Barcamps: neue Chancen für NPOs

Seit 2006 verbreitet sich das Veranstaltungsformat ‚Barcamp‘ immer stärker und wird zu immer mehr Themen angeboten. Was ist das Besondere an diesem Format? Welchen Nutzen birgt es für seine Teilnehmer und welche Chancen bietet es NGOs?

1.  Was ist ein Barcamp?

Die kürzestmögliche Beschreibung eines Barcamps ist wohl folgende: Es handelt sich um eine Konferenz, bei der das Programm nicht feststeht, sondern durch die Teilnehmer erst vor Ort spontan zusammengestellt wird. Auf den ersten Blick mag das ein wenig verrückt und unrealistisch klingen. In der Praxis haben jedoch Hunderte Barcamps gezeigt, dass diese Herangehensweise nicht nur funktioniert, sondern dass sie viele Chancen birgt.

Dabei werden Barcamps zu ganz verschiedenen Themen angeboten. Bei einem ‚klassischen‘ Barcamp findet ein Austausch über Social Media, Internet und Technologie statt. Bei anderen Kernthemen spricht man von einem so genannten ‚Themencamp‘. Speziell für NGOs stellt dabei das OpenTransferCamp (opentransfer-camp.mixxt.de) ein wichtiges, thematisch ausgerichtetes Barcamp dar, das bereits in Köln, München und Berlin durchgeführt wurde. Zudem existiert das Communication Camp (www.communication-camp.de), bei dem in einem Barcamp-ähnlichen Stil jeweils die Kommunikation einer gemeinnützigen Einrichtung an einem Wochenende überarbeitet wird, wodurch es für Vereine besonders interessant ist.

Am ehesten ist die Atmosphäre eines Barcamps mit dem offenen Austausch in den Kaffeepausen klassischer Konferenzen zu vergleichen. Einige Szenekenner sprechen daher auch von der Kaffeepause als Eventformat.

2.  So läuft‘s ab: Ein typischer Barcamp-Verlauf

Betrachten wir für eine bessere Vorstellung zunächst den typischen Ablauf eines Barcamps: Den Auftakt des Tages bildet ein gemeinsames Frühstück aller Teilnehmer. Ebenso wie die folgenden gemeinsamen Mahlzeiten mittags und abends bietet dies den Teilnehmern schon die erste Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Anschließend werden sie vom Organisationsteam begrüßt, das ihnen zudem Sponsoren und Unterstützter vorstellt und den weiteren Ablauf erklärt. Es folgt eine Vorstellungsrunde, bei der sich alle Teilnehmer kurz mit Name, Organisation und drei Stichworten zu sich selbst vorstellen. (In dieser kurzen Form ist dies sogar mit Hunderten Teilnehmern in wenigen Minuten möglich.)

Darauf folgt das Herzstück eines Barcamps: die Sessionplanung. Jeder kann allen anderen Anwesenden Sessions vorschlagen. Eine Session zu einem bestimmten Thema, dies können kurze Vorträge mit viel Interaktion, Fragerunden, Workshops oder Diskussionsrunden sein, dauert 45 Minuten. Nach der Vorstellung einer Session bekundet das Plenum per Handzeichen Interesse.

Nun folgen die Sessions, die am Morgen geplant wurden. Es finden immer mehrere Sessions parallel statt. In der Lounge können die Inhalte aus den Sessions in kleinen Gruppen weiter vertieft oder Themen abseits der Sessions besprochen werden. Nach den Sessions klingt der Abend gemeinsam aus. Dabei wird in der Regel ein gemeinsames Abendessen angeboten. Anschließend wird die offene Atmosphäre in persönlichen Gesprächen weiter vertieft.

Meistens erstreckt sich ein Barcamp auf zwei Tage. In diesem Fall wiederholt sich der Ablauf am zweiten Tag mit einer erneuten Sessionplanung. Dabei werden sowohl neue Themen vorgestellt als auch solche vom Vortag weitergeführt oder erneut angeboten.

3.  Was Barcamps so besonders macht

Durch das offene Format und die intensive Einbindung der Teilnehmer ergeben sich zahlreiche Vorteile, die Barcamps als Veranstaltungsformat mitbringen.

1. Teilnehmerzentrierung

Es stehen die Teilnehmer mit Ihren Themen im Fokus. Sie geben ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter und erhalten im Umkehrzug neue Impulse. Die Organisatoren stellen nur einen Rahmen und legen ein Themengebiet fest, zu dem das Barcamp angeboten wird.

2. Eigenverantwortung der Teilnehmer

Bei diesem Format übernehmen die Teilnehmer selbst Verantwortung für sich und die Gruppe. Das stärkt sie in ihren Kompetenzen und gibt ihnen Selbstvertrauen. Jeder erlebt sich als Experten, der sich auf Augenhöhe mit anderen Experten austauscht.

3. Relevanz und Aktualität

Es werden nur Themen besprochen, die für die Teilnehmer selbst an diesem Tag relevant sind. Im Gegensatz dazu müssen feste Programme oft Monate im Voraus erstellt werden. Ob damit die aktuellen Fragen und Herausforderungen der Teilnehmer am Veranstaltungstag getroffen werden, ist jedoch ungewiss. Zudem kann auf einem Barcamp flexibel auf Ereignisse – sogar noch solchem vom gleichen Tag – reagiert werden.

4. Interaktion und offener Austausch

Durch das Übertragen der Verantwortung für die Inhalte an die Teilnehmer werden diese sehr stark eingebunden. So entsteht automatisch ein offener und interaktiver Austausch. Sessions, die bewusst als Fragerunden oder Diskussionen ausgelegt sind, fördern dies weiter.

5. Ergebnisoffenheit

Es gibt kein zu erreichendes Ziel, was keinen Erfolgsdruck aufkommen lässt. Dadurch können sich alle Themen vollkommen frei entfalten. Jeder nimmt vor Ort die Impulse, das neue Wissen und die neuen Kontakte mit, die gerade für ihn selbst richtig und wichtig sind.

4.  Warum Sie Ihren Mitarbeitern oder Mitgliedern Barcamps empfehlen sollten

Dabei ist die Teilnahme an Barcamps und vor allem die Weitergabe von Wissen in Sessions alles andere als rein altruistisch zu betrachten. Stattdessen profitiert davon auch jeder selbst – ebenso wie die Organisation, für die diese Person arbeitet.

1. Aufzeigen von Kompetenzen

Durch eigene Sessions kann man Kompetenz zu bestimmten Themen nicht nur zeigen, sondern wirklich erlebbar machen. Da man sich dem offenen Austausch stellt, findet dies auf einer anderen Ebene statt, als bei Vorträgen mit Marketingabsicht.

2. Eigenes Wissen vertiefen

Dank der Rückfragen, Ergänzungen und Querverbindungen, die andere Personen in die eigenen Sessions einbringen, vertieft sich das eigene Wissen deutlich. Dabei handelt es sich gerade um den schwer zu erwerbenden Wissensanteil, der nicht angelesen, sondern nur im Austausch mit Dritten erlangt werden kann.

3. Unterstützer finden

Selbstverständlich knüpft man auf einem Barcamp eine Menge neuer Kontakte und intensiviert bestehende. Gerade eine offene, authentische und persönliche Darstellung der Ziele eines NGOs macht es einfacher, potenzielle Förderer zu überzeugen. Dies kann neben finanziellen Unterstützern auch beispielsweise der Kommunikationsexperte sein, der die Webseite kostenlos überarbeitet.

4. Neue Impulse aufnehmen

Die besuchten und gehaltenen Sessions bieten eine Fülle von neuen Anregungen, die man anschließend für sich persönlich oder in seiner Arbeit umsetzen kann.

5. Spaß erleben

Wer bereits an einem Barcamp teilgenommen hat, hat erfahren, dass diese Form des Wissensaustauschs nicht nur äußerst bereichernd ist, sondern auch wirklich Spaß macht.

5.  Barcamps sind auf Unterstützung angewiesen!

Viele Barcamps und Themencamps werden für die Teilnehmer kostenlos oder zu geringen Kosten angeboten. Daher sind Barcamps auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Diese werden klassischerweise in Form von Sponsorings durch Firmen erbracht, aber auch immer mehr Stiftungen und Vereine leisten einen finanziellen Beitrag zum Gelingen von Barcamps.

Ein Grund hierfür kann ein direkter Zusammenhang mit den eigenen Zielen sein. Werden beispielsweise Bildungsprojekte gefördert, so ist die Unterstützung innovativer Bildungsformate wie die eines Barcamps naheliegend. Ebenso kann ein thematischer Bezug gegeben sein. NGOs aus dem Gesundheitsbereich können beispielsweise eine Förderung des BleibGesundCamps (www.bleibgesundcamp.de) rund um die Frage „Wie halte ich mich selbst gesund?“ in Betracht ziehen.

Daneben werden die Vorteile einer Teilnahme (siehe 4) durch ein Sponsoring nochmals verstärkt. Die NGO und deren Teilnehmer erhalten so noch mehr Beachtung. So unterstützte beispielsweise der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club Baden-Württemberg das LifeWorkCamp 2013 (www.lifeworkcamp.de). In den entsprechenden Sessions stellte der Landesvorstand Ideen rund um den Arbeitsweg per Fahrrad und dessen Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen vor.

Berücksichtigen Sie dabei auch, dass auf Barcamps sehr engagierte Teilnehmer anzutreffen sind, die oftmals über große Netzwerke online wie offline verfügen. Diese sind sehr gute Multiplikatoren, um Ihre Anliegen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Werden Themen von NGOs stark selbst getrieben, so kann zudem überlegt werden, ein eigenes Themencamp auszurichten. So können beispielsweise Blinden- und Sehbehindertenverbände Barcamps zum Thema anbieten. In diesen könnte Wissen über spezielle Anforderungen, Förderungen, Bedienkonzepten, etc. zwischen Betroffenen und Nichtbetroffenen ausgetauscht werden.

6.  Wie im Außen, so im Innen!

Barcamps sind jedoch nicht nur als Format zum Austausch mit Dritten sehr gut geeignet. Bei größeren Organisationen kann dieses Format auch sehr gut intern eingesetzt werden. Dabei können auch Interessierte, Förderer, Partner und andere Dritte eingebunden werden.

Auch wenn ein Barcamp inhaltlich ergebnisoffen ist, können mit einem internen Barcamp verschiedenste Ziele verfolgt werden. Hier einige Anregungen aus dem NGO-Umfeld:

1. Verbesserter Wissensaustausch

Knowledge-Management ist nicht nur für große Unternehmen, sondern auch für Organisationen eine Herausforderung. Informelle Wissensweitergabe zwischen Mitgliedern oder Mitarbeitern ist Alltag. Hier wird er gezielt gefördert.

2. Vernetzung von regionalen Gruppen

Der Austausch zwischen regionalen Gruppen innerhalb der Organisation wird ebenfalls begünstigt. Diese vernetzen sich über ihre Mitglieder und tauschen so auch zukünftig Ideen und Informationen aus.

3. Zusammenwachsen von Haupt- und Ehrenamtlichen

Beschäftigen Sie haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter, so können sich diese hier auf Augenhöhe begegnen. Möglicherweise vorhandene Differenzen und Vorbehalte können so gelöst werden.

4. Besonderes Dankeschön für wichtige Förderer

Überraschen Sie Ihre Förderer durch eine Einladung zu einem Barcamp. Diese Form der Sponsor Relations macht nicht nur Spaß, sondern bieten einen echten Mehrwert.

5. Initiierung von neuen Projekten innerhalb der Organisation

Die offene Atmosphäre begünstigt das Entstehen von Ideen für neue Projekte, Kampagnen, Angebote und ähnliches Ihrer Organisation. Die Wahrscheinlichkeit für die Umsetzung solcher Impulse ist dabei sehr hoch, da Barcamps vorrangig von sehr engagierten Personen besucht werden.

6. Gewinnung neuer Mitglieder oder Förderer

Machen Sie sich mit einem Barcamp als interessante und innovative Organisation erlebbar, von dem man gerne Teil wird. Auf diesem Weg können Sie neue Mitglieder oder Förderer leichter gewinnen als mit aufwändigen Kampagnen.

Die Steuerung erfolgt dabei innerhalb des Barcampformats durch die thematische Ausschreibung oder die gezielte Einladung verschiedener Personenkreise. Vermeiden Sie es, Ziele zu definieren, sondern lassen sie diese von den Besuchern innerhalb des gesetzten Rahmens frei erarbeiten. Ohne Ergebnisdruck entsteht dabei oftmals mehr, als man sich vorher hätte vorstellen können.

7.  Besuchen Sie ein Barcamp!

Dieser Artikel sollte nicht ohne die Aufforderung an Sie enden, selbst ein Barcamp zu besuchen. Lassen Sie sich von der offenen Atmosphäre inspirieren, teilen Sie ihr Wissen, knüpfen Sie neue Kontakte und holen Sie sich neue Impulse!

Im Bereich von NGOs ist ein Besuch des OpenTransferCamps (opentransfer-camp.mixxt.de) sehr zu empfehlen. Eine Liste aller Barcamps und Themencamps in Deutschland finden Sie auf www.barcamp-liste.de. Eine internationale, aber für den deutschsprachigen Raum leider unvollständige Liste finden Sie auf www.barcamp.org.

Hiermit starten:

Anleitung Barcamp Organisation .

OpenTransfer CAMP. Das Barcamp von und für NPOs an verschiedenen Orten.

Weltweite Übersicht über Barcamps (unvollständig für D/A/CH): www.barcamp.org.

CC Lizenz

Dieser Text steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht Kommerziell-Keine Bearbeitung 3.0 Unported Lizenz.
Jan Theofel

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