Big Data = Big Brother?

Das Icon, das für Session-Dokumentationen steht.Uwe Amrhein vom Generali Deutschland beim openTransfer CAMP Digitalisierung am 22. Juni 2017 in Berlin

Ausgehend von seiner Doppelrolle als Mitarbeiter der Generali Deutschland AG und als ehrenamtlicher Vorstand der Stiftung Bürgermut diskutierte Uwe Amrhein mit den Sessionteilnehmenden die Vor- und Nachteile des Sammelns großer Datenmengen für die Zivilgesellschaft.

Was überwiegt? Der potenzielle kollektive Nutzen, der sich aus der Sammlung und Verwertung großer Datenmengen für die Zivilgesellschaft ergeben würde oder eine mögliche Belastung des Einzelnen durch die Informationen, die über ihn vorliegen? Mit dieser Frage eröffnete der Sessiongeber die Diskussionsrunde.

Ausgangspunkt der Überlegung war ein neues Bonusprogramm des Versicherers Generali, das die Kunden zum Datensammeln und -teilen einlädt und für das der Versicherer den Big Brother Award als „Datenkrake“ erhielt. Das Generali-Programm belohnt gesundes bzw. risikoarmes Verhalten und bestraft Negativenfaktoren nicht. Die Daten werden freiwillig gesammelt, und die eingesetzten Geräte wie z.B. Fitnesstracker erfreuen sich auch abseits von Bonusprogramm großer Beliebtheit.
Trotzdem ergibt sich alleine aus der Belohnung von Fortschritten die Frage, ob man Menschen überhaupt einer datenbasierten, vergleichenden Wertung unterziehen und dadurch alternative Lebensformen abwerten dürfe.

Mehrere Personen sitzen in einem Stuhlkreis.

Andererseits birgt das Aggregieren von Daten große Potenziale: Risiken können besser eingeschätzt und reduziert werden, künftige Bedarfe könnten prognostiziert werden, was vor allem in der Pflege einen hohen kollektiven Nutzen bringen könnte. Auf der anderen Seite ist kaum ein gesellschaftlicher Bereich so sensibel wie die Pflege.
Die Big-Data-Diskussion ist genau deshalb so schwierig, weil es für die Datensicherheit bisher keine befriedigenden Lösungen gebe: So wie sich der kollektive Nutzen mit der Menge der gesammelten Datenmenge vervielfacht, vervielfacht sich auch die Missbrauchsgefahr.

Transparenz in der sozialen Arbeit
Ein Teilnehmer warf ein: Die verbreitete Meinung, dass nur die Verwaltung und Unternehmen zu Transparenz verpflichtet sind, ist ein falscher Ansatz. Wie könnten zivilgesellschaftliche Organisationen die eigene Arbeit transparent darstellen, ohne dabei übermäßig Informationen über Stakeholder zu sammeln. Aus dieser Perspektive wäre es sogar egoistisch, das Sammeln von Daten zu verbieten. Eine Teilnehmerin meinte, Daten werden erst durch ihre Zuordnung zu Personen wertvoll, was kleinere zivilgesellschaftliche Organisationen gar nicht leisten könnten. Das Ziel in vielen Organisationen ist daher nach wie vor Datenarmut, auch weil die Datensicherheit nicht gewährleistet werden kann.
Problematisch ist, so eine andere Teilnehmerin, in der Regel nicht die interne Auswertung von Daten, sondern dass man einen weit höheren Nutzen hätte, wenn diverse Daten zusammengeführt würden. Dann besteht aber die Gefahr von Konsequenzen für Einzelne, z.B. eine Einschränkung der Kreditfähigkeit, beschränkter Zugang zu bestimmten Informationen u.ä.

Digitalisierung – (k)ein Thema der Zivilgesellschaft?
Viele zivilgesellschaftliche Organisationen, so die Gruppe, hinken hinterher. Der Bereich digitales und technisches Fachwissen ist komplett unterfinanziert. Es gibt noch nicht einmal die Kompetenzen, um diese Fragen überhaupt zu diskutieren. Eine Teilnehmerin bekräftigte: Förderer sollten gezielt in jene Organisationen investieren, die dieses Wissen haben. Denn Themen wie künstliche Intelligenz haben jede Menge mit zivilgesellschaftlichem Engagement zu tun – Digitalisierung bietet auch Chancen, gerade im sozialen Bereich.
Die Marginalisierung zu einem Randthema muss aufhören, so auch der Sessiongeber. Zu viele Organisationen geben sich mit der Suche nach geeigneten Tools zufrieden und stellen nur kleinteilige Fragen wie „Wie bekommen wir mehr Nutzer auf Facebook?“ Dabei geht es doch um viel mehr.

Am Ende der Session stehen mehr Fragen als Antworten im Raum:
• Was macht das Sammeln großer Daten mit uns als Gesellschaft?
• Müssen wir neue Guidelines aushandeln?
• Müsste eine zentrale, „neutrale“ Institution zur Verwaltung von Daten geschaffen werden – und wären in diesem Fall die Daten überhaupt sicherer?
• Warum ist die Digitalisierung nicht schon längst ein Thema für zivilgesellschaftliches Engagement?
Einig waren sich die Teilnehmenden vor allem in einem Punkt: Die Diskussion sollte nicht mehr wie bisher größtenteils den Unternehmen überlassen werden, sondern auch verstärkt in der Zivilgesellschaft geführt werden.

Foto: Milos Djuric

Louise Buscham

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