. Wegen der hohen Resonanz mussten wir allerdings 80 Prozent der Anfragen ablehnen. Unsere Kapazitäten mit 40 Peer-Berater:innen reichten einfach nicht. Wir wussten, dass wir etwas tun müssen. Es war ein unhaltbarer Zustand, und es war klar, wir mussten wachsen.“ Jakob Henschel, Suizidpräventionsangebot U25, Deutscher Caritasverband e.V.
Das Konzept gemeinsam verbessern
Skalierung funktioniert nicht als Einbahnstraße, bei der ein Ideengeber sein Konzept weitergibt, damit es 1:1 an einem anderen Ort umgesetzt wird. Vielmehr entstehen Austausch- und Lernbeziehungen zwischen ganz unterschiedlichen Partner:innen. Eine kluge Vernetzung ermöglicht es, dass lokale Erfahrungen, Verbesserungsvorschläge oder Weiterentwicklungen zurückfließen und im gesamten Netzwerk geteilt werden. Das ursprüngliche Konzept entwickelt sich so permanent weiter.
Ressourcennutzung
Übernimmt eine Organisation ein bewährtes Modell, spart diese Zeit, Geld und viel Energie. Gerade im Non-Profit-Bereich, der in großen Teilen finanziell nicht ausreichend ausgestattet ist, kann dies ein interessantes Angebot sein. Das Rad muss, wie es das Sprichwort sagt, nicht immer wieder neu erfunden werden.
„Damit nicht jeder das Rad neu erfinden muss, möchten wir die Erfahrungen der bestehenden Standorte sammeln und dokumentieren. So wollen wir neuen Standorten den Start erleichtern und eine nachhaltige Wirkung erzielen. Das alles mit dem Ziel, dass noch mehr Senior:innen gesellschaftliche Teilhabe und Mobilität im Alter erleben.“ Natalie Chirchietti, Radeln ohne Alter
Bekanntheitsgrad und Renommee
Je nach Skalierungsmethode kann das Skalierungsprojekt von einem gemeinsamen Namen, vielleicht sogar einer Marke mit wachsender Bekanntheit profitieren. Ein Angebot wird über das Quartier oder die Gemeinde hinaus bekannt, der Name prägt sich ein und wird mit Seriosität und Verlässlichkeit verbunden. Dafür sorgen nicht zuletzt gemeinsam vereinbarte Qualitätsstandards.
Risiken und Nebenwirkungen einer Skalierung
Wer skaliert, geht auch ins Risiko! Sein bewährtes Konzept exklusiv am Ursprungsort umzusetzen ist eine sehr viel sicherere Bank, als in die Verbreitung zu gehen. Hier seien vor allem drei Risiken genannt, die noch lange nicht über Fortbestand oder Ende der Organisation entscheiden, die man aber nicht unterschätzen sollte.
Starke Veränderung
Häufig stellt eine Skalierung das Team auf den Kopf. Kümmerte man sich vorher um das Angebot an einem Ort, geht es jetzt darum, die Gründung und den Betrieb von Teams an anderen Orten zu organisieren oder zumindest gut zu begleiten. Ganz neue Rollen entstehen, Aufgabenfelder ändern sich. Wenige Dinge verwandeln eine Organisation so stark wie die Verbreitung. Auf dem Weg dorthin kann die Arbeitsbelastung stark steigen, Überforderung kann sich einstellen, Mitstreiter:innen können abspringen.
Verwässerung des Konzepts
Mit der Skalierung wird das Konzept in den meisten Fällen an Partner:innen oder entfernt arbeitende Mitstreiter:innen weitergegeben. Inwieweit das Konzept mit den gewünschten Qualitätsstandards umgesetzt wird, kann und soll zwar überprüft werden, aber nicht lückenlos. Die Freiheit zur Adaption vor Ort birgt das Risiko, dass wichtige Bestandteile aufgeweicht werden.
Kosten
Je nach Skalierungsmethode sind die Kosten für eine Organisation sehr unterschiedlich. In keinem Fall aber ist eine Verbreitung zum Nulltarif zu haben. Selbst bei einer sehr offen angelegten Skalierung werden mehr Arbeitskraft und auch finanzielle Mittel gebraucht. Skalierung kann zur Herausforderung für das Fundraising werden – und betrifft prinzipiell alle Handlungsebenen einer Organisation.
Definition Skalierungskosten
Der Begriff bezeichnet die Kosten, die für eine Skalierung kalkuliert werden müssen. Dabei gilt, dass die Kosten mit der Komplexität des zu skalierenden Projekts oder der Organisation steigen. Schließlich ist der Aufwand sehr viel höher, wenn man ein anspruchsvolles Vorhaben an einem anderen Ort an den Start bringen will. Der zweite Faktor für die Skalierungskosten ist der Anpassungsaufwand an andere Gegebenheiten vor Ort (zum Beispiel divergierende Zielgruppen, andere Partner:innen, abweichender rechtlicher Rahmen).
Übungen zu Chancen und Risiken
Überlegt euch, wie eine Skalierung einzelner Bereiche eure Organisation positiv und negativ beeinflussen würde. Was überwiegt? Gibt es Risiken, die ihr auf keinen Fall eingehen könnt – da es zum Beispiel eurer Zielgruppe schaden würden?
Dafür haben wir ein PDF vorbereitet, das ihr wie ein Formular ausfüllen und abspeichern könnt!
Wenn ihr Risiken entdeckt – nicht gleich die Flinte ins Korn werfen! Informiert euch in den folgenden Kapiteln, unter welchen Bedingungen diese Risiken beherrschbar werden können!
Der Text ist in der Publikation: „Wirksam wachsen. Das Praxishandbuch für Non-Profit-Organisationen“ entnommen. Diese kann hier kostenlos heruntergeladen werden: https://opentransfer.de/wirksamwachsen
Der Artikel ist lizensiert unter: CC BY-NC-ND 4.0. Er kann also bei Nennung des Herausgebers (Stiftung Bürgermut) für nicht-kommerzielle Zwecke und ohne Bearbeitung verwendet werden.
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Ein Plädoyer für und gegen eine Verbreitung