Dokumentation des #otc Zusammenhalt in Erfurt



Klare Haltung, kreative Formate und starke Netzwerke
Am 19. & 20. Juni luden wir gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Plattform e.V. sowie den Netzwerkpartner:innen MigraNetz Thüringen und dem Landessportbund Thüringen zum openTransfer CAMP Zusammenhalt in den Kontor Erfurt ein. Über 80 engagierte Menschen aus Ostdeutschland kamen unter dem Motto “Stabil bleiben – jetzt erst recht!” zusammen, um Erfahrungen und Ideen zu teilen, voneinander zu lernen und konkrete Methoden und Formate für mehr demokratische Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu entwickeln. Die zwei Tage in Erfurt waren geprägt von einem bestärkenden und inspirierenden Austausch, der den Beteiligten trotz des Drucks von Rechts, Ressourcenknappheit und Rückzugsbewegungen Mut machte, sich weiter aktiv für Zusammenhalt und Vielfalt in der Gesellschaft einzusetzen.
In 19 Sessions am ersten Tag wurden u. a. vier Beteiligungsformate vorgestellt, die auf unterschiedliche Weise Dialog und Teilhabe fördern – spielerisch, digital oder im öffentlichen Raum. Die Sessions rückten dabei die Frage in den Fokus, wie Austausch auf Augenhöhe gelingen kann. Solche vielfältigen Austauschräume regen dazu an, eigene Erfahrungen und Vorurteile zu reflektieren und demokratisches Bewusstsein zu stärken.
Menschen mit Behinderungen, rassifizierte Menschen und Queers* stehen aktuell besonders unter Durck. Organisationen, die sich für diese Gruppen einsetzen, zeigten in ihren Sessions, wie Zugänge und Empowerment gelingen können. Es ging auch um die Frage, wie jenseits klassischer Zentren Räume für Selbstbestimmung, die unter besonders herausfordernden Bedingungen stehen, erhalten und geschützt werden können.
Um lokale Wirksamkeit gegen Radikalisierung durch Community Organizing, zivilgesellschaftliche Begegnungsorte oder Bildungsarbeit ging es in weiteren Sessions. Darin wurde deutlich, dass zivilgesellschaftliches Engagement vor Ort Menschen aktiviert, Allianzen bildet und handlungsfähig gegenüber demokratiefeindlichen Tendenzen macht.
Wie können gemeinnützige Organisationen Haltung zeigen und Spielräume für politische Mitbestimmung nutzen – über das Wählen hinaus? Beispiele und Tipps zu Anpassungen im Leitbild, Satzungen sowie Ideen für Kampagnen im Rahmen der anstehenden Landtagswahlen wurden als konkrete Werkzeuge vorgestellt, mit denen Organisationen ihre Haltung zeigen und aktiv politische Räume mitgestalten können.
In einer Zeit wachsender demokratischer Herausforderungen und schrumpfender öffentlicher Fördermittel müssen zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Finanzierung breiter aufstellen. Die Sessions zeigten, wie vielfältige Einnahmequellen – von Mikroförderung über Stiftungen bis zu Spendenparlamenten – nicht nur mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ermöglichen, sondern auch Voraussetzung für Skalierung und strategische Weiterentwicklung sind. Wer sich von reiner Projektlogik hin zu langfristiger Prozessförderung bewegen will, braucht finanzielle Stabilität – und den Mut, neue Wege zu gehen.
Stärkend wirkten auch die praxisnahen Workshops zu Stimmtraining und erfolgreichem Lobbying sowie Exkursionen zu Orten der aktiven Zivilgesellschaft in Erfurt am zweiten Tag des Barcamps.
Immer wieder wurde deutlich: Engagement braucht gute Ideen – aber auch Räume, Ressourcen und Rückhalt. Das openTransfer CAMP bot dafür eine Plattform und zeigte einmal mehr: Zusammenhalt beginnt mit Zuhören, gemeinsamen Fragen und dem Mut, neue Wege zu gehen.
Viel Spaß beim Stöbern durch die Dokumentation der Barcamp-Sessions vom 19. Juni und Workshops vom 20. Juni!



Dialog & Beteiligung fördern
Das Projekt:
Das Projekt Weitersagen sammelt und schafft Raum für persönliche Geschichten, kollektives Erinnern und Gespräche über Wandel – gerade in ostdeutschen Regionen. Ziel ist es, Veränderungen und was wir daraus für die Transformationsprozesse in der Gegenwart lernen können, nicht abstrakt, sondern ganz konkret erlebbar zu machen: durch individuelle Erfahrungen, offene Ohren und gegenseitiges Zuhören. Das passiert über ein Erfahrungsarchiv, eine Ausstellung und begleitende Erzählcafés.
“Weitersagen” ist eine Initiative des Programmbüro Neulandgewinner und wird unterstützt durch Neuland gewinnen e.V., openTransfer Zusammenhalt (Stiftung Bürgermut), die Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, Zukunftswege Ost, die Zeit Stiftung Bucerius sowie durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Programm „Demokratie leben!“.
Worum ging es in der Session?
Im Erzählcafé ging es um persönliche Erfahrungen mit gesellschaftlichem, beruflichem und biografischem Wandel. Die Teilnehmenden brachten ihre Geschichten mit – von Wendeerlebnissen über familiäre Prägungen bis hin zu individuellen Entscheidungen mit politischer Dimension. Das Gespräch war geprägt von Nähe, Nachdenklichkeit und vielen Aha-Momenten. Es wurde spürbar, wie mächtig persönliche Narrative sein können – und wie sie verbinden, über Generationen und Hintergründe hinweg.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Wandel ist eine Konstante – aber die Ressourcen, ihn zu gestalten, sind ungleich verteilt.
• „Bei uns im Ländlichen ist es so: Entweder du machst etwas selbst– oder es passiert nichts.“
• Erinnerung kann empowern – z. B. durch Erkenntnisse wie: „Wenn du etwas verändern willst, musst du die Klappe aufmachen und sagen, was du willst.“
• Geschichten zeigen, wie Selbstwirksamkeit wachsen kann – oder auch an strukturellen Grenzen scheitert.
• Eine Teilnehmerin berichtete über Identitätserfahrungen in Leipzig und Berlin: „In Leipzig wurde ich zum ersten Mal ostdeutsch – in Westberlin zum zweiten Mal.“
• Wandel erzeugt oft Erschöpfung – das wurde spürbar: „Es ist wieder so, dass wir sehr viel Energie aufbringen müssen.“
• Reflexion über die Vergangenheit braucht Raum – und Menschen, die zuhören.
• Wichtig für die Umsetzung solcher Formate: gute Moderation, sichere Räume, und passende methodische Begleitung.
• Ressourcen: Hinweise zur Moderation z.B. im Umgang mit dominanten Sprecher:innen oder Emotionen & Leitfaden und Materialien für Einsteiger:innen vom Netzwerk Erzählcafé
• Weitere Erzähl-Projekte: Human Library & Jedermensch e.V.
Der Verein:
metro_polis e. V. schafft mit dem Projekt „Demokratie-Rat in der Straßenbahn“ mobile Räume für Bürger:innen-Gespräche mitten im Alltag – direkt im ÖPNV. Die Idee: Menschen dort zum Austausch einladen, wo sie ohnehin zusammenkommen – auf Augenhöhe, ungeplant, unverstellt. Ziel ist es, Räume für ehrliche, individuelle Gespräche zu schaffen – auch (und gerade) über gesellschaftliche Kontroversen.
Worum ging es in der Session?
Wie führt man konstruktive Gespräche in einer Gesellschaft, die von Polarisierung, Frust und Abgrenzung geprägt ist? Und zwar nicht im Tagungsraum, sondern in der Straßenbahn? Kristina Krömer teilte die Erfahrungen des Projekts metro_polis. Im Zentrum stand die Frage: Was macht ein Gespräch eigentlich konstruktiv? Und wie lädt man zu Dialog ein, wenn niemand mehr Lust hat zu reden?
Wichtigste Erkenntnisse:
• Die Straßenbahn als Raum: Menschen sind da, können nicht „weglaufen“ – und sind überraschend offen, wenn sie respektvoll angesprochen werden.
• Eine Vierer-Sitzgruppe ist ideal. 9 bis 15 Minuten Gesprächsdauer sind realistisch.
• Einstieg funktioniert über Emotionen und Körpersprache – wenige Sekunden entscheiden, ob jemand zuhört.
• Gamechanger: Erst nach der Meinung fragen, dann nach der persönlichen Erfahrung – das ändert alles. Viele merken: „Ich habe eigentlich gar keine eigene Erfahrung dazu.“ Das Gespräch wird konkreter, ehrlicher, menschlicher.
• Ziel ist, auf episodische, selbstgemachte Erfahrungen zu kommen – sie können nicht abgesprochen oder pauschalisiert werden, schaffen aber Verständnis.
• Vorsicht bei Abstraktionen: Begriffe wie „die Politik“ oder „die Ausländer“ verhindern echten Austausch.
• Die Gesprächsleiter:innen verstehen sich als Stellvertreter:innen all der Menschen, die schon gesprochen haben – ihre Erfahrungen fließen ein.
• Konstruktiver Beitrag ist nicht unbedingt „freundlich“, sondern: erfahrungsbasiert, konkret, nachvollziehbar.
• Corona war ein Einschnitt: Viele Menschen sind desillusioniert – wollen nur noch sprechen, wenn sie glauben, dass sich wirklich etwas ändert.
• metro_polis bleibt dran – auch gegen Widerstände: „Die Leute haben nur auf die Frage gewartet: Was bewegt Sie in diesen Zeiten?“
Das Projekt:
Oh! wie Osten ist ein Bildungsprojekt rund um ein gleichnamiges Gesellschaftsspiel, das von Jule Henschel entwickelt wurde. Mit dem Spiel will Jule dazu beitragen, Klischees über Ost und West zu entkräften und neue Dialogräume zwischen Generationen und Lebensrealitäten zu schaffen. Ziel: Verständigung mit Leichtigkeit und Tiefgang.
Worum ging es in der Session?
Die deutsche Einheit ist politisch vollzogen – gesellschaftlich aber noch voller Missverständnisse. In der Session spielten die Teilnehmenden „Oh! wie Osten“ und reflektierten dabei gängige Klischees zu Ost und West. Danach wurde es kreativ: Ausgehend von der Frage „Welchen Feiertag würdest du einführen?“ entstanden eigene Visionen einer gemeinsamen Zukunft.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Ost-West-Klischees prägen bis heute unsere Sprache, Bilder und Vorstellungen – und führen oft zu Pauschalisierungen.
• Spiele wie „Oh! wie Osten“ schaffen sichere Räume für ehrlichen Austausch – generationsübergreifend und niedrigschwellig.
• Das Spiel eignet sich besonders für Bildungsarbeit, Workshops, Schulklassen, politische Bildung und Community-Arbeit.
• Es funktioniert bewusst ohne Leistungsdruck oder Wettbewerb – der Fokus liegt auf Zuhören, Erzählen, Perspektivwechsel.
• „Mauern gibt es keine mehr – aber Mauern in den Köpfen bleiben. Das Spiel hilft, sie gemeinsam abzubauen.“
• „Dialog beginnt mit einer guten Frage – das Spiel liefert viele davon.“
Der Verein:
Liquid Democracy ist ein gemeinnütziger Verein aus Berlin, gegründet 2009 von zwei Studierenden mit der Idee, Demokratie flexibler und zugänglicher zu machen. Das heute rund 20-köpfige Team entwickelt digitale Beteiligungsplattformen, mit denen Bürger:innen, Verwaltung und Politik gemeinsam Ideen diskutieren und Entscheidungen treffen können. Ihre Vision: Demokratie für alle – digital, offen und alltagstauglich.
Worum ging es in der Session?
In der Session ging es um die Frage, wie man Kommunen, Organisationen und Initiativen fit für digitale Demokratie macht – und was es dazu eigentlich braucht. Vorgestellt wurde unter anderem
adhocracy+, die Beteiligungsplattform von Liquid Democracy. Außerdem haben wir gemeinsam diskutiert: Welche Barrieren gibt es? Welche Tools helfen wirklich weiter? Und wie gelingt es, verschiedene Gruppen mitzunehmen – online wie offline?
Wichtigste Erkenntnisse:
• Liquid Democracy will Demokratie „verflüssigen“ – also starre Strukturen aufbrechen und mehr echte Mitgestaltung ermöglichen.
• Die Plattform adhocracy+ erlaubt es Organisationen, eigene Beteiligungsprojekte zu starten – Kommunen nutzen sie besonders häufig.
• Finanzierung von Liquid Democracy ist ein Mix aus Projektgeldern, öffentlichen Ausschreibungen und Softwareentwicklung – Förderstrukturen für NGOs im Tech-Bereich sind oft noch ausbaufähig.
• Projekte wie meinBerlin, Kosmo (Moderationsassistent), DeFaKtS (KI gegen Desinformation) oder ARPAS (AR für Stadtentwicklung) zeigen, wie vielfältig digitale Tools eingesetzt werden können.
• Herausforderungen: Mehrsprachigkeit, Inklusion und die Frage, wie man marginalisierte Gruppen erreicht – zum Beispiel ältere Menschen.
• Aktivierung vor Ort liegt meist bei den Kommunen – Liquid Democracy stellt die Technik, nicht die Menschen.
• Spannendes neues Format: Späti-Parlamente – Beteiligungsstationen im öffentlichen Raum für hybride Beteiligung.



Zugänge und Empowerment – marginalisierte Gruppen stärken
Die Initiative:
Queeres Döbeln ist eine queere Selbstorganisation im sächsischen Hinterland, die sich für mehr Sichtbarkeit, Schutz und Community-Aufbau in Döbeln und der Region einsetzt. Ocean Hale Meißner ist eine der zentralen Stimmen der Initiative – als queere Person, die selbst in Döbeln aufgewachsen ist und sich seit Jahren gegen Diskriminierung und für eine offene Gesellschaft engagiert. Sichtbarkeit ist möglich – aber sie braucht Rückhalt, Ressourcen und Schutz.
Worum ging es in der Session?
In dieser Session ging es um die Realität queerer Aktivist:innen im ländlichen Raum – zwischen Isolation, Mut, Bedrohung und Selbstorganisation. Ocean teilte persönliche Erfahrungen und konkrete Strategien aus der Arbeit in Döbeln und darüber hinaus. Der Fokus lag auf der Frage, wie queeres Leben sichtbar gemacht werden kann, ohne Menschen zu gefährden – und wie Menschen, auch ohne direkte Betroffenheit, unterstützen können. Gemeinsam wurden Herausforderungen benannt und Handlungsideen gesammelt.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Sichtbarkeit queerer Menschen im ländlichen Raum ist politisch und persönlich riskant – mit steigender Sichtbarkeit nimmt die Sicherheit ab.
• Queere Safe Spaces sind überlebenswichtig – Orte ohne Diskriminierung, ohne Deadnaming, mit Respekt.
• Projekte wie die Wanderausstellung „Solche Leute gibt’s hier nicht“ (seit 2022 unterwegs) zeigen Wirkung: Menschen vernetzen sich, neue Gruppen entstehen.
• CSDs sind oft Initialzündung – durch niedrigschwellige, sichere Beteiligung entsteht Community.
• Gefährdungsschutz ist zentral: Queere Personen bei Demos in die Mitte stellen, antifaschistische Gruppen als Schutz nach außen. Öffentlichkeit bewusst dosieren, Anonymisierung ermöglichen
• Solidarität darf nicht von Betroffenheit abhängen – alle können etwas beitragen.
• Es braucht (mehr) Investitionen in queere Bildungsarbeit. Wir müssen Sichtbarkeit stärken, ohne Einzelpersonen zu überfordern. Engagierte Einzelpersonen müssen finanziell und strukturell (besser) abgesichert werden.
• Das Bild vom Osten ist im Wandel – mediale Aufmerksamkeit nimmt zu, aber nicht immer mit realistischer Perspektive.
• Broschüre „WIR sind das bunte Hinterland“ (PDF)
Der Verein:
thadine steht kurz für Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk. Der Verein macht sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung stark und unterstützt Organisationen dabei, Barrieren zu erkennen und abzubauen.
Worum ging es in der Session?
Eine stabile Zivilgesellschaft fördert und fordert Inklusivität. Immer mehr Akteure setzen sich für marginalisierte Gruppen ein, doch begrenzte Ressourcen und fehlendes Bewusstsein erschweren echte Teilhabe. Gemeinsam haben wir hinterfragt, wo Strukturen – bewusst oder unbewusst – ausschließen.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Teilhabe bedeutet mehr als Rampen für Rollstühle einzubauen: Sprache, Haltung, Informationszugang und Arbeitsplatzgestaltung sind genauso wichtig.
• Nur sehr wenige Menschen mit Behinderung sind hauptamtlich in der Zivilgesellschaft beschäftigt – warum eigentlich?
• Dimensionen von Barrieren im Alltag: physisch, psychisch, sozial
• Praxis-Tipp: Einfache Sprache ermöglichen (z. B. rote Karte hochzeigen als Signal, dass etwas unverständlich bzw. zu kompliziert formuliert ist)
• Praxis-Tipp: wissen, wo die nächsten barrierefreien Toiletten sind – auch wenn in den eigenen Räumlichkeiten (noch) keine vorhanden sind
• Umbaumaßnahmen zum Barriereabbau sind teuer: Aktion Mensch kann da unterstützen
• Fachtag von thadine am 3. September in Erfurt zum Thema inklusive Zivilgesellschaft – mit Workshops zu Leichter Sprache, Öffentlichkeitsarbeit, unsichtbaren Behinderungen
• „Inklusion ist kein Extra – sie ist Voraussetzung.“
Das Projekt:
NEUSTAD(t)RAUM ist ein Projekt aus Dresden, das sich für mehr Barrierefreiheit und Teilhabe in der Dresdner Neustadt einsetzt – bei Stammtischen, in politischen Gremien und im Austausch mit der Nachbarschaft. Ziel ist ein Viertel, in dem alle selbstbestimmt leben, sich bewegen und begegnen können.
Worum ging es in der Session?
Tom gab Einblick in die Praxis von NEUSTAD(t)RAUM: Was heißt Barrierefreiheit eigentlich im Alltag? Und wie gelingt es, ohne klassische Vereinsstruktur eine Community mobilisieren? Die Initiative macht genau das – zum Beispiel durch monatliche Stammtische in wechselnden Lokalen, um bewusst auf Barrieren hinzuweisen. Neben Alltagsaktionen betreibt NEUSTAD(t)RAUM politische Lobbyarbeit, berät Organisationen, die barrierefrei werden wollen, kämpft gegen Denkblockaden und Denkmalschutz (den „Endgegner“ der Barrierefreiheit) – und stellt vor allem die Frage: Was braucht das Viertel eigentlich?
Wichtigste Erkenntnisse:
• Der Ansatz von NEUSTAD(t)RAUM: niedrigschwellig, direkt, persönlich – z. B. durch Stammtische vor Ort.
• Nur 3 % der 180 Lokalitäten in der Dresdner Neustadt sind barrierefrei – der Handlungsbedarf ist riesig.
• Denkmalschutz ist oft ein Hindernis, wenn es um bauliche Anpassungen für Inklusion geht.
• Politische Präsenz ist wichtig – etwa in Ausschüssen und Stadtteilgremien.
• Zentrale Fragen: Wo sind die Begegnungsorte im Viertel? Was braucht es, um allen Menschen Mobilität und Teilhabe zu ermöglichen? Wie lässt sich das Viertel besser an den ÖPNV anbinden – für alle, die nicht „mal eben loslaufen“ können?
• Die Idee eines Stadtteilzentrums steht im Raum – als Ort für gemeinsame Anliegen und Angebote. Aber: Es braucht Ressourcen, Mitstreiter:innen und politischen Willen.
• Special-Interest-Formate (z. B. Barrierefreiheit & Kultur, oder Mobilität & Pflege) können helfen, Communitys gezielt zu aktivieren.
• NEUSTAD(t)RAUM zeigt: Auch ohne Verein, mit klarer Haltung und lokalem Fokus kann Veränderung angestoßen werden.
Der Verein:
Der Flüchtlingsrat Thüringen ist eine unabhängige Menschenrechtsorganisation, die sich seit den 1990er-Jahren für das Recht auf Asyl und den Schutz geflüchteter Menschen in Thüringen einsetzt. Mit einem Team von rund zehn Mitarbeitenden arbeitet der Verein an der Schnittstelle von politischer Lobbyarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und individueller Beratung – sowohl für Geflüchtete als auch für Fachkräfte aus Sozialarbeit, Recht und Verwaltung.
Worum ging es in der Session?
Wie lebt es sich in Thüringen nach der Flucht – zwischen rechtlicher Unsicherheit, Isolation und öffentlicher Ablehnung? Adam Alazawe gab einen fundierten Überblick über rechtliche Grundlagen des Asylrechts, historische Entwicklungen und aktuelle politische Tendenzen. Dabei wurde deutlich: Das Recht auf Asyl wird zunehmend ausgehöhlt, während gleichzeitig flüchtende Menschen entmenschlicht, kriminalisiert und systematisch entrechtet werden. Es ging um Zahlen, um Strukturen – und um die dringende Frage, wie solidarische Gegenbewegungen aussehen können.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Das Recht auf Asyl ist in der UN-Menschenrechtscharta (1948) und der Genfer Flüchtlingskonvention (1951) verankert – doch politisch wird es heute vielfach ignoriert oder ausgehöhlt.
• Weltweit sind 123 Mio. Menschen auf der Flucht (Stand Mitte 2024) – Tendenz steigend, auch durch Klimakatastrophen (die völkerrechtlich nicht anerkannt sind).
• In Deutschland gibt es quasi keine legalen Einreisewege für Schutzbedürftige – alle Geflüchteten gelten formal als „illegal“.
• Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) leben in Isolation – und unter Bedingungen, die oft grundlegende Rechte verletzen.
• Die Bezahlkarte ersetzt in einigen Bundesländern Bargeld oder Gutscheine – jedoch wird sie in vielen Läden abgelehnt. Ergebnis: Diskriminierung durch strukturelle Einschränkung.
• Auf politischer Ebene erleben viele Unterstützer:innen massive Frustration, weil staatliche Versprechen nicht eingehalten und bestehende Rechte untergraben werden.
• Zentrale Fragen aus der Diskussion: Wie können wir neue Allianzen bilden – z. B. mit Unternehmen oder zivilgesellschaftlichen Partner:innen? Wo braucht es unabhängige Finanzierung jenseits staatlicher Fördertöpfe? Wie können wir öffentlichkeitswirksam auf Missstände aufmerksam machen – z. B. mit Aktionen gegen die Bezahlkarte?
• Klarer Appell aus der Session: “Artikel 1 Grundgesetz und das Recht auf Asyl gelten – auch wenn sich die Politik nicht mehr daran hält.”



Lokal wirksam – Community stärken, Radikalisierung begegnen
Die Organisationen:
mediale pfade – Verein für Medienbildung e. V. engagiert sich seit vielen Jahren für politische Medienbildung mit digitalen Mitteln. Mit dem Projekt AntiAnti – Prävention von Onlineradikalisierung bringen sie Workshops an Schulen, in denen Jugendliche nicht nur lernen, digitale Medien kritisch zu reflektieren, sondern auch Radikalisierungsmuster zu erkennen. Der Fokus liegt dabei auf Empowerment, Freiwilligkeit und dem Aufbau demokratischer Gegenstrategien im Netz – immer nah dran an den Lebenswelten der Jugendlichen.
Das SV-Bildungswerk ist die Bildungsorganisation der Schüler:innenvertretungen in Ostdeutschland und stärkt junge Menschen in ihrer demokratischen Teilhabe. Ziel ist es, Jugendbeteiligung niedrigschwellig zu ermöglichen und gleichzeitig strukturell zu verankern – auch und gerade in Regionen, in denen rechte Kräfte versuchen, Räume zu besetzen. Das Bildungswerk bringt dabei wertvolle Einblicke in schulische Realitäten, Herausforderungen und Chancen für Demokratiearbeit in Ostdeutschland mit.
Worum ging es in der Session?
Die Session vereinte zwei Perspektiven: Einerseits die Erfahrung, dass rechte Haltungen unter Jugendlichen im Osten zunehmen, andererseits die Frage, wie wir dem als zivilgesellschaftlicher Akteur:innen begegnen können – on- und offline. Es wurde diskutiert, ob die Demokratiebildung bei jungen Menschen im Osten gescheitert ist – und was politische Medienbildung heute noch leisten kann. Gemeinsam wurden Erfahrungen, Zweifel, Fragen und Best-Practice-Ansätze geteilt.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Der Generalverdacht „Der Osten ist rechts“ greift zu kurz – aber rechte Präsenz in Schulen und Jugendszenen ist real.
• Demokratische Bildungsarbeit wird häufig erst dann angefragt, wenn es schon brennt – Feuerwehreinsatz statt Prävention.
• Schule als Ort für Prävention ist wichtig, aber nicht immer ideal – Freiwilligkeit und Selbstwirksamkeit müssen gestärkt werden.
• Online-Radikalisierung ist schwer zu fassen – Algorithmen, Filterblasen, Frust und fehlende Alternativen wirken zusammen.
• Viele Jugendliche verlieren ihre „Dritten Orte“ – Rechte Akteur:innen füllen diese Lücke.
• Zentrale Frage: Fokussieren wir uns auf die Radikalen oder stärken wir gezielt jene, die demokratische Grundwerte teilen?
• Die Arbeit wird komplexer – auch mental: zivilgesellschaftliche Fachkräfte erleben zunehmende verbale Gewalt und Überforderung.
• Demokratische Bildung muss neue Räume (auch digitale!) schaffen: VR, Games, digitale Utopien als Tools.
• Anerkennung für jugendliches Engagement muss sichtbarer werden – gerade in strukturschwachen Regionen.
• Wichtig: Jugendliche müssen sich wohl fühlen, um sich überhaupt einbringen zu können.
• Empfehlungen: Springerstiefel – die 90er sind zurück (Podcast) & Politische Bildung in reaktionären Zeiten (Buch)
Der Verein:
Initiative Jugend und Kultur e. V. (IJK) setzt sich für Toleranz, nachhaltige Stadtteilentwicklung und lokale Teilhabe in Cottbus ein. Durch Formate wie Sandow Community Power, Kiez macht Schmelle oder regelmäßige Plattenhofgespräche vernetzt IJK unterschiedliche Anwohner:innen und fördert gemeinschaftliches Engagement direkt vor Ort. Mit Formaten wie Haustürgesprächen, Beteiligungstreffs und Kulturfesten stärkt der Verein solidarische Nachbarschaften und macht Cottbus zu einem lebenswerteren Ort für alle.
Worum ging es in der Session?
In der Session ging es um Community Organizing in einem Stadtteil in Cottbus und die Frage, wie der Ansatz zum Aufbau einer Zivilgesellschaft genutzt werden kann, die resilient gegen Rassismus ist. Die Themen verbleiben im Kreis der Teilnehmenden.
Plattform e.V. / Stadtteilzentrum am Herrenberg
Die Organisation:
Das Stadtteilzentrum am Herrenberg ist ein von Plattform e.V. betriebenes, selbstorganisiertes Quartierszentrum in Erfurt Südost. Unter dem Motto „Aktivieren. Stärken. Beteiligen.“ versteht sich das STZ als offener Treffpunkt für alle Anwohnenden – ob beim Nachbarschaftskaffee, Theaterprojekten, Workshops oder im Gemeinschaftsgarten des Freien Gartens. Es ermöglicht Menschen, eigene Ideen umzusetzen und stärkt so nachbarschaftlichen Zusammenhalt direkt vor Ort. Das STZ begleitet Nachbar:innen auf Augenhöhe, fördert Kommunikation mit Stadtteilgremien und Quartierskonferenzen und vernetzt lokale Initiativen mit Verwaltung und Trägern.
Worum ging es in der Session?
Das Stadtteilzentrum am Herrenberg berichtete über die Quartiersarbeit in Erfurt, speziell Erfurt-Südost. Dabei ging es um das Netzwerk der Stadtteilkonferenz Erfurt Südost, die Arbeitsgruppe Werte und Haltung sowie den Umgang mit der rechtsextremen Szene im Quartier. Wie können wir Solidarität aufbauen?



Haltung zeigen – Spielräume für politische Betätigung nutzen
Die Initiative:
Daniel Kruse ist Initiator des Vorhabens „Im Osten geht die Sonne auf“, die sich mit Blick auf die Landtagswahl 2026 in Mecklenburg-Vorpommern dafür einsetzt, demokratische Mehrheiten zu stärken. Das Vorhaben befindet sich aktuell in der Aufbau- und Fundingphase und sucht Partner:innen vor Ort für eine koordinierte zivilgesellschaftliche Strategie gegen den Rechtsruck.
Worum ging es in der Session?
“Im Osten geht die Sonne auf” will im Vorfeld der Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern ein breites, strategisch agierendes Bündnis zur Stärkung der Demokratie aufbauen. Ziel ist es, vorhandene zivilgesellschaftliche Initiativen, Akteur:innen und Formate besser zu vernetzen und koordinieren, um gezielt Einfluss auf die Landtagswahl 2026 zu nehmen. In der Session wurde diskutierte wie die strategische Rahmensetzung für die gegenseitige Aufwertung bestehender Aktivitäten und das Vernetzen der Akteur:innen gelingen kann.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Ziel: 100.000 zusätzliche Stimmen für demokratische Parteien – das wären ca. 8 % der Wahlbeteiligung in MV. Nicht gegen eine Partei, sondern für etwas Verbindendes kämpfen.
• „Tut, was ihr tut, aber lasst uns gucken, dass es räumlich und zeitlich passt.“ – gemeinsame Taktung und Kommunikation sind entscheidend.
• Wie schaffen wir Begegnung und Empowerment vor Ort? Zuhören, auf die Menschen zugehen und Gesprächsformate in die Fläche bringen?
• Mitmach-Formate („Spaten in die Hand“) & Mut-Reisen und andere Projektbesuche, um sich gegenseitig kennenzulernen und zu stärken
• Medienstrategie in Vorbereitung, inkl. Kampagnen auf TikTok, Instagram und Facebook – insbesondere für Erstwählende.
• Erfahrung aus Thüringen: Demokratische Parteien werden in manchen Regionen kaum wahrgenommen – Sichtbarkeit und Präsenz vor Ort fehlen
• (lokale) Wirtschaft als mögliche Partnerin für Demokratiearbeit
• Wir brauchen keine neuen Strukturen, sondern sinnvolle Ergänzung und Koordination des Bestehenden: „Eigentlich ist alles da“.
Sessiongebende: Aenne Kopprasch (Landessportbund Thüringen e. V.)
Der Verein:
Der Landessportbund Thüringen ist die zentrale Dachorganisation des organisierten Sports in Thüringen. Aenne Kopprasch begleitet dort Vereine im Themenfeld demokratische Kultur, Teilhabe und Werteentwicklung. Mit der Broschüre „Haltung zeigen mit Vereinsleitbildern“ gibt der LSB Thüringen praxisnahe Impulse, wie Sportvereine klare Werte sichtbar machen und sich nach innen und außen positionieren können.
Worum ging es in der Session?
Vereinsinterne Leitbilder zu erstellen ist kein neues Konzept. Gleichwohl steckt in solchen Prozessen viel von dem, was es zurzeit braucht: von der Klärung der eigenen Werte über die Handlungssicherheit bei Entscheidungen bis hin zu Impulsen für die Vereinsentwicklung. Im Fokus stand die Frage, wie Sportvereine ihre Haltung zu Themen wie Vielfalt, Fairness oder Teilhabe aktiv nach außen tragen können. Anhand der Broschüre „Haltung zeigen mit Vereinsleitbildern“ wurde aufgezeigt, wie Leitbildprozesse – wenn sie ernst gemeint sind – Vereine langfristig stärken und Veränderungen anstoßen können.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Sportvereine sind Orte der Begegnung – Haltung zeigen ist hier besonders wirksam, weil viele Menschen erreicht werden.
• Leitbilder helfen Vereinen, Position zu beziehen – gegen Diskriminierung, für ein faires und gutes Miteinander.
• Wichtig: Nicht von außen „draufstülpen“, sondern gemeinsam entwickeln – mit Mitgliedern, Trainer:innen, Eltern.
• Ein Leitbild kann Orientierung geben – bei Konflikten, im Umgang mit Neumitgliedern oder in der Öffentlichkeitsarbeit.
• Der Prozess zählt: Workshops, Diskussionen und Aushandlung stärken die Demokratie im Kleinen.
• Auch kleine Vereine können starten – es braucht kein Großprojekt, sondern echtes Interesse an Werten.
• Die Broschüre bietet: Praxisbeispiele, Leitfragen zur Entwicklung, Checklisten & Moderationstipps
Der Verein:
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) ist ein gemeinnütziger Verein, der sich mit strategischer Prozessführung für Grund- und Menschenrechte einsetzt – u. a. für freiheitlich-demokratische Strukturen, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie Transparenz im Staat. Joschka ist seit 2020 dort als Rechtsanwalt und Leiter des Schwerpunkts „Demokratie und Grundrechte“ tätig. Er berät regelmäßig Vereine zu Themen wie Gemeinnützigkeit, politischer Bildung und rechtssicherem zivilgesellschaftlichem Engagement.
Worum ging es in der Session?
Dürfen Vereine gegen Rechts aktiv werden, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden? Diese Session klärte auf: Das Gemeinnützigkeitsrecht erlaubt absprachefreie demokratische Positionierung, solange Satzungszweck, Neutralität und Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Joschka machte klar, dass viele Bedenken auf der „Schere im Kopf“ beruhen – gezielte politische Bildung und Protestaktivitäten unter bestimmten Bedingungen jedoch zulässig sind. Die wichtigste Botschaft: Zivilgesellschaft darf Haltung zeigen – rechtssicher und sichtbar.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Das Gemeinnützigkeitsrecht erlaubt mehr, als viele denken – die Angst vor Aberkennung ist häufig unbegründet.
• Die oft zitierte „Schere im Kopf“ ist bereits ein Erfolg der Rechten – sie verhindert Engagement, bevor es beginnt. Es gab keine flächendeckende Welle von Aberkennungen – bekannte Einzelfälle sind oft Ausnahmen mit Sonderkontext.
• Demos gegen Rechtsextremismus oder klare Positionierungen für Demokratie sind grundsätzlich erlaubt – sie dienen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO).
• Politische Äußerungen sind zulässig, wenn sie auf einen Satzungszweck bezogen werden können – dieser muss nicht immer genannt werden, sollte aber im Zweifel herleitbar sein.
• Parteipolitische Neutralität: Vereine dürfen keine Parteien fördern – aber sie müssen auch nicht alle einladen. Das staatliche Neutralitätsgebot gilt nicht für zivilgesellschaftliche Organisationen.
• Veranstaltungen mit parteipolitischem Bezug sind möglich, wenn sie thematisch geframet und satzungsgemäß begründet sind.
• Tipp: In Wahlkampfzeiten darauf achten, dass Kandidierende nicht im Namen der Organisation sprechen, um Trennung von Hauptamt und Wahlkampf deutlich zu machen.
• Satzungspflege lohnt sich – klare Zwecke definieren, bei Bedarf anpassen, aber nicht zu häufig ändern.
• Workshoptitel wie „So verhindern wir den AfD-Rechtsruck“ sind rechtlich möglich – sofern unabhängig von öffentlicher Förderung umgesetzt.
• Praxisbeispiel aus der Session: Eine Genossenschaft positionierte sich öffentlich mit „Keine Stimme für die AfD“ – abgeleitet aus ihren satzungsgemäßen Zielen. Ergebnis: vereinzelte Austritte, aber auch starke identitätsstiftende Wirkung – rechtlich problemlos.
• Empfehlung: Parteien ruhig benennen, wenn Begründung über Satzungszwecke möglich ist – Zuspruch und Kritik sind erlaubt.
• Wenn’s juristisch knifflig wird: Rechtsberatung einholen – manchmal hängt es tatsächlich auch vom zuständigen Finanzamt ab.



An Geld kommen in unsicheren Zeiten – aber wie?
Die Stiftungen:
Die Stiftung Mercator will Menschen und Organisationen dazu befähigen, gemeinsam an Weltoffenheit, Solidarität und Chancengleichheit zu arbeiten. In vier miteinander verbundenen Bereichen – Digitalisierte Gesellschaft, Klimaschutz, Europa in der Welt und Teilhabe & Zusammenhalt – konzentriert sie sich darauf, gesellschaftlich nützliche Veränderungen mit herbeizuführen.
Die Stiftung Bürgermut setzt sich für eine offene und vielfältige Gesellschaft, indem sie zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Arbeit stärkt und vernetzt. Sie unterstützt Engagierte und Non‑Profits durch Programme wie openTransfer, Workshops, Barcamps und Webinare, um Organisationen wirksamer zu machen und soziale Innovationen in die Breite zu tragen.
Worum ging es in der Session?
In dieser Session gaben Paula und Ramona einen praxisnahen Blick hinter die Kulissen der Stiftungswelt und zeigten Wege auf, wie zivilgesellschaftliche Initiativen, insbesondere in Ostdeutschland, tragfähige Partnerschaften mit Stiftungen aufbauen können. Die Session richtete sich an zivilgesellschaftliche Akteur:innen, die ihre Förderstrukturen strategisch ausbauen und diversifizieren möchten. Wie funktionieren Stiftungen – speziell mit Blick auf Ostdeutschland? Wie werden aus Anträgen echte Partnerschaften auf Augenhöhe?
Wichtigste Erkenntnisse:
• In Deutschland gibt es rund 25.000 Stiftungen, viele davon mit Förderpotenzial auch für kleinere Initiativen.
• Stiftungen als Partner:innen begreifen – es handelt sich um ein bilaterales Verhältnis, keine einseitige Mittelvergabe.
• Beziehungspflege: Förderer sollten regelmäßig informiert und zu Veranstaltungen eingeladen werden – auch wenn sie nicht erscheinen.
• Kommunikation mit Stiftungen ist eine Kernaufgabe und sollte personell abgedeckt sein.
• Persönlicher Kontakt ist oft der Türöffner – besonders auf Vernetzungsveranstaltungen wie den Barcamps von openTransfer
• „Stiftungsvertreter:innen sind es gewohnt, angesprochen zu werden – traut euch.“
• Stiftungssuche: z. B. über www.stiftungssuche.de, https://foerderdatenbank.d-s-e-e.de, www.stiftungen.org, www.netzwerk-stiftungen-bildung.de
• Wichtig bei der Anbahnung: Das Projekt muss klar, wirkungsorientiert und nachvollziehbar präsentiert werden.
• Typische Fehler vermeiden: unpersönliche Massenmails, unklare Projektziele oder fehlende Anschlussfähigkeit an die Stiftungslogik.
• Nutzt bestehende geförderte Projekte als Türöffner.
• Fragt nach Erfahrungen – Menschen reden gerne über ihre Arbeit.
• Formate wie #ImpulseStiften oder Angebote von Phineo, Skala Campus und openTransfer bieten praxisnahe Unterstützung und Weiterbildung.
Die Organisation:
Die Stiftung Bürger für Bürger koordiniert mit der Gemeinschaftsinitiative Zukunftswege Ost ein Netzwerk für Engagementförderung in Ostdeutschland. 2022 auf Anstoß des Ostbeauftragten der Bundesregierung gegründet, will die Initiative gezielt dort ansetzen, wo Ressourcen knapp sind – besonders im ländlichen Raum. Herzstück ist der Mikroförderfonds, der Menschen unkompliziert beim Start eigener Projekte unterstützt – mit niedrigschwelliger Förderung, Beratung und viel Vertrauen.
Worum ging es in der Session?
Wie können Menschen vor Ort ihre Ideen für mehr Gemeinschaft und Demokratie umsetzen – ohne riesigen Aufwand und mit Freude? Die Session zeigte, wie Mikroförderung durch Zukunftswege Ost konkret funktioniert und was für Projekte entstehen können: Von OpenMics über Bürgerbusse bis zu Erinnerungsradtouren. Gemeinsam wurden neue Ideen entwickelt – mit dem Ziel, Selbstwirksamkeit zu stärken, kreative Lösungen für strukturelle Lücken zu finden und Engagement leichter zu machen.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Mikroförderung ist ein echter Hebel – besonders für Menschen ohne Antragserfahrung
Zielgruppe sind bewusst Anfänger:innen, die bisher keine Förderung erhalten haben.
• 85 % der Zukunftswege Ost-Projekte laufen im ländlichen und strukturschwachen Raum.
• Viele Jugendliche erleben, dass Engagement-Orte verschwinden – “Was uns fehlt, versuchen wir selbst zu machen.”
• Fehlende Kontinuität in der Förderlandschaft führt zu Frust: Projekte starten, laufen, verschwinden wieder.
• Selbstwirksamkeit und generationenübergreifender Austausch sind zentrale Schlüssel für Zukunftsprojekte.
• Realistisch denken: Was ist logistisch im Ehrenamt leistbar? Was braucht ggf. Partner:innen vor Ort?
• Neben Zukunftswege Ost lohnt sich ein Blick auf die Mikroförderübersicht der DSEE
• Fazit: Förderformate sollten nicht nur Geld geben, sondern auch Mut machen.
Der Verein:
goals connect e. V. ist ein gemeinnütziger Verein aus dem Saale-Orla-Kreis (SOK), der sich für zivilgesellschaftliche Beteiligung, Bildung und regionale Demokratiearbeit einsetzt. Mit dem ersten Spendenparlament im ländlichen Ostdeutschland hat der Verein 2024 ein innovatives Beteiligungsformat gestartet, das Engagement sichtbar macht, Mikroförderung ermöglicht – und dabei ganz konkret demokratische Mitbestimmung übt.
Worum ging es in der Session?
Was passiert, wenn Menschen aus einer Region gemeinsam einen Spendentopf füllen – und dann demokratisch entscheiden, welche Projekte sie fördern? Genau das ist die Idee der Spendenparlamente. In der Session gab Martin Einblicke in die Praxis im SOK, erklärte das Modell (angelehnt an „Giving Circles“) und diskutierte mit den Teilnehmenden, wie sich das Format auf weitere Regionen in Ostdeutschland, besonders im ländlichen Raum, übertragen lässt.
Wichtigste Erkenntnisse:
• Kernidee: Menschen spenden gemeinsam – und entscheiden gemeinsam, wofür das Geld verwendet wird.
• Mikroförderung mit Wirkung: In der ersten Runde im SOK wurden 13.800 € verteilt – bei 17 Bewerbungen und 28 „Parlamentarier:innen“.
• Förderzwecke: Soziales, Ehrenamt, Teilhabe, Demokratie – Projekte aus dem Landkreis können sich bewerben und pitchen.
• Die Auswahl erfolgt demokratisch – jede Stimme zählt gleich, unabhängig von der Spendensumme.
• Finanzierung über Spenden, Preisgelder, Unternehmenszuwendungen.
• Zwischen den Parlamenten: Themenabende, Öffentlichkeitsarbeit & Community-Building.
• Ziel: Jährlich wiederkehrend, langfristig strukturell verankert.
• Demokratie erlebbar machen – durch echte Mitbestimmung, Beteiligung und Austausch.
• Vernetzungseffekt: Vereine im Landkreis lernen sich kennen, Menschen ohne Zeit fürs Ehrenamt engagieren sich über Spenden.
• Herausforderungen: Spendentopf muss groß genug sein (ab ca. 10.000 € sinnvoll). Lokale Netzwerke, Vertrauen und glaubwürdige Ansprache sind entscheidend.
• Zukunftsidee: Unternehmens-Spendenparlamente, bei denen Mitarbeitende über die Vergabe von CSR-Geldern mitentscheiden.
• Zitat: „Wir brauchen keine Leuchttürme – wir brauchen Lichterketten.“



Workshops & Exkursionen an Tag 2
Zur Initiative:
Die Projektgruppe Erfurt im Nationalsozialismus engagiert sich seit über 20 Jahren mit Stadtrundgängen und erinnerungspolitischen Aktionen für eine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. Sie organisiert Stadtrundgänge und erinnerungspolitische Aktionen, um historische Verantwortung sichtbar zu machen.
Worum ging es in der Exkursion?
Bei einem zweistündigen Rundgang besuchten wir Orte in Erfurt-Nord und der Erfurter Innenstadt, die offen oder versteckt mit dem Aufstieg und den Verbrechen der Nationalsozialisten in Verbindung stehen. Im Mittelpunkt standen die Repression und Verfolgung politisch Andersdenkender und der jüdischen Bevölkerung, Formen lokaler Erinnerungskultur und die Frage, welche Bedeutung diese für eine stabile und demokratische Stadtgesellschaft heute haben. Dabei wurde auch sichtbar, wie vielfältig sich die Erfurter Zivilgesellschaft mit der Geschichte auseinandersetzt.
Der Träger des Hauses:
Das KulturQuartier Erfurt ist ein Kulturgenossenschaft, die das ehemalige Schauspielhaus zu einem lebendigen Ort für Kunst und kulturelle Teilhabe macht. Karina Halbauer engagiert sich seit vielen Jahren für das Projekt und ist im Vorstand der KulturQuartier Schauspielhaus eG.
Worum ging es in der Exkursion?
Bei einer Führung durch das KulturQuartier lernten wir das Projekt als Beispiel zivilgesellschaftlich getragener Stadtentwicklung kennen. Thematisiert wurden die Entstehung des Vorhabens, die Gründung der Genossenschaft, der Umbau des ehemaligen Schauspielhauses sowie die organisatorischen und finanziellen Herausforderungen – sowohl bei der Suche nach einem geeigneten Ort als auch im laufenden Bauprozess, der durch die Corona-Pandemie zusätzlich erschwert wurde.
Besonders eindrücklich waren die Einblicke in die laufende bauliche Entwicklung und wie Kultur mit diesem Vorhaben Räume für Zusammenhalt, Mitgestaltung und gesellschaftliches Engagement schafft. Der Besuch war bestärkend – weil deutlich wurde, was möglich ist, wenn viele Menschen gemeinsam Verantwortung übernehmen. Eine Geschichte des Gelingens, die bei allen einen nachhaltigen Eindruck hinterließ.
Die Organisation:
Plattform e.V. setzt sich für die Förderung kultureller und sozialer Räume in Erfurt und darüber hinaus ein. Der Verein versteht sich als als Think Tank für übertragbare Modellvorhaben und sucht nach nachhaltigen Lösungen für gesellschaftliche Problemlagen und Fragestellungen. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Entwicklung und Begleitung von selbstverwalteten, offenen Räume für eine resiliente Zivilgesellschaft.
Worum ging es in der Exkursion?
Die Exkursion führte zu zwei konkreten Orten – auch im Sinne der Immobilie – zivilgesellschaftlichen Engagements in Erfurt, dem Klanggerüst e.V. und der Saline34. Gemeinsames Ziel beider Organisationen ist es, den Leerstand im Erfurter Norden für (junge) Menschen nutzbar zu machen. Anhand dieser Praxisbeispiele wurde gezeigt, wie Räume für kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe geschaffen und langfristig gesichert werden können. Es ging um Zugänge, Hürden und Erfolgsfaktoren beim Aufbau stabiler Orte für zivilgesellschaftliches Wirken.
Wichtigste Erkenntnisse:
Kooperation schafft Raum: Leerstand kann durch Kooperationen, wie im Fall von Saline34 und Klanggerüst e.V., mit Eigentümer:innen (z. B. privaten Unternehmen oder der Stadt) langfristig in selbstverwaltete, offene Orte umgewandelt werden – wie im Fall des Klanggerüsts und der Saline im Erfurter Norden.
Verantwortung braucht Struktur: Mit dem Besitz oder der langfristigen Nutzung einer Immobilie entstehen neue Aufgaben – von Brandschutz, Schallschutz, Schichtplanung bis Winterdienst –, die Ressourcen binden und die Arbeit im Vorstand stark verändern.
Generationenwechsel ermöglichen: Es ist in teuren, vollen Städten ein großer Gewinn, solche Freiräume zu haben und zu halten. Der langfristige Erhalt solcher Räume gelingt nur, wenn immer wieder neue, junge Menschen nachkommen und andere – z. B. mit gewachsenen Bedürfnissen oder finanziellen Mitteln – in neue Kontexte begleitet werden ((im Fall der Büros und Werkräume in der Saline z.B.).
Zur Person:
Franz Knoppe gründete 2011 die Künstlergruppe Grass Lifter in Zwickau. 2016 war er Projektleiter des preisgekrönten Theatertreffens Unentdeckte Nachbarn in Chemnitz und Zwickau. Er konzipierte das Programm „neue unentdeckte narrative” in Chemnitz und begleitete es bis 2020. Seitdem ist er als Referent für Demokratieförderung und -entwicklung für die sächsische Staatsregierung tätig und versucht, der Verwaltung heimlich ein, zwei Ideen weiterzugeben.
Worum ging es in dem Workshop?
Der Workshop vermittelte praktische Tipps, wie zivilgesellschaftliche Organisationen trotz begrenzter Ressourcen wirksame Lobbyarbeit leisten können. Es ging um konkrete Erfahrungen aus der Arbeit an der Schnittstelle von Aktivismus und Verwaltung – und darum, wie man auch ohne formale Macht Einfluss auf politische Prozesse nimmt. Dabei wurden kreative und pragmatische Strategien geteilt, die in der Praxis funktionieren.
Wichtigste Erkenntnisse:
Strategisch planen und medienwirksam handeln: Kampagnen frühzeitig vorbereiten – z. B. durch vorproduzierte Pressemitteilungen, die Redaktionen rechtzeitig vor relevanten Stichtagen zur Verfügung gestellt werden.
Netzwerke früh und gezielt aufbauen: Beziehungen zu politischen Akteur:innen nicht erst in Krisensituationen knüpfen – auch ehemalige Abgeordnete können wertvolle Türöffner sein.
Menschen mit ihren eigenen Überzeugungen erreichen: Über gemeinsame Interessen, nicht über Überredung. Persönliche Einladungen – etwa zum Essen – schaffen Nähe und Gesprächsbereitschaft.
Zur Person:
Edyta Rogowska-Żak ist Musikerin und Kulturmanagerin aus Berlin. Sie verbindet in ihrer Arbeit künstlerische Praxis mit gesellschaftspolitischem Anspruch und schafft Räume für Selbstausdruck und Empowerment. Als Stimmbildnerin bringt sie Erfahrungen aus Musik, Theater und Achtsamkeit zusammen.
Worum ging es in dem Workshop?
Der Workshop lud die Teilnehmenden ein, ihre eigene Stimme als kraftvolle Ressource zu entdecken. Durch gezielte Atem-, Körper- und Stimmübungen wurde ein geschützter Raum geschaffen, in dem innere Blockaden gelöst und persönliche Ausdrucksstärke gefördert wurden. Im Mittelpunkt stand nicht Perfektion, sondern Ausdruckskraft und Selbstermächtigung, die eigene Stimme mutig und klar hörbar zu machen.
Wichtigste Erkenntnisse:
Körper und Stimme gehören zusammen: Vielen wurde bewusst, wie sehr körperliche Anspannung Denken, Sprechen und Auftreten beeinflusst – und wie hilfreich gezielte Lockerungsübungen vor Präsentationen oder Gesprächen sein können.
Stimme wirkt im Zusammenspiel: Der gemeinsame Ruf zeigte eindrucksvoll, wie stark und laut viele Einzelstimmen werden können – eine Erfahrung von Resonanz, Präsenz und kollektiver Kraft.
Stimmtraining ist für alle relevant: Ob im Büro, im Aktivismus oder am Lagerfeuer – die eigene Stimme zu trainieren stärkt Ausdruck, Selbstsicherheit und die Wirkung des Gesagten. Entspannung, Atem und Haltung sind zentrale Hebel für einen authentischen Auftritt.
📷 Fotoalbum

Die Fotos können unter dieser Lizenz verwendet werden: CC BY-NC-SA 4.0. Diese umfasst die Verwendung für unkommerzielle Zwecke bei Namensnennung. Fotocredit: „Foto: Ronja Arndt | openTransfer“.
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Wer wir sind?

Das openTransfer CAMP Zusammenhalt fand im Rahmen des Programms openTransfer Zusammenhalt der Stiftung Bürgermut statt.
openTransfer Zusammenhalt bietet eine Plattform für alle, die mit ihrer Arbeit den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Osten Deutschlands stärken.
Zum Team openTransfer Zusammenhalt gehören: Friederike Petersen, Hannah Vongries, Josefa Baum & Ramona Vogel.
Das openTransfer CAMP Zusammenhalt fand im Rahmen des Programms openTransfer Zusammenhalt der Stiftung Bürgermut statt. Das Projekt wird gefördert durch die Stiftung Mercator. Partner:innen des Barcamps waren die Gesellschaft für Freiheitsrechte und Plattform e.V., Netzwerkpartner:innen waren MigraNetz Thüringen und der Landessportbund Thüringen.
