Demografischer Wandel vs. digitaler Wandel

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Boris Nitzsche und Gerhild Vollherbst auf dem openTransfer CAMP Demografie am 29.5.2015 in Berlin

 

Wie gelingt es, die sogenannten Offliner ins Netz zu bekommen, sodass auch sie von den digitalen Angeboten profitieren können? In der Session ging es um die unterschiedlichen technischen Barrieren und solchen in den Köpfen.

Gerhild Vollherbst und Boris Nitzsche fanden sich spontan nach der Vorstellungsrunde zusammen, um gemeinsam eine Session zu halten. Gerhild Vollherbst engagiert sich bei Dynalog, einem Tochterunternehmen der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). Dynalog unterstützt Unternehmen dabei, Jugendliche anzusprechen und als Nachwuchskräfte zu gewinnen. Vollherbst ist sich bewusst, dass jüngere Generationen immer schon anders „getickt“ haben als die älteren – und das sei auch gut so. Dennoch fragt sie sich, ob die digitalen Medien einen neuen Einfluss auf die grundlegenden Prozesse des Arbeitens und Lebens haben – und wie dieser zu bewerten ist.

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Bild: Gerhild Vollherbst (mit Mikro) und Boris Nitzsche (2. v. r.)

Boris Nitzsche kommt aus dem Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit bei der Literaturwerkstatt Berlin. Auch er sieht, dass sich die Kommunikationsformen geändert haben. Vor allem der Zugang zu sozialen Medien bekomme eine immer größere Bedeutung. Es müssten Wege gefunden werden, die verhindern, dass im Prozess des digitalen Wandels jemand verloren gehe.

Negative Aspekte der fortschreitenden Digitalisierung

Die angeregte Diskussion beschäftigt sich zunächst mit der Frage, wie wir Menschen online bringen, die bislang keinen Zugang zum Netz haben, z.B. viele der älteren und hochaltrigen Menschen. Eine Frage war dabei, wie man Menschen mit dem Internet vertraut machen könne, die den Schritt ins Netz kategorisch ablehnen. Als Hauptgrund wurden hier die Ängste der Menschen genannt: Wie bei jeder technischen Innovation herrsche auch in diesem Bereich Verunsicherung, später mögen die Vorteile erkannt werden.

Der Hamburger Verein Wege aus der Einsamkeit hat dazu ein spannendes Projekt initiiert: Unter dem Motto „Wir versilbern das Netz“ werden ältere Menschen persönlich angesprochen und im Umgang mit dem Internet geschult. Die Nachfrage übersteigt momentan das Angebot an Kursen und wird u. a. über Wochenblätter kommuniziert. Ein wichtiger Aspekt ist dabei das Erlernen der grundlegenden Funktionsweisen eines Computers und des Internets.

Die Wahrnehmung der Diskussionsteilnehmenden ist, dass viele Ältere Interesse am Internet zeigten, aber so richtig nutzen wolle es nur ein kleiner Teil. Sie formulierten auch die Idee, über die bestehenden Vereine, in denen sich (ältere) Menschen engagieren, zu gehen. Ein weiterer Weg führe vielleicht über die Familien und Angehörigen, die den potenziellen Nutzern und Nutzerinnen zeigen könnten, welche Vorteile es haben kann, im Netz aktiv zu sein.

Dazu könne vor allem gute Öffentlichkeitsarbeit beitragen. Ein Beispiel aus Hamburg zeige, dass es wichtig ist, Vorbilder in den Medien zu präsentieren. So gebe es zum Beispiel im Begegnungszentrum „Haus im Park“ zwei aktive Bloggerinnen, die schon 80 Jahre alt sind.

Positive Entwicklungen und weitere Ideen

Auch positive Einsatzmöglichkeiten der neuen Medien jenseits von Schrittzählern und Logiktrainern wurden diskutiert: Die medizinischen Entwicklungen (umfassende Gesundheitsapps oder Notfall-Geräte) wurden hier zu allererst genannt. Auch die vielfältigen Anwendungsbereiche der neuen Smart-Home-Technologien wurden angeführt.

Viele der Teilnehmenden waren sich einig, dass sich der Markt für digitale Anwendungen (Apps) noch zu wenig der älteren Zielgruppe widme. Es brauche neue Apps, die es den Senioren und Seniorinnen ermögliche, „am digitalen Stammtisch teilzunehmen“ und eben nicht nur eine App mit größerer Schrifteinstellung zu installieren. „Seniorenapp“ dürfe man das aber nicht nennen – vielmehr wären Apps, die wirklich von allen genutzt werden können und möglichst barrierearm sind, sinnvoll.

Ein Teilnehmer führte ein Beispiel aus einem holländischen Pflegheim an: Dort könnten via Intranet auch jene, die bettlägerig sind, am regelmäßigen Bingospiel teilnehmen ohne direkt am Ort des Geschehens zu sein. Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen kann durch entsprechend aufbereitete Angebote auch ein digitaler Besuch eines Museums spannend sein. Weitere Ideen der Barcamper und Barcamperinnen umfassten die Möglichkeit des Teilens eines Internetanschlusses in der Hausgemeinschaft unter Nachbarn, um Kosten zu reduzieren, oder Patenprogramme, die einen Einstieg ins Netz erleichtern können.

Zuletzt sei es durch die oftmals getrennten Lebensräume der Angehörigen oder Bekannten wichtig, das Internet als einen Kommunikationsraum zu sehen. So werden E-Mail, Skype, Whatsapp & Co. immer wichtiger, um sich auszutauschen.

Zusammenfassend: digitaler oder und demografischer Wandel

Letztendlich gelte aber: Auch wenn die Ideen und der Nutzen noch so groß sind, wenn diese neuen Technologien nicht bedienbar sind, brächten sie nichts. Ebenso wurde in der Runde betont, dass die Art der Kommunikation, die auf einem Barcamp wie diesem gepflegt werde, leider immer mehr verschwinde, aber sehr wertvoll für neue Impulse und den Austausch darüber ist. Digitale Medien seien ein Mittel und kein Selbstzweck, sie sollten den Bedürfnissen der Menschen angepasst werden und nicht andersherum!

 

Boris Nitzsche fasst im Anschluss drei Fragen zusammen, die konkrete Ansätze für weitere Diskussionen bieten:

Wie bekommen wir die Menschen ins Netz, die dort noch nicht sind?

Wie erreichen wir diese Menschen?

Wie erreichen wir sie auf eine nachhaltige Art und Weise?

Foto: Thilo Schmülgen

Johanna Voll

Johanna Voll studierte Interkulturelle Europa- und Amerikastudien in Halle (Saale) sowie Soziokulturelle Studien an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), wo sie mittlerweile als akademische Mitarbeiterin tätig ist. Zuvor hat sie u.a. in der Onlineredaktion vom BBE (Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement) die Social Media-Kanäle betreut. An der Viadrina beschäftigt sie sich nun mit der Reorganisation von Erwerbsarbeit in der Wissensgsellschaft und untersucht das Phänomen Coworking und seine Räume. Besonders spannend findet sie auch die Schnittstellen von Social Media und Wissenschaft und versucht genau das den Studierenden zu vermitteln.

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