Autismus Quergedacht: Wie die Innensicht von Autismus zur Inklusion beitragen kann
Aleksander Knauerhase, Blogger, beim openTransfer CAMP Inklusion in Düsseldorf am 21. März 2015
Aufgrund seines Autismus‘ wurde Aleksander Knauerhase immer wieder falsch wahrgenommen, pauschal beurteilt und in Schubladen gesteckt. Irgendwann reichte es ihm, er begann zu bloggen, veröffentlichte ein Buch und klärt als Referent über die ganz unterschiedlichen Ausformungen von Autismus auf. In seiner Session holte er Ratschläge ein, wie er sein Angebot noch verbessern kann.
Aleksander Knauerhase erhält erstmalig als Erwachsener eine die Diagnose Autismus. Was für ihn zunächst eine Erleichterung, weil glaubhafte Erklärung für seine Art der Wahrnehmung ist, bereitet ihm dann doch Sorge. Er bemerkt und erfährt am eigenen Leib, dass Autismus stets defizitär gedacht wird und mit bestimmten Fähigkeiten oder Verhalten gleichgesetzt wird, wie z. B. Inselbegabung, geistige Behinderung, Leben in einer eigenen Welt, Gefühlskälte und ähnliches. Er spürt den Druck des Sich-erklären-müssens gegenüber den z. T. extremen Bewertungen Außenstehender, wie: „Stell Dich nicht so an – Deinen Autismus merkt man nicht.“ und „Autismus? – Dann kannst Du das nicht“. Aleksander Knauerhase sorgt sich zudem um seine berufliche Zukunft, da er befürchtet, von Arbeitgebern aufgrund seiner Diagnose abgelehnt oder unter seinen Möglichkeiten beschäftigt zu werden. Auch die Chance seiner Altersvorsorge erscheint ihm nun fragwürdig. Besonders betroffen macht ihn die für ihn so offensichtliche Fehleinschätzung im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen: Als Autist sei er nicht fähig, den notwendigen Reha-Anweisungen zu folgen. Dieses Gutachten wirkt auf ihn wie ein Urteil herausgegriffen aus einem Katalog, aber nicht wie eines, das seinen tatsächlichen Fähigkeiten, Begabungen und Einstellungen entspricht. Dieses Gutachten stellt für ihn die eigentliche Behinderung dar, da sie ihm die Inanspruchnahme von Reha verhindert, statt ermöglicht. Er empfindet starke Wut, über das was ihm da wiederfährt, und beginnt sich via Blog Luft zu verschaffen. Er spürt, wie ihn das Schreiben befreit und er andere Interessierte und Betroffene erreicht. Das ist die Wende.
Aus Wut wurde Antrieb, Selbstreflexion, Berufung – und ein Angebot
Aleksander Knauerhase nimmt seinen Wunsch nach Inklusion selbst in die Hand. Er erklärt in seinem Blog Autismus aus Sicht eines Autisten. Sein wichtigstes Anliegen ist ihm, kurz und knapp zu erklären, was die Gemeinsamkeit bei allen Autisten ist: die große Bandbreite der Erscheinungsformen und die Tatsache, dass die Wahrnehmung der Schlüssel zum Autismus ist. Er verwendet dafür ein eindrückliches Vier-Farben-Symbol-Modell-Bild, das den Aspekt des Reizfilters, wie er bei Autisten oft schwächer bis gar nicht funktioniert, verdeutlicht. Des Weiteren stellt er den Außenansichten seine und andere Innenansichten gegenüber. Er erreicht damit Betroffene, Angehörige und Fachkräfte – und nicht zuletzt sich selbst. Das Schreiben, Informieren, Aufklären hilft ihm, seine Diagnose zu verarbeiten und seinen ganz eigenen Autismus immer genauer zu entdecken. Dabei helfen ihm die Fragen seiner Leser: „Was ist das Autistische an mir?“, „Was bin ich?“, „Wie kann ich einen Unterschied erklären, wenn ich eigentlich nur meine Seite kenne?“ So bringt er seine Innenansichten ans Licht und trägt damit einen Teil zur gegenseitigen Verständigung und des Einfühlens bei – die wichtigste Voraussetzung für gelingende Inklusion.
Aleksander Knauerhase schreibt zu seinen Erkenntnissen ein Buch und kann es mit großem Einsatz von Unterstützern per Crowdfunding veröffentlichen. Darüber hinaus konzipiert er Gesprächsrunden und bietet diese an. Sie starten stets mit einem 30-minütigen Vortrag zum Thema und ermöglichen anschließend ein offenes intensives Gespräch mit den Teilnehmern für die Dauer von ca. drei Stunden. Das Konzept ist für verschiedene Zielgruppen wie Angehörige, Erzieher/Lehrer sowie Fachkräfte aus dem sozialen Bereich anpassbar. Für dieses Jahr sind sechs Gesprächsrunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz geplant. Darüber hinaus entwickelt er ein Weiterbildungsangebot. Seit März 2015 ist Aleksander Knauerhase auch Inklusionsbotschafter des ISL e. V.
Aktuelle Herausforderungen für die Multiplikation des Thema und für Aleksander Knauerhase als Referent:
– Angebot ist noch zu wenig bekannt
– Skepsis gegenüber einem Autisten als Referent
– Innenansichten sind vielen nicht bekannt
– Dominanz der bestehenden Informationsquellen (siehe oben)
– Vermarktung und Konkurrenzdenken unter Themenanwälten
– entstehende Kosten für die Teilnehmer müssen überschaubar bleiben
– eigene Kosten oft nicht gedeckt
Aleksander Knauerhase braucht für seine Aufklärungsaktivitäten Unterstützung bei der lokalen Organisation von Vorträgen und Gesprächsrunden, Erstattung von Auslagen, Hilfe bei der Werbung für sein Angebot, Zuschüsse um Teilnehmergebühren gering zu halten, Hinweise auf weitere Quellen für Innenansichten von Autisten.
Tipps der Session-Teilnehmer:
– eigenen YouTube-Kanal einrichten und auszugsweise Mitschnitte von Vorträgen und Gesprächsrunden präsentieren
– Interviews von Aleksander Knauerhase mit Betroffenen zu Innenansichten aufzeichnen (Film, Blog, o. ä.)
– offensiv Literaturhinweise geben zu von Autisten verfassten Texten, die deren Innenansicht beschreiben, wie z. B. „Buntschatten und Fledermäuse“ von Axel Brauns, „Schattenspringer“ von Daniela Schreiter
– offensive inhaltliche Angebotswerbung via Soziale Medien wie z. B. facebook, YouTube, Twitter
3 Kommentare bei “Autismus Quergedacht: Wie die Innensicht von Autismus zur Inklusion beitragen kann”